Sieg des Lafontaine-Flügels

Demonstrative Einigkeit bei der Linkspartei, während bei der WASG die unterschiedlichen Strömungen noch um die politische Ausrichtung kämpfen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Linkspartei.PDS und WASG haben am Wochenende auf getrennten Parteitagen beschlossen, dass sie ihre Fusion fortsetzen wollen. Für nicht wenige ist das eine überraschende Nachricht. Denn sitzt nicht seit den letzten Bundestagswahlen die Linke schon längst im Parlament? Viele haben übersehen, dass das komplizierte Wahlprozedere nur die Kandidatur der umbenannten PDS zuließ, die einige Vertreter der WASG aufgenommen hatte.

Die neue Partei sollte nach den Willen der Führung beider Formationen so schnell wie möglich geschaffen werden. Doch bald stellte sich heraus, dass es einige Stolpersteine auf dem Wege zur neuen Linkspartei geben würde. Die größten sind die beiden Landesverbände der WASG in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern.

In beiden Bundesländern ist die Linkspartei Teil der Regierung und ein Teil der WASG-Basis sieht wenig Unterschiede zu der Politik anderer Parteien. Die PDS-Realpolitik war aber nicht der Grund, nur der Anlass, für das Erstarken von fusionskritischen Strömungen in beiden Landesverbänden. Die aber kommen aus unterschiedlichen politischen Lagern.

In Berlin hat es die trotzkistische SAV verstanden, das Unbehagen an der Linkspartei zu bündeln. Sei scharte um sich auch viele ehemalige Mitglieder dieser Partei, die in den letzten Jahren aus unterschiedlichen Gründen ausgetreten waren. Allerdings zeigte die Urabstimmung unter den Berliner Mitgliedern, dass die WASG eigentlich in zwei gleichstarke konträre Lager gespalten sind. Es gab nur eine knappe Mehrheit für die Alleinkandidatur. Doch die Vertreter dieser Strömung wollten trotzdem ihren Kurs kompromisslos durchsetzen. Die SAV sah schließlich in Berlin die einmalige Chance, ihr Ziel, die Etablierung einer neuen Linkspartei, voranzutreiben. Kritiker hingegen mokierten, dass eine Alleinkandidatur mit einer derart gespaltenen Partei durchzusetzen, Harakiri ist.

Uneinige Fusionskritiker

In Mecklenburg-Vorpommern hingegen wird die kritische Position am Wirken der Linkspartei an der Regierung von politischen Kreisen getragen, die sich nicht als links und sozialistisch verorten und eher eine neue Reformalternative etablieren wollen. Diese Strömung ist auch in anderen Bundesländern, z. B. in Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt vertreten, allerdings in der Minderheit. Kurz vor dem entscheidenden Parteitag hat sich ein Fusionsgegner als ganz Rechtsaußen geoutet. Das Vorstandsmitglied Andreas Wagner avancierte zum sozialpolitischen Berater der NPD. Ob Wagner einer jener U-Boote in der Linken war, die die rechte Partei im Frühsommer 2005 medienwirksam ankündigten, ist offen. Den Fusionsgegnern hat Wagner damit nicht genützt.

Doch ohne den Wagner-Coup hätte die Parteispitze in Karlsruhe ihren Kurs sicher bestätigt. Solange die machtbewusste Führungstroika um Klaus Ernst und Oscar Lafontaine an einem Strang zieht, war eine Niederlage ihres Kurses kaum denkbar gewesen. Außerdem haben sie ganz unverhohlen angekündigt, für diesen Fall schon einen Plan B in der Tasche zu haben. Ob es sich dabei um die Gründung einer neuen Partei oder den geschlossenen Übertritt in die Linkspartei handelte, blieb offen.

Für die macht- und gestaltungsbewussten langjährigen Sozialdemokraten in der WASG gibt es für diesen Kurs keine Alternative. Ihre Liaison mit der PDS war keine Liebesheirat, sondern eine Vernunftehe. Klaus Ernst und seine Mitstreiter hatten noch vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen vor einem Jahr eine Position vertreten, wie sie jetzt die Fusionskritiker der Reformströmung äußern. Man wolle den Sozialstaat erhalten und strebe nicht den Sozialismus an, sagte Ernst beispielsweise kurz vor dieser Wahl in mehreren Interviews. Die Auswertung der Wahlergebnisse und mehr noch die darauf folgende vorgezogene Neuwahl zum Bundestag überzeugte dann die Pragmatiker in den Führungsetagen, dass sie nur gemeinsam mit der PDS eine Chance haben. Die Intervention von Lafontaine hat diesen Kurs dann bestätigt.

Der ehemalige SPD-Parteichef und Kanzlerkandidat ist natürlich nicht in die Politik zurückgekehrt, um eine Nischenpolitik zu praktizieren. Er könnte sich durchaus eine Koalition mit seiner ehemaligen Partei vorstellen und hat denn in letzter Zeit den Kurs des designierten SPD-Chefs Kurt Beck auffallend gelobt. Auf dem WASG-Parteitag trat Lafontaine denn auch schon als Chef der neuen Linkspartei in Spe auf, die er als Speerspitze gegen den Neoliberalismus profilieren will.

Ruhe in Halle

Dass die reale Politik der Linkspartei da manchmal eine andere ist, ficht den kompromisserfahrenen Sozialdemokraten nicht an. So hat er zwar heftig kritisiert, dass Dresdner Kommunalpolitiker der Linkspartei für die Privatisierung des kommunalen Wohneigentums stimmten, aber Ausschlussforderungen gegen die renitenten Politiker wollte er auch nicht fordern. Auch die Politik der Berliner Linkspartei kritisierte er nur milde.

Damit traf er auch eine Stimmung in der Linkspartei. Auf ihrem Parteitag in Halle spielten alle im Vorfeld aufgetauchten oder von den unterschiedlichen Fraktionen hoch gespielten Zerwürfnisse kaum eine Rolle. Die der Realofraktion nahestehende Katina Schubert wurde zur stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt und auch die Linke Sarah Wagenknecht sitzt weiter im Parteivorstand. Auch das Scherbengericht über die Dresdner Kommunalpolitiker, die dem Wohnungsverkauf zustimmten, blieb aus. Die Linkspartei bleibt auf Linie, war das Signal von Halle. Die WASG-Führungsspitze hat dies verstanden.

WASG nun?

Auch nach der Durchsetzung der Lafontaine-Linie wird es an Widersprüchen in der WASG nicht mangeln. Die renitenten Landesverbände von Berlin und Mecklenburg haben schon angekündigt, dass sie ihre Alleinkandidatur aufrecht halten. Administrative Maßnahmen scheinen unvermeidlich. Die aber sind auch im fusionswilligen Teil der WASG umstritten.

Das zeigte sich am Rücktritt der drei Vorstandsmitglieder Joachim Bischoff, Sabine Lösung und Björn Radke. Sie traten für einen moderateren Kurs gegenüber den Fusionskritikern ein und lehnten administrative Maßnahmen ab. In diesen Auseinandersetzungen wird auch deutlich, dass die WASG mindestens aus zwei Komponenten besteht. Die machtbewussten sozialdemokratischen Gewerkschafter, die der Schröder-Kurs der Agenda 2010 zum Parteiaustritt und zur Gründung der Initiative „Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ bewog, fusionierten mit linken Theoretikern um die Theoriezeitschrift Sozialismus, die an einer linken Wahlalternative 2006 bastelten. Nach dem Parteitag dürfte ein Teil der Fusionskritiker die Partei verlassen.

Die Reformströmung hat schon die Bildung einer neuen Partei mit dem wenig originellen Namen „Die Alternative“ angekündigt. Sie dürfte allerdings kaum größere Bedeutung erlangen. Die trotzkistische Fraktion der Fusionskritiker dürfte es der Parteiführung nicht so einfach machen. Sie werden schon wegen des beabsichtigen Medienechos um ihren Platz in der Partei kämpfen. Allerdings sind Prognosen vor einem Ausbluten der Partei übertrieben. Dass Parteibildungsprozesse immer mit starken Turbulenzen verbunden ist, zeigt die Frühphase der Grünen. Gegen ihre oft chaotischen Parteitage kann der WASG-Parteitag am Wochenende fast als braves Treffen von disziplinierten Sozialdemokraten durchgehen.