So kommentiert der Deutsche, der Deutsche kommentiert so

Männer in Doha, Katar. Bild: Adam Jones, CC BY-SA 2.0

Themen des Tages: Wie die UNO zum Nahost-Dilemma beigetragen hat. Warum das Verhältnis zwischen Presse und Geheimdiensten nicht zu eng sein sollte. Und #Bademantelgate.

Liebe Leserinnen und Leser,

heute geht es um

1. eine folgenschwere Nahost-Entscheidung der UNO vor 75 Jahren.

2. den tiefen Glauben von Journalisten an Geheimdienste.

3. den großen Ärger über ZDF-Badelatsche Sandro Wagner.

Doch der Reihe nach.

Noam Chomsky zur Perspektive des Ukraine-Krieges

Eine weitgehend negative Prognose des Ukraine-Krieges, der im Größeren auch ein Krieg zwischen Russland und der Nato ist, zieht heute bei Telepolis der US-amerikanische Wissenschaftler und Globalisierungskritiker Noam Chomsky.

Vor dem Einmarsch Putins habe es Optionen zum Frieden gegeben, "die im Allgemeinen auf den Minsker Vereinbarungen beruhten und die das Verbrechen hätten verhindern können". Über die Frage, ob die Ukraine diese Vereinbarungen akzeptierte, werde noch debattiert. Zumindest verbal scheint Russland das bis kurz vor dem Einmarsch getan zu haben, so Chomsky:

Die USA verwarfen sie zugunsten der Integration der Ukraine in das militärische Kommando der Nato (d. h. der USA) und weigerten sich, wie in Washington zugegeben wird, die russischen Sicherheitsbedenken zu berücksichtigen. Diese Schritte wurden unter Biden noch beschleunigt. Hätte es der Diplomatie gelingen können, die Tragödie abzuwenden? Es hat nur eine Möglichkeit gegeben, das herauszufinden: indem man den Versuch unternommen hätte. Doch diese Möglichkeit wurde ignoriert.

Nachrichten, Nachrichtendienste und eine Rakete

Mit der Meldung der Nachrichtenagentur Associated Press über den Einschlag einer SS-300-Rakete in Ostpolen befasst sich heute noch einmal der Medienwissenschaftler und Telepolis-Autor Sebastian Köhler. Die AP hatte Mitte des Monats gemeldet, eine russische Rakete sei in Polen eingeschlagen – und hat damit fast einen internationalen Konflikt provoziert.

Köhler resümiert einen Hintergrundbericht der Washington Post zum Fall und hebt folgendes Detail hervor: Nach internen Debatten habe sich eine AP-Redakteurin für die Veröffentlichung der Meldung ausgesprochen. Sie habe hinzugefügt: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein US-Geheimdienstmitarbeiter in dieser Sache falsch liegen würde." Dazu Köhler:

Das lässt in der Tat tief blicken: Gerade Mitarbeitenden von Geheimdiensten zumindest nicht alles zu glauben, sollte für alle Bürgerinnen und Bürger auch in politisch-demokratisch verfassten Gesellschaften selbstverständlich sein.

Palästina: 75 Jahre nach der Teilungsresolution der UNO

Mit dem 75. Jahrestag der Teilung Palästinas befasst sich durch die UNO am 29. November 1947 befasst sich heute bei Telepolis der Völkerrechtler und ehemalige Bundestagsabgeordnete Norman Paech. Damals verabschiedete die UN-Generalversammlung die Teilungsresolution 181 (II) mit 33 gegen 13 Stimmen bei zehn Enthaltungen. Paech dazu:

Das Stimmenverhältnis zeigt, dass der Abstimmung kontroverse Diskussionen über die Teilung in der UNO vorausgegangen waren. So war das Subkomitee 2 des "UN Special Committee on Palestine", welches mit der Ausarbeitung einer Resolution beauftragt war, in einem ausführlichen Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vereinten Nationen "nicht die Macht haben, einen neuen Staat zu schaffen".

Das ZDF, Sandro Wagner und die Katar-WM: Ballaballa, Bademäntel!

Sport und Politik, die beiden werden in Deutschland keine Freunde mehr. Die beiden haben sich 1936 in Berlin auseinandergelebt und seither nie wieder zusammengefunden. Das zeigte sich am gestrigen Sonntag bei der ZDF-Übertragung des Spiels der WM-Männermannschaften aus Spanien und Deutschland in Minute 79. Da lief es für die Deutschen nicht so gut, was das ZDF-Sportstudio später beschwichtigend als "emotionale Phase" des Spiels beschrieb.

Co-Moderator Sandro Wagner wirkte da schon deutlich ernüchtert über "seine" Mannschaft und verarbeitete das in einem seither hitzig diskutierten Kommentar über die Gastgeber: "Vorhin habe ich gedacht, die ganze Kurve ist voller Deutschland-Fans. Dann habe ich erst gemerkt, das sind die katarischen Bademäntel." Höhö, *schenkelklopf*, *bierbestell*.

Wagner hat damit nicht nur eine neue Seite im Wälzer deutscher Polit-Fauxpas im Sport geschrieben. Er hat auch das latente Unvermögen dieser Nation bewiesen, mit Niederlagen jeder Art adäquat umzugehen. Und mit Siegen, wie der "Gaucho-Tanz" deutscher Nationalspieler im Sommer 2014 vor dem Brandenburger Tor gezeigt hat. Die Deutschen sind eben Allrounder, die können alles: schlecht verlieren, schlecht unentschieden spielen und schlecht gewinnen.

Wagner, die alte Badelatsche, befand sich im vermutlich weisungsgemäß reumütigen ZDF jedenfalls in guter Gesellschaft. Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein sah Miroslav Klose dort ja einst auf dessen "innerem Reichsparteitag". Und auch fernab der großen Kameras singt der Kapitän der deutschen Nationalelf schonmal Lieder kroatischer Faschisten und brüllt ein Hamburger Oberligafunktionär "Sieg Heil". Von Dynamo-Bannern mal ganz zu schweigen.

Das kann man Wagner nun alles nicht anlasten, es ist aber der Kontext, in dem er sich bewegt. Der Gaucho- und der Bademandel-Skandal zumindest belegen die Attitüde des landestypischen Fußballvertreters, dem das Gespür für ein faires Miteinander ebenso abzugehen scheint wie das Interesse am Gegenüber.

Wagner hätte sportlich und journalistisch so viele Chancen gehabt. Er hat sie alle verspielt. Er hätte sich über die katarischen Taxifahrer echauffieren können, dem die WM so egal ist, dass er seinen Kommentatorenkollegen Wolff Fuss so lange ziellos durch Doha fuhr, bis dieser zum deutschen Auftaktspiel zu spät kam. Er hätte über das schwache WLAN im Stadion witzeln können. Oder die weißen Gewänder der katarischen Fans bei auch einfach nur ihrem Namen nennen können: Thawbs.

Er aber entschied sich für einen so spontanen wie flachen Witz, der an Stammtischen nun als kleine Befreiung gefeiert und von woken Aktivisten verdammt wird. Er belegte aber schlicht auch, dass der ZDF-Moderator die Bezeichnung der Kleidung offenbar gar nicht kennt. Wagner moderierte in der Skandalminute mit dem gleichen Desinteresse am Gastland, mit der ein deutscher Pauschaltourist sein Bier von Beijing über Budapest wie selbstverständlich auf Deutsch bestellt.

Kann man schon machen, Sandro, kommt dann eben nur ein wenig flach rüber. Und beweist: Bei den Deutschen ist noch viel Luft nach oben. Auf dem Spielfeld. Und darüber hinaus.

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