Sind die USA auf dem Weg zum Unrechtsstaat?
Seite 3: Dass Trumps Rückkehr befürchtet werden muss, ist eine Katastrophe
- Sind die USA auf dem Weg zum Unrechtsstaat?
- Der große Raubzug und der Aufstieg politischer Irrationalität
- Dass Trumps Rückkehr befürchtet werden muss, ist eine Katastrophe
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Trump war schließlich die perfekte Lösung für das Wahl-Dilemma der Republikaner. Er nutzte alle Möglichkeiten der erodierenden Demokratie aus: Medialer Entertainment- und Personality-Kult, Selfmade-Millionär-Image, Fake-News-Maschinerie über Social-Media- und rechte Kanäle, reaktionäre Kulturkampf-Strategie, Mexikaner-Hetze sowie Machotum als Kompensation für gedemütigte Männer.
Am Ende versuchte er, die Dysfunktionalitäten des US-Wahlsystems für sich zu nutzen ("Stop the Steal"). Der Supergau wurde um Haaresbreite verhindert, auch das zeigt der Untersuchungsausschuss zum 6. Januar.
Daher halten die Republikaner weiter Trump die Treue, trotz Staatscoup-Versuch und gewalttätigen Milizen-Gefolgen. Sie können sich nicht von ihm lösen. Trumpismus, mit oder ohne Trump, ist ihre einzige Hoffnung, ihre Macht zu sichern. Das ist eine ernst zu nehmende Gefahr, der die US-Demokratie akut ausgesetzt ist. Und sie wird anhalten und wachsen, wenn nichts unternommen wird.
Sie wird im Moment jedoch verschärft, da die Demokraten unter Präsident Joe Biden sich weiter als unfähig erweisen, den US-Bürger:innen eine progressive Alternative anzubieten. Das über zwei Billion Dollar umfassende Infrastrukturprojekt inklusive Energiewende – das zentrale Wahlversprechen der Demokraten und die große Hoffnung für eine substantielle Verbesserung der Lebensverhältnisse der US-Amerikaner:innen – wird im Kongress weiter blockiert.
Der demokratische Senator Joe Manchin aus dem kleinen Bundesstaat West Virginia, dessen Portemonaie vollgestopft ist mit Geldern fossiler Konzerne und Lobbys, senkt den Finger – ein ganzes Land mit über 300 Millionen Bewohner:innen inklusive demokratischer Mehrheit auf dem Kapitol und demokratischem Präsidenten im Weißen Haus schaut machtlos zu. In anderen Ländern würde man von Bananenrepublik sprechen.
Nun stehen im November die sogenannten Midterm-Wahlen an, bei denen rund die Hälfte der Sitze im Abgeordnetenhaus und im Senat neu besetzt werden. Bisher sieht es so aus, als ob die Demokraten ihre leichte Mehrheit verlieren werden. Das hätte wiederum Auswirkungen auf die in gut zwei Jahren anstehenden Wahlen um die Präsidentschaft.
Mit einer Mehrheit auf dem Kapitol können und werden die Republikaner alle Gesetze der Biden-Regierung verhindern. Das wird die Demokraten als "lahme Enten" politisch und medial schwächen und die Chancen für die Republikaner, wieder ins Weiße Haus zu ziehen, deutlich erhöhen. Trump steht schon in den Startlöchern.
Der Untersuchungsausschuss zum Sturm aufs Kapitol ist wichtig. Er schafft Öffentlichkeit für den gewaltsamen Angriff auf die US-Demokratie bei der Machtübergabe im letzten Jahr, angeführt von Trump, im Schlepptau die Republikaner. Das ist gut. Aber es könnte auch nach hinten losgehen.
Was ist, wenn die, die die Verschwörung geplant und befeuert haben, sich nicht vor Gericht verantworten müssen; wenn nur einige Gewalttätige als Sündenböcke ihre gerechte Strafe erhalten? Was ist, wenn der, der hinter dem Coup als Strippenzieher und Anstachler steht, mit seiner politischen Entourage wieder ins Weiße Haus einzieht und die Partei, die dem putschenden Ex-Präsidenten und Westentaschen-Diktator weiter die Treue hält, die nächsten Wahlen gewinnt?
Dann drohen die USA nicht nur außenpolitisch zu einem Unrechts- und Schurkenstaat zu werden, der Völker- und Menschenrecht nach Belieben brechen darf. Dann könnte im eigenen Land das dünne demokratische Eis vollends zerbrechen und Rechtlosigkeit und Machtwillkür die Gesellschaft verschlingen.