So synthetisch wird unser Essen sein (müssen)
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Konventioneller Ackerbau und Tierzucht können die Ernährungssicherheit mitunter nicht mehr garantieren. Eine internationale Konferenz diskutierte und präsentierte nun Alternativen
Was essen Menschen in 20 Jahren? Wenn man sich aktuelle Berichte über die Food-Trends von morgen ansieht, dominieren oft Themen wie Insekten, neuartige Zubereitungsarten oder allerlei exotische, "Superfoods" getaufte Zutaten aus weiter Ferne. Einen Blick auf die Zukunft der etwas anderen Art vermittelte der Global Food Summit Ende April 2021. Unter dem Motto "Der Zukunft der Lebensmittel eine Stimme geben", gab es Redebeiträge innovativer Lebensmittel-Startups, die die Eingangsfrage deutlich revolutionärer beantworteten.
Anstatt einfach nur bereits bekanntes neu zu kombinieren, wird hier bereits daran gearbeitet, Fleisch ohne Tiere und Pflanzen ohne Fotosynthese herzustellen. Das mag auf den ersten Blick etwas verrückt klingen, allerdings ist der Hintergrund auch etwas ernster als der Versuch, mit neuen Kreationen im Instagram-Profil Berliner Food-Blogger zu landen. Auf die Situation stimmte Lim Chuan Poh von der Singapore Food Agency ein:
Singapur beherbergt 5,7 Millionen Menschen auf einer Fläche von 728 Quadratkilometern. Zum Vergleich: In Berlin leben 3,7 Millionen auf knapp 900 Quadratkilometern, Singapur ist also ungefähr doppelt so dicht besiedelt. Dementsprechend werden 90 Prozent der Lebensmittel aus dem Ausland importiert, was in Zeiten von Klimakrise und Pandemien keine allzu komfortable Situation ist.
Laut Lim Chuan Poh zufolge sind aufgrund der Covid-19-Pandemie und Afrikanischer Schweinepest die Schweinebestände weltweit um ein Viertel zurückgegangen. Die Klimakrise werde laut ihm Auswirkungen auf den Ernteertrag pro Hektar haben und Singapur erwärme sich doppelt so schnell wie der Rest der Welt.
All diese Faktoren haben einen schlechten Einfluss auf die Versorgungssicherheit, weshalb sich die dortige Politik ein ehrgeiziges Ziel gesetzt hat: Bis 2030 will der Inselstaat 30 Prozent der für seine Bevölkerung notwendigen Nährstoffe selbst herstellen, auf nur ein Prozent seiner Fläche. Man muss nicht lange rechnen, um zum Schluss zu kommen, dass konventioneller Ackerbau dieses Ziel nicht wird erfüllen können.
Dementsprechend investiert Singapur 60 Millionen US-Dollar in Firmen mit innovativen Ansätzen zur Lebensmittelproduktion und plant die Errichtung des Agri-Food Innovation Parks, wo Wirtschaft und Forschung eng vernetzt neue Lösungen erarbeiten sollen. Eine Vorahnung, in welche Richtung das gehen könnte, vermittelten die Speakerslots des Global Food Summits, die sich mit molekularer Nahrungsmittelerzeugung beschäftigen, insbesondere Solar Foods und Aleph Farms
Kultiviertes Fleisch
Kultiviertes Fleisch ist im Jahr 2021 zwar kein Geheimtipp mehr, dennoch bleibt das Thema weiterhin spannend. Herkömmliche Fleischproduktion besitzt mehrere Faktoren, durch die sie nicht ohne weiteres skaliert werden kann. Der Deutsche Bauernverband ist zwar angetreten, das Gegenteil zu beweisen, aber allein die Endlichkeit planetarer Ressourcen setzt uns hier in Bezug auf zu erwartende zehn Milliarden Erdenbewohner im Jahr 2050 Grenzen.
Aktuell verbrauche die Fleischproduktion laut Didier Toubia, CEO von Aleph Farms, bereits 46 Prozent der weltweit angebauten Ackerprodukte und treibt die Abholzung des Regenwaldes voran. Bereits 70 Prozent der global hergestellten Fleischmenge stamme aus industrieller Tierhaltung. Abgesehen von den Auswirkungen auf unsere Ressourcen und den Klimawandel sei dieses System auch unangenehm krisenanfällig. Tatsächlich: Das globale Warensystem ist auf einige wenige Handelswege angewiesen, wodurch die Pandemie und die siebentägige Blockade des Suezkanals die Frachtpreise bis in den Sommer stark ansteigen lässt und für bestimmte Routen verzehnfacht
Firmen wie Eat Just, Memphis Meats, Mosa Meat oder eben Aleph Farms möchten diesen Problemen alle auf dieselbe Weise Herr werden: Indem das Fleisch außerhalb von Tieren heranwächst. Aleph Farms hat sich für den Slogan "a second domestication" entschieden, der auf den ersten Blick etwas sehr selbstbewusst klingt, aber bei näherem Hinschauen nicht wirklich übertreibt.
Denn auch bei der ersten Domestizierung von Tieren vor 12.000 Jahren haben Menschen wild lebende Kreaturen unter kontrollierte Bedingungen gebracht und so ihre Versorgungssicherheit drastisch erhöht. Die Idee, aus einer Zelle ein Steak heranwachsen zu lassen, geht einfach nur einen Schritt weiter.
So ist das Ziel von Aleph Farms, mithilfe von pluripotenten Stammzellen und 3-D-Biodruck-Technologie jede Art von Steak zu kultivieren. Harte Daten zu den Produktionsverfahren sind in dieser Branche traditionell kaum zu bekommen, konkurrieren hier einfach zu viele Firmen um den Zugang zu einem potentiellen Multimilliarden-Dollar-Markt und sind bezogen auf Weitergabe ihrer Methoden entsprechend vorsichtig. Selbst in Sachbüchern zu dem Thema sind kaum konkrete Informationen zu finden, mit denen sich der Fortschritt der einzelnen Unternehmen seriös vergleichen ließe.
Aleph Farms hat nun aber im Februar 2021 das erste kultivierte Ribeye Steak vorgestellt und das Vorhaben geäußert, bis Anfang 2022 das erste kultivierte Beefsteak auf den Markt zu bringen. Zu den Kosten wurden keine Angaben gemacht, weshalb man vorsichtig bezweifeln darf, ob die Produktionskosten für echtes Fleisch bereits unterboten werden konnten.
Didier Toubia gibt sich auf Nachfrage hin zuversichtlich und verweist darauf, dass die Produktionskosten einer Dynamik wie bei Solarzellen oder LEDs unterliegen. Die Andeutung ist klar: Bei ausreichender Nachfrage und entsprechend hohen Stückzahlen sinken die Kosten noch mal und es könnte sehr spannend auf dem Lebensmittelmarkt werden.
Toubia erläutert: Für ein Stück kultiviertes Steak müssen wir keinen funktionierenden Teil eines tierischen Organismus nachbauen. Das Ziel sei ein guter Geschmack und eine optimale Nährstoffzusammensetzung, wofür im Labor nicht alle Körperzelltypen nachgebaut werden müssen, die in einem echten Steak steckten. Durch die Reduzierung auf die wenigen Typen, die wirklich benötigt werden, konnte der Aufwand nochmal reduziert werden. Das Ergebnis war im Februar in Form eines täuschend echten Ribeye Steaks zu sehen.
Aleph Farms Chefberater Shulamit Levenberg kommentierte: "Mit diesem Meilenstein haben wir die Hürden für die Einführung einer neuen Vielfalt für kultiviertes Fleischstück überwunden. Die zukünftigen Möglichkeiten des 3-D-Bioprinting sind endlos." Diese Möglichkeiten sind nicht an die Nutzung mehrerer Hektar Weidefläche pro Kuh gebunden, sie können deutlich engerem Raum erfolgen und benötigen primär Energie und Nährlösung.