So will China Europas Markt für Elektroautos aufmischen
Chinesische E-Auto-Hersteller wollen in Europa durchstarten. Mit smarten Strategien greifen sie Platzhirsche an. Droht etablierten Marken das Aus?
Nachdem europäische Automobilhersteller jahrzehntelang den chinesischen Markt dominiert haben, dreht sich nun der Spieß um: Chinesische Elektroautohersteller wie BYD, Chery und Great Wall Motor (GWM) wollen in den nächsten fünf Jahren rund 20 neue Modelle in Europa auf den Markt bringen und könnten damit traditionelle Hersteller erheblich unter Druck setzen. Das berichtet Reuters unter Berufung auf mehr als zehn Brancheninsider.
Wie chinesische Hersteller Kunden gewinnen wollen
Demnach haben die Chinesen den europäischen Markt genau studiert und bereiten sich strategisch auf die Expansion vor. Sie rekrutieren Branchenveteranen, wählen Händler mit lokalen Kenntnissen aus und investieren massiv in Vertrieb und Marketing. BYD und Chery planen sogar eine eigene Autoproduktion in Europa.
Um in Europa Fuß zu fassen, setzen die chinesischen Hersteller auf eine Vielzahl von Taktiken: Sie sponsern Großereignisse wie die Fußball-EM 2024, um ihre Markenbekanntheit zu steigern, bauen ihr Händlernetz aus und stärken Service und Werkstätten.
Letzteres ist wichtig, um den Wiederverkaufswert zu sichern – ein zentrales Kriterium für Flottenkäufer. Leasingfirmen verlangen etwa niedrigere Monatsraten für Autos, wenn diese einen hohen Wiederverkaufswert haben. Denn dann sind die Elektroautos am Ende der Leasingdauer mehr wert, wenn die Nutzer sie kaufen oder an die Leasinggesellschaft zurückgeben.
Bislang sind die Verkaufszahlen der Chinesen in Europa noch überschaubar, was darauf zurückgeführt wird, dass ihre Marken kaum bekannt sind. Doch das ändert sich rasant: BYD etwa konnte seinen Absatz im Jahr 2023 verdreifachen und bietet bereits sechs E-Modelle in 20 europäischen Ländern an. Great Wall will jedes Jahr ein neues Modell auf den Markt bringen, Chery plant bis 2025 acht SUV-Modelle unter zwei neuen Marken.
Chinesische Hersteller punkten mit Preis und Ausstattung
Chinesische Anbieter haben Kostenvorteile. Im Bereich der Elektromobilität sind sie technologisch führend, nutzen neue Technologien und innovative Prozesse. Nicht zuletzt dank staatlicher Förderung können sie aber auch wirtschaftliche Tiefs überstehen.
Der Erfolg hat aber auch zum Aufbau von Überkapazitäten geführt. Während der chinesische Binnenmarkt in einigen Jahren größere Mengen an Elektroautos aufnehmen dürfte, führen die Überkapazitäten derzeit zu Margenverfall und Exportdruck.
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Obwohl die Produktionskosten in China deutlich niedriger sind als in Europa, liegen die chinesischen Hersteller mit ihren Preisen in Europa nur knapp unter denen der traditionellen Autokonzerne. BYD kann in Europa zu einem etwa doppelt so hohen Preis verkaufen wie in China. Mit diesen Zusatzgewinnen stützen sie nicht nur ihr Geschäft, sondern können auch die von der EU-Kommission geplanten Zölle leichter verkraften.
Auf den wirtschaftlichen Skaleneffekten ruhen sich die Chinesen allerdings nicht aus. Um Kunden in Europa zu gewinnen, bieten sie ihre Fahrzeuge etwa mit hochwertigen Serienausstattungen wie Sitzheizung oder 360-Grad-Kameras an.
Um die europäischen Käufer zu überzeugen, achten die Chinesen auch auf Details: Sie verbessern die Sicherheitswerte, stärken Service und Werkstätten und erhöhen den Wiederverkaufswert. "Für Europäer ist nicht nur der Preis entscheidend, sondern die Gesamtbetriebskosten", erklärt Bo Yu vom Marktforschungsunternehmen JATO Dynamics gegenüber Reuters.
Die etablierten Hersteller haben erkannt, dass der Druck auf sie wächst. "Das Zeitfenster schließt sich. Wir haben zwei, drei Jahre Zeit", warnt VW-Vorstand Thomas Schmall laut Reuters. Höhere EU-Zölle auf chinesische Autos, wie in den USA beschlossen, helfen nach Ansicht von Branchenexperten nur bedingt. Die Europäer müssten selbst konkurrenzfähige E-Autos entwickeln – und zwar schnell.