Sind Fahrverbote für alte Diesel jetzt verboten?
Grün-Schwarz hat die Möglichkeit eines Fahrverbots in Stuttgart vorerst auf Eis gelegt
Das Land Baden-Württemberg geht gegen das innerhalb der Landesregierung umstrittene Fahrverbotsurteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom Ende Juli vor. Die 13. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Juli 2017 der Klage der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH) gegen das Land Baden-Württemberg stattgegeben (Az.: 13 K 5412/15). Die DUH hat nach Aussage des VG Stuttgart einen Anspruch auf Fortschreibung des Luftreinhalteplanes Stuttgart um Maßnahmen, die zu einer schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte für NO2 in der Umweltzone Stuttgart führen (vgl. Verwaltungsgericht Stuttgart: Für Fahrverbot bestimmter Diesel-Fahrzeuge).
Das VG Stuttgart hatte geurteilt, dass die für die Landeshauptstadt vorgesehenen Maßnahmen nicht genügten, um die seit Jahren vor allem mit Stickoxiden und Feinstaub verschmutzte Luft nachhaltig zu verbessern. In der Folge des Urteils drohten Fahrverbote für alte Diesel-Autos, die als Hauptverursacher von Stickoxiden gelten. Fahrverbote für Diesel unter Euronorm 6 und Benziner unter der Euronorm 3 drohten schon zum 1. Januar 2018. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat das Gericht die Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim sowie die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig zugelassen.
Während die baden-württembergischen Grünen dafür plädierten, das Urteil anzunehmen, wollte die CDU-Fraktion Berufung einlegen. Man hat sich am 2. Oktober - kurz vor Fristablauf - dann auf den Weg der Sprungrevision vor dem BVerwG Leipzig geeinigt, nachdem der Koalitionsausschuss noch am Freitag dem 29. September im Streit auseinandergegangen war. Damit wird das Stuttgarter Urteil jetzt nicht rechtskräftig. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts dürfte schon im kommenden Jahr fallen. Das BVerwG wird das Urteil jetzt nur auf Rechtsfehler prüfen und es dann entweder komplett bestätigen oder verwerfen. Eine Berufung hätte auf jeden Fall länger gedauert.
Die CDU wollte eine Berufung gegen, um das Urteil auch inhaltlich überprüfen zu lassen. In der CDU-Fraktion hatte man die Hoffnung, dass im Rahmen der Berufung dann auch die nach dem Urteil des VG Stuttgart beschlossenen Maßnahmen berücksichtigt werden könnten. Dazu zählen die von den Herstellern angekündigten Software-Updates für Diesel-Autos. Es gibt jedoch durchaus Zweifel, dass die Software-Updates genügen, um die Luft in Stuttgart wesentlich sauberer zu machen. Auch das VG Stuttgart hatte festgestellt, dass dies nur mit Hilfe von Fahrverboten möglich sei.
Bei der Sprungrevision werden jetzt jedoch lediglich die rechtlichen Aspekte des Urteils einer erneuten Überprüfung unterzogen. Dazu zählt die Frage, ob das Land Baden-Württemberg Fahrverbote in Eigenregie umsetzen kann, wenn die Bundesregierung nicht handelt, obwohl sie dafür zuständig wäre. Das VG Stuttgart vertrat die Meinung, das Land könne solche blauen Umweltzonen selbst einrichten, in welchen ältere Diesel nicht fahren dürften. Ministerpräsident Kretschmann, den Automobilherstellern durchaus gewogen, gab zu bedenken, dass zu diesem Punkt in der Rechtsprechung groß Ungewissheit bestehe und man auch innerhalb der Landesregierung diese Vorgehensweise für juristisch fragwürdig halte.
Neue Verkehrsschilder für Fahrverbote aus Umweltschutzgründen?
Schon am 22. Februar könnte vom BVerwG Leipzig entschieden werden, ob Städte, so wie das VG Stuttgart entschieden hatte, mit eigens entwickelten Verkehrsschildern Fahrverbote aus Umweltschutzgründen erlassen können. Dann wird ein entsprechendes Urteil des VG Düsseldorf überprüft. Dort war man in seinem Urteil von September 2016 der DUH gefolgt und hatte Vorschläge für eine entsprechende Beschilderung gemacht. Auch wenn es keine Blaue Plakette gäbe, hätten Städte nicht nur die Möglichkeit, sondern sogar die Pflicht, den Gesundheitsschutz für die Bevölkerung durchzusetzen. Die gleiche Argumentationslinie vertrat auch das VG Stuttgart.
Welche Optionen bietet die Straßenverkehrsordnung?
Die Straßenverkehrsordnung (StVO) kennt ausschließlich das Umweltzonen-Zeichen mit den farbigen Plaketten für ein zonales Fahrverbot. Vom Bund wurden hierfür bislang nur drei Plaketten für Fahrverbote in der Umweltzone vorgesehen. Damit seien weitere Verbote jedoch nicht grundsätzlich verhindert. Da der Schutz der Gesundheit allem Anderen übergeordnet sei, wäre das Verbot einer Erweiterung eines Fahrverbots nach Ansicht der Richter am VG Stuttgart auch rechtswidrig.
Wenn die Bundesregierung in dieser Sache nicht tätig werde, müssten die Länder dies tun. Im Falle einer Bestätigung des Urteils des VG Düsseldorf durch das BVerwG Leipzig am 22. Februar könnte das unmittelbare Auswirkungen auf Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in der gesamten Republik haben. Diese drohen nämlich nicht nur in Stuttgart, sondern auch in München und Hamburg.