Sollte Bernd Ziesemer noch Journalisten ausbilden dürfen?

Bernd Ziesemer. Bild: INSM, CC BY-ND 2.0

Themen des Tages: Wenn ein Journalistenpensionist Feuilleton liest. Warum die US-Demokraten eine bekannte Politikerin verlieren. Und weshalb die Energiekrise Deutschland besonders hart treffen könnte.

Liebe Leserinnen und Leser,

1. Bernd Ziesemer, Ex-Chefredakteur einer Wirtschaftszeitung, stellt Forderungen zur Kulturberichterstattung der Süddeutschen.

2. Die US-Politikerin Tulsi Gabbard ist werbewirksam aus der Demokratischen Partei ausgetreten.

3. Und die "Ampel" bekommt die Energiekrise nicht in den Griff.

Doch der Reihe nach.

Warum sich der Vorstand der Kölner Journalistenschule schämen sollte

Die Kulturwissenschaftlerin und Bestsellerautorin Nathalie Weidenfeld hat im Kulturteil der Süddeutschen Zeitung einen Essay zur Debatte in Intellektuellenkreisen über den Ukraine-Krieg geschrieben. Weidenfeld, in Frankreich geboren, steigt in ihren Text szenisch ein und schildert die Bewunderung eines "langjährigen französischen Bekannten, ausgewiesenem Linken und erfolgreichem Filmproduzenten" über zwei ukrainische Frauen, die im französischen Exil Munition und Schusswaffen für ihre Männer an der Front besorgt hätten.

Weidenfeld befremdet diese "Pariser Caféhaus-Bewunderung für den Einsatz zweier Frauen für den Krieg", die sie auch unter deutschen Intellektuellen zu beobachten meint. Zumal ausgerechnet ältere Militärs, Politiker und Sicherheitsexperten, die, inzwischen schon außer Dienst, den Zweiten Weltkrieg und den Kalten Krieg noch erlebt hätten, mahnend aufträten. Beispiele seien Klaus von Dohnanyi oder Henry Kissinger.

Mit dieser Beobachtung steht Weidenfeld nicht allein. Auch der ehemalige Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte jüngst konstatiert: "Frühere Wehrdienstverweigerer fordern Panzer für die Ukraine, und unsere Generäle mahnen zur Vorsicht."

Beides kann man ignorieren oder diskutieren.

Bernd Ziesemer will zensieren.

"Liebe @SZ-Kollegen", schrieb der ehemalige Redaktionsleiter einer Wirtschaftszeitung auf Twitter, "als Journalist mit 40 Jahren im Beruf, ehemaliger Chefredakteur und langjähriger Journalistenlehrer sage ich nach dem Stück von Nathalie Weidenfeld: Schämt Euch!" Dies betreffe, so präzisierte er, die journalistischen Kollegen, "die so etwas veröffentlichen", denn: "Der Beitrag widerspricht jedem journalistischen Ethos." Es ist also keine Meinung, sondern eine Forderung Bernd Ziesemers.

Nun ist das Netz voll alter, weißer Männer, die, wenn sie nicht gerade twittern, bei neoliberalen Lobbyorganisationen – mutmaßlich bezahlt – moderieren oder anderen Unfug treiben, bekanntlich gerne ihre Meinung kundtuend darüber urteilen, was Frauen sagen oder schreiben dürfen.

Brisant aber wird die Sache vor allem durch den Umstand, dass Bernd Ziesemer dem Vorstand der Kölner Journalistenschule (KJS) angehört, die für sich den Anspruch erhebt, glaubwürdigen Qualitätsjournalismus auf der Grundlage einer exzellenten Ausbildung zu ermöglichen.

Nun kann man hoffen, dass Bernd Ziesemer mehr twittert, als bei der KJS künftige Medienschaffende ausbildet. Dennoch steht nach dem Tweet und seiner Verteidigung die Frage im Raum, welche Wirkung diese Intervention auf Schülerinnen und Schüler dieser Schule entfaltet. Und ob Bernd Ziesemer dem Vorstand einer solchen Institution noch angehören sollte.

Für Befremden jedenfalls sorgte der inquisitorische Aufruf, der Weidenfeld en passant in die Nähe der AfD rückte, bei einigen Branchenvertretern.

Nach 40 Jahren im Beruf, als Chefredakteur und Journalistenlehrer sollte man es aushalten können, dass eine Schriftstellerin Gedanken hat, die man selber nicht teilt. Meine Güte.

Georg Streiter, Vize-Regierungssprecher (2011-2018)

Ganz ehrlich: auch wenn ich mich der Position von Frau Weidenfeld wirklich nicht anschließen kann, bin ich dafür, dass die @SZ auch für Gastbeiträge offen bleibt, die mich nicht bestätigen. – Genau das soll meinungsbildende überregionale Presse leisten. Dazu ist sie da.

Lars Rademacher, Vorstand Deutscher Rat für Public Relations

Ich teile die Meinung der Dame nicht, aber irgendwas zum Schämen habe ich jetzt nicht in dem Artikel entdeckt.

Wolfgang Müller, Musiker

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