Slowakisches Atomkraftwerk ohne Schutz gegen Flugzeugabstürze

Blick auf die Kühltürme des Kernkraftwerks Mochovce (März 2011). Foto: Peko / CC-BY-SA-3.0

Zwar wird gerne vor islamistischen Terror gewarnt, doch in Mochovce sollen zwei Reaktoren ans Netz, deren Schutzvorrichtungen bestenfalls kleine Sportflugzeuge abfangen

Gerade wurde erneut davor gewarnt, dass die die österreichische Hauptstadt Wien ein attraktives Ziel für Terroristen sei. Umso erstaunlicher ist, dass nur 100 Kilometer entfernt von Wien in Mochovce an zwei Atomreaktoren gebastelt wird, die sich hervorragend für einen Anschlag nach Vorbild des 11. September 2001 auf die Twin Towers in New York eignen, denn das Kraftwerk liegt sogar unter einem viel beflogenen Luftkorridor.

Im Mai hatte Mochovce 3 eine Betriebsgenehmigung erhalten, wie Telepolis berichtet hatte, obwohl der Reaktor über kein Containment (Sicherheitsbehälter) verfügt. Der Reaktor, der noch in der inzwischen aufgelösten Tschechoslowakei 1978 geplant wurde, entspricht also nicht dem Stand der Technik und dürfte deshalb in der EU nicht ans Netz gehen.

Im Mai dieses Jahres hatte der atompolitische Sprecher der österreichischen Umweltorganisation Global 2000 einen Einspruch angekündigt. So konnte bisher die Inbetriebnahme verhindert werden. Der Global-2000-Sprecher Dr. Reinhard Uhrig hatte schon vermutet, dass in Bezug auf mögliche Flugzeugabstürze oder gezielte Angriffe mit Flugzeugen nachgerüstet werden würde. Das ist inzwischen an den beiden "neuen" Uralt-Meilern sowjetischer Bauart auch geschehen. Das Ergebnis lässt sich "sehen", wie Global 2000 nun mitgeteilt hat.

Schutz der Bevölkerung im Ernstfall nicht gewährleistet

Die Organisation, die immer wieder mit aussagekräftigem Material von Whistleblowern aus dem Atomkraftwerk versorgt wird, hat nun auf eine eher lächerlich anmutende Nachrüstung hingewiesen. Sogenannte "Flugzeug-Crashnetze" halten nach Berechnungen eines renommiertes Wiener Ingenieursbüros "höchstens" dem Absturz eines kleinen Sportflugzeugs stand. Der Organisation waren die Konstruktionspläne für die Crashnetze zugespielt worden. Nach den Berechnungen halten die nicht einmal einem kleineren Verkehrsflugzeug stand, geschweige denn einer größeren Frachtmaschine, erklärte Uhrig gegenüber Telepolis.

Der Aufprall eines üblichen Verkehrsflugzeugs würde die Auslegung der Netze um mehr als das Dreizehnfache übersteigen - im Fall eines gezielten Terrorangriffs nach Vorbild des 11. September 2001 sogar um den Faktor 52. Die Ingenieure kommen zum Schluss, dass nicht einmal eine kleine zweimotorige Düsenmaschine aufgehalten werden könnte. Uhrig ist der Ansicht, dass die Netze "ganz klar nur zur Beruhigung der besorgten Bevölkerung" dienen.

"Im Ernstfall eines Flugzeugabsturzes können sie weder die Sicherheit der veralteten Reaktoren, noch den Schutz der Bevölkerung gewährleisten." Es ist klar, dass ein Unfall oder ein Terrorangriff mit einem Flugzeug katastrophale Auswirkungen auch in Österreich und in Wien haben dürften.

Damit nicht genug: Beim Anbringen der Netze wurde offensichtlich gepfuscht. Stahlklammern, die zur Fixierung der Stahlnetze verwendet wurden, drücken aufgrund falscher Dimensionierung in die Seile der Netze und führen zu Beschädigungen. Auf Fotos ist zudem zu sehen, dass es schon jetzt Roststellen gibt, dass man es also auch mit "ungeeignetem" und "minderwertigen" Material zu tun hat.

Zusätzliche Barrieren einfach "vergessen"

Und geplante zusätzliche Barrieren zwischen den Reaktorblöcken wurden einfach "vergessen", das sei der slowakischen Atomaufsicht aber offensichtlich nicht aufgefallen, meint Uhrig. Die sollten gemäß den Konstruktionsplänen die unterirdisch verlaufenden Strom- und Steuerkabelkanäle vor herabfallenden Trümmern schützen. Sie verbinden die Reaktoren mit den Notstrom-Generatoren.

Seit der Reaktorkatastrophe 2011 im japanischen Fukushima ist bekannt, was passiert, wenn die Generatoren ihren Betrieb nicht aufnehmen können, also die Kühlung des Reaktors ausfällt: Dann kommt es zur Kernschmelze und zum Super-Gau. "Offenkundig ist die Baustelle mehrere Jahre nach dem Beginn der Enthüllungen durch kritische Ingenieure weiterhin völlig außer Kontrolle."

Global 2000 fordert Österreichs Bundesregierung deshalb auf, "entschlossen bei ihren slowakischen Kollegen gegen die Inbetriebnahme des verpfuschten Reaktors einzutreten - wie im Regierungsprogramm vorgesehen." Ohnehin hatte die Klimaschutzministerin Leonore Gewessler schon darauf verwiesen, dass der Atommeiler "bereits in der Vergangenheit aufgrund großer Baumängel immer wieder für Schlagzeilen gesorgt" habe.

Sogar die Kriminalpolizei ermittelte

So hatte zum Beispiel ein Video eines Whistleblowers gezeigt, dass die Notstrom-Generatoren sich in einem schlechten Zustand befanden. Der Versuch der Inbetriebnahme endete mit einer Explosion. Durch Beweisfotos dokumentiert wurden auch tausende unkontrollierte Bohrungen mit bis zu zehn Zentimeter Durchmesser und einem Meter Tiefe in den Wänden der hermetischen Kammern des Reaktors.

Sogar die Kriminalpolizei ermittelte schon wegen Verdachts auf Betrug und Korruption. Und die Atomaufsicht musste zwischenzeitlich zugeben, dass Sicherheitszertifikate von Bauteilen gefälscht waren und an Hochdruckleitungen minderwertiges Material verwendet wurde.

Die Liste der Skandale ist lang, aber in Brüssel drückt man bei der EU-Kommission trotzdem beide Augen angesichts der Vorgänge in der Slowakei zu. Dabei hatte die Kommission schon 2008 festgestellt, "dass die vom Investor vorgeschlagenen Reaktoren vom Typ WWER 440/V213 keine Volldruck-Containment-Struktur besitzen, wie sie bei der neuesten Auslegung von Kernkraftwerken, die in Europa geplant oder im Bau sind, verwendet wird."

Statt den Weiterbau zu untersagen, bekam der slowakische Energiekonzern SE (Slovenské Elektrárne) - Mehrheitseigentümer ist inzwischen der italienische Energiekonzern Enel - 2008 die Auflage, den Schutz auf den in Europa üblichen Mindeststandard anzuheben, der ohnehin niedrig ist. Empfohlen wurden "zusätzliche Maßnahmen", um einem "potenziellen deterministischen Aufprall von außen (z. B. einem böswilligen Aufprall eines kleinen Flugzeugs) standzuhalten".

Für den atompolitischen Sprecher von Global 2000 ist klar, dass die EU eine Absicherung fordert, die mindestens einem Verkehrsflugzeug standhält - nicht nur einer kleinen Sportmaschine. "Da diese Auflage nicht erfüllt ist, wird Global 2000 bei der EU-Kommission eine Beschwerde wegen Nichtumsetzung der Mindestanforderungen einlegen", kündigte Uhrig an.

Klar ist, dass - wie in Frankreich mit dem Schrott-Akw in Flamanville - auch in der Slowakei mit der Brechstange und erheblichen Risiken die "Renaissance" der Atomkraft eingeläutet werden soll, von der man vor allem im Atomstaat Frankreich im Zuge der Klimadebatte träumt. Dort erhofft man sich auch Rückenwind für die militärischen Ziele und spekuliert auf EU-Subventionen. Die haben sich in Mochovce zwar nicht wie in Flamanville auf nun 19,1 Milliarden versechsfacht, für Uralt-Meiler ohne Containment sind aber auch die bisherigen sieben Milliarden ein stolzer Preis.