So nehmen Regierungsstellen zunehmend Einfluss auf die Presse

Seite 2: Regierung und Medien: Mit Zuckerbrot und Peitsche

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) hat nach einem Bericht des Berliner Tagesspiegels der Vorgängerregierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vorgeworfen, die Berichterstattung von Medien auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie durch Hintergrundgespräche mit ausgewählten Journalisten teilweise beeinflusst zu haben.

Dem Tagesspiegel gegenüber sagte Kubicki, er "halte das damalige Vorgehen für rechtlich fragwürdig, zumal niemand nachvollziehen kann, welche Kriterien die Bundesregierung bei der Auswahl ihrer Gesprächspartner angelegt hat".

Der FDP-Politiker, der seit Beginn der Pandemie durch seine kritische Bewertung der Corona-Politik von sich reden gemacht hat, stützt sich auf ein Kurzgutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags.

Darin heißt es unter Bezug auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Mitte September 2019, die Weitergabe von Informationen durch die Regierung an Medien dürfe "nicht auf eine Reglementierung oder Steuerung der Medien oder eines Teils von ihnen hinauslaufen".

Nun ist es eine Interpretationssache, ob das im Falle von Hintergrundgesprächen durch den damaligen Regierungssprecher Steffen Seibert gegeben war. Im Tagesspiegel-Gespräch sieht Kubicki dies als gegeben an.

Eine staatliche Einflussnahme auf Medien hat nicht nur in der Pandemie, sondern auch im Kontext der internationalen Politik zugenommen – der Krieg Russlands gegen die Ukraine wirkte da wie ein Katalysator. So hatte das Internetmagazin Nachdenkseiten Ende September von einem interministeriellen Papier über Programme der Bundesregierung berichtet.

Unter dem Titel "Laufende Aktivitäten der Ressorts und Behörden gegen Desinformation im Zusammenhang mit RUS Krieg gegen UKR" würden auf zehn Seiten "minutiös die entsprechenden Aktivitäten der Bundesministerien und untergeordneten Behörden" gelistet. Diese staatlichen Maßnahmen ordnen auch Medienberichterstattung mitunter als Teil einer "hybriden Bedrohung" ein.

Diese Entwicklung ist für Demokratie und Medienfreiheit gefährlich, weil sie verdeckt abläuft und an Transparenz missen lässt. Drei Entwicklungen sind zu beobachten:

1. Regierungsstellen beeinflussen gezielt Medien durch Informationszugänge;

2. Regierungsstellen belohnen Medien durch Zugänge oder Gelder, etwa durch Anzeigenschaltung.

3. Regierungsstellen gehen gegen Medien vor.

Direkte Angriffe auf Medien – die man eigentlich nur in autoritär regierten Staaten von Moskau bis Budapest vermuten würde – laufen über eine zunehmende Anzahl von Vorfrontorganisationen. Von sich reden gemacht hat in diesem Zusammenhang vor allem das "Zentrum Liberale Moderne" der ehemaligen Grünen-Politiker Ralf Fücks und Marieluise Beck.

Diese Organisation hat zuletzt Millionenbeträge aus verschiedenen Bundestöpfen erhalten. Eines der wichtigsten Projekte mit dem Namen "Gegneranalyse" hat sich der aggressiven Kritik von Medien verschrieben. Alles von der Regierung finanziert!

Wie einseitig dieses Projekt "Gegneranalyse" im Fall der Corona-Pandemie auf den Diskurs und die Debatte über die Pandemiepolitik intervenierte, macht ein schneller Blick in das Archiv deutlich: "Corona-Protestbewegung: Die neue Querfront?", heißt es da, oder: "Corona-Proteste: Eine Gefahr für die Demokratie?"

Es geht dann darum, "wie Rechtsradikale auf die Corona-Krise reagieren", wie sich "in Berlin Verschwörungstheoretiker (versammeln)", um "gegen die 'Corona-Diktatur' aufzubegehren", wie Coronaskeptiker:innen gegen Pandemiemaßnahmen und für "Frieden, Freiheit, Demokratie" auf die Straße gehen" – oder man schreibt über "corona-leugnende und anti-genderistische Positionen". Eine Auseinandersetzung mit Fehlern der Corona-Politik, Kollateralschäden, Fragen der demokratischen Kontrolle oder gar Corona-Fakenews der Regierung? Fehlanzeige! Alles von der Regierung finanziert!

Es beunruhigt, dass solche Organisationen und Strukturen zunehmend entstehen und unter dem Deckmantel besorgter Medienkritik handeln oder ihre Mitarbeiter als Journalisten auftreten lassen. So nehmen sie Einfluss auf die politischen und medialen Diskurse, ohne dass stets klar ist, wer da spricht und in wessen Auftrag.

Es braucht deswegen Klarheit, worum es sich handelt: um Organisation, die im Interesse der Regierung handeln. Um Aktivisten, nicht um Journalisten. Und in keinem Fall um unabhängige Akteure.