Soldaten knapp: Ukrainer sollen mit fairen Angeboten zum Krieg eingeladen werden
Seite 4: US-Presse mit differenzierterem Blick
Auf die Nachfrage zum Umgang mit männlichen Geflüchteten aus der Ukraine ergänzte Bauer, nicht jeder Beitrag zur Landesverteidigung müsse bewaffnet erfolgen:
Daher ist es auch unter den Bedingungen einer allgemeinen Dienstverpflichtung im Kriegsfall gefordert, den Betreffenden aus Gewissensgründen zu ermöglichen, einen nichtbewaffneten Beitrag zu leisten. Wird diesem Erfordernis nicht Raum gegeben, dann erhält die aktive Verweigerung dieses Kriegsdienstes Aspekte, die Schutz und Asyl rechtfertigen.
Michael Bauer, Vorstand der Humanistischen Vereinigung
Der ungleiche migrationspolitische Umgang mit Männern aus Russland und der Ukraine zeigt gleichsam den politischen Tunnelblick wie auch die gewollte politische Einflussnahme. Beachtlich dabei: In der US-Presse werden die Widersprüche mitunter differenzierter abgebildet.
Die US-Tageszeitung New York Times etwa porträtierte in einem Podcast Anfang 2002 neben einem IT-Fachmann aus Charkiw und einem Freiwilligen der Verteidigungstruppen auch den Kriegsdienstverweigerer Tyhran, einen Animateur, der erfolglos versuchte, sich mit der Flucht nach Polen der Zwangsrekrutierung zu entziehen.
Dramatische Szenen an ukrainischer Westgrenze
"An den Grenzübergängen zwischen der Ukraine und seinen westlichen Nachbarländern spielen sich aktuell dramatische Szenen ab: Väter und Söhne dürfen ihre Mütter und Schwestern nicht auf der Flucht begleiten und werden von ukrainischen Regierungstruppen zurückgehalten", bestätigt auch Schulze von Glaßer:
Familien werden zerrissen. Unbestätigten Meldungen zufolge sollen sogar schon Ukrainer, die trotz des Ausreiseverbotes versuchten das Land zu verlassen, an der Grenze von ukrainischen Landsleuten erschossen worden sein. Auch von Erschießungen russischer Deserteure durch die eigenen Leute gibt es bereits zahlreiche unbestätigte Meldungen.
Schulze von Glaßer, Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK)
Dass von einigen Politikern der Bundesregierung und der EU geplant wurde, russischen Soldatinnen und Soldaten, die sich dem Krieg verweigern, Aufnahme und Schutz zu gewähren, begrüßte die traditionsreiche Friedensorganisation. "Dies muss aber auch für die ukrainische Seite gelten", so Schulze von Glaßer.
Lage von Verweigerern in Russland und Ukraine unterschiedlich
Für die Humanistischen Vereinigung weist Bauer allerdings auch auf die unterschiedliche Lage von Kriegsdienstverweigerern aus Russland und der Ukraine hin:
Im ersten Fall verweigern es die Betroffenen, sich an einem aggressiven Angriffskrieg zu beteiligen. Dieser ist eindeutig völkerrechtswidrig, und es steht bereits der begründete Verdacht auf mehrfache Kriegsverbrechen im Raum. Hier ist die moralische Beurteilung einer Kriegsdienstverweigerung klar, allein schon deshalb, weil es aus ethischer Sicht keine guten Gründe für die Mitwirkung an diesem Kriegseinsatz gibt.
Im zweiten Fall geht es um die Verweigerung der Verteidigung des eigenen Landes, das von einem äußeren Aggressor bedroht wird, mit der Waffe. Hier bedarf es einer differenzierten Abwägung.
Aus ethischer Sicht ist es durchaus möglich gute Gründe zu finden, die eine bewaffnete Verteidigung des eigenen Landes rechtfertigen. Dies gilt auch für den Imperativ, an der Verteidigung gegen einen Aggressor grundsätzlich mitzuwirken zu müssen. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass es einen ethisch begründeten Zwang für jedermann gibt, dies mit der Waffe in der Hand zu tun.
Michael Bauer, Vorstand der Humanistischen Vereinigung
Der Vizevorsitzende der FDP, Johannes Vogel, mochte sich mit diesen Widersprüchen und Hausforderungen der Debatte zunächst nicht weiter befassen.
Eine Anfrage von Telepolis, ob er eine bevorzugte Behandlung auch für Kriegsdienstverweigerer oder Deserteure aus der Ukraine zwischen 18 und 60 Jahren anstrebe, ließ Vogels Büro unbeantwortet.
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