Söder: "YouTuber sind häufig größere Stars als Filmschauspieler"

Markus Söder (Foto: Harald Bischoff, CC BY-SA 3.0) und "Rezo" (Foto: Rewinside, CC BY 3.0

Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident plant nach der "Rezo"-Debatte ein Festival mit einem "Influencer-Preis"

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Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder ist ein sehr machtbewusster Politiker. Das kann man nicht nur in CSU-Kreisen hören, sondern auch aus einer inzwischen über Jahrzehnte hinweg sichtbaren Bereitschaft ablesen, sich einem tatsächlichen oder vermeintlichen Zeitgeist anzupassen (vgl. Söder verspricht staatlichen Wohnungsbau und bayerische Grenzschutzpolizei).

Nun hat er in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung angekündigt, im nächsten Jahr in München das "erste große" Festival für YouTuber zu veranstalten. YouTuber seien nämlich "häufig größere Stars als Filmschauspieler" und ihre Online-Videos "eine Form der Kommunikation, die wir stärker beachten müssen".

Söders "noch im Anfangsstadium" befindliche Festivalidee beinhaltet unter anderem einen "Influencer-Preis", der für ein besseres Aufgestelltsein bei Digitalthemen sorgen soll. Damit bezieht er sich anscheinend auf eine nach der Europawahl losgetretene Debatte, inwieweit auch YouTuber für das schlechte Abschneiden der Union verantwortlich sind.

Annegret Kramp-Karrenbauer, die Vorsitzende der CSU-Schwesterpartei CDU, reagierte auf diese Debatte bislang vor allem mit Forderungen nach mehr "Regeln" für das Internet - bis hin zu einer Klarnamenpflicht, wie sie Söders Parteifreund Weber bereits im Europawahlkampf verlangte (vgl. Kramp-Karrenbauer, die Klarnamenpflicht und die Kanzlerfrage). Die Idee, dass diese Forderung Webers mit am schlechten Abschneiden der Union beteiligt gewesen sein könnte, scheint ihr ebenso fern zu liegen wie die einer Mitverantwortung der Uploadfilterpflicht, für die sich vor allem der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss stark gemacht hatte und die zu Hashtags wie "#NieMehrCDU" führte (vgl. Trilog-Einigung auf Uploadfilter).

"CDU-Zerstörer"

Womöglich war es für die Unionsführung kognitiv bequemer, den Grund für den Misserfolg nicht in so etwas Abstraktem zu suchen, sondern ihm ein Gesicht zu geben. Das Gesicht eines YouTubers, den auch Leitmedien zu einem "großen" Medienereignis machten (vgl. "CDU-Zerstörer" Rezo: Es kamen "Diskreditierung, Lügen, Trump-Wordings und keine inhaltliche Auseinandersetzung"). Seitdem bemühen sich Unionspolitiker um diesen 26-jährigen Pastorensohn, der von der Firma Ströer vermarktet wird.

Söder will die Herausforderung nun offenbar nicht mehr mit einer Einzelansprache angehen, wie etwa Philipp Amthor, sondern mit Ködern für alle. Vorbild könnte ihm dabei die als Blogger-Konferenz gestartete re:publica sein, auf der dieses Jahr vier SPD-Politiker sprachen. Bei der kurz darauf folgenden Europawahl scheint das der SPD wenig genützt zu haben, wenn man sich die Ergebnisse ansieht. Womöglich nicht zuletzt deshalb, weil die re:publica inzwischen nicht mehr annähernd die Vielfalt der deutschen Bloglandschaft abbildet, sondern nur noch das, was die Tabus der Förderer nicht verletzt.

Markt für politische Aufmerksamkeit

Vielleicht wird auch das YouTuber-Festival Söder und der Union wenig nützen. Angesichts der Tatsache, dass (mehr oder weniger einflussreiche) "Influencer" Firmen häufig mehr als bereitwillig ihre Dienste anbieten, scheint der Gedanke einer politischen Nutzung von Googles Videoplattform zwar verlockend - aber es ist offen, ob der Markt für politische Aufmerksamkeit ähnlich simpel funktioniert wie der für Kosmetik, Kleidung oder Reisen (vgl. Social-Media-Korruptionswirtschaft). Auch der politische Einfluss von Prominenten wird möglicherweise überbewertet (vgl. Steve Wozniak vs. Kanye West vs. Hulk Hogan).

Zudem gibt es Anzeichen dafür, dass ein nicht unbedeutender Teil des Marktes für politische Aufmerksamkeit auf Demonetarisierung, SuperChat-Sperren und Zensur (die unlängst unter anderem Hamed Abdel-Samad traf) reagiert, indem er sich trotz der netzwerkökonomischen Vorteile der größten Plattform andere Unterstände sucht. Zum Beispiel den Videodienst BitChute (für den es seit kurzem einem Komplett-Umzugsservice von YouTube gibt), den russischen Dienst Telegram (der inzwischen viel mehr als nur eine privatsphärewahrendere WhatsApp-Alternative ist), oder die neue Plattform ThinkSpot. YouTube selbst reagiert darauf bislang so, als ob es dem Unternehmen gar nicht unrecht wäre, wenn dieser Markt abwandert: Mit Musik- und anderen Influencern hat man wahrscheinlich weniger potenziell profitschmälernden Ärger.

Ob Söder die Pläne schon mit seinem Koalitionspartner, den Freien Wählern, abgesprochen hat, war gestern nicht in Erfahrung zu bringen. Sie könnten eventuell nicht ganz so begeistert davon sein, dass das Festival im teuren und überfüllten München stattfinden soll, wo sich sogar Exilberliner über den öffentlichen Nahverkehr beklagen (vgl. Land statt Stadt). Es gibt nämlich auch in Bayern strukturschwache Gebiete, die sich über etwas öffentlich finanzierten Trubel vielleicht mehr freuen als ein Münchner U-Bahn-Fahrgast. Das oberfränkische Hof zählt dazu und könnte als Grundlage bereits ein überregional bekanntes Filmfestival vorweisen (vgl. Ikea, Reeperbahn und Schakale) - so wie München das Filmfest, zu dessen Anlass Söder sein YouTube-Interview gab.

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