Soziologie als "Kampfsport"

Seite 2: Mills saß zwischen allen Stühlen

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Was ist unter "abstraktem Empirismus" zu verstehen? Und: Was stört Mills daran?

Stephan Lessenich: Parallel zum akademischen Erfolg von Parsons und seiner Theorie vollzog sich in der amerikanischen Soziologie der Nachkriegszeit der Aufstieg der empirischen Sozialforschung, also der auf statistische Methoden gestützten, quantifizierenden Untersuchung sozialer Sachverhalte. Hier spielten insbesondere die Wahlforschung und die Einstellungsforschung eine große Rolle - das, was heute "Meinungsforschungsinstitute" privatwirtschaftlich betreiben und was gesellschaftlich wie politisch ein hohes Maß an Aufmerksamkeit erfährt. Mills sah in dieser Art soziologischen Arbeitens eine ganze Reihe von Gefahren.

Nämlich?

Stephan Lessenich: Zum einen die, dass sich die Forschenden in kleinteiligen, aktualistischen Fragestellungen verlieren - "Was würden Sie wählen, wenn am Sonntag Bundestagswahlen wären?" - und ihnen größere gesellschaftliche und historische Zusammenhänge aus dem Blick geraten. Dann, dass sie zu reinen "Datentechnikern" werden, die sich mehr für das Raffinement ihrer Methoden interessieren und faszinieren als für die sozialen Sachverhalte, die mit deren Hilfe erforscht werden sollen - dass ihnen also ihre Mittel zum Zweck geraten. Schließlich auch, dass sie zu bloßen Informationslieferanten für Politik und Verwaltung degradiert werden - oder dass sie ihre Wissenschaft zum Geschäft machen und Datenanalysen für privatwirtschaftliche Auftraggeber zu ihrer Hauptbeschäftigung wird.

Der US-amerikanische Soziologe Michael Burawoy hat vor einigen Jahren die Unterscheidung von "professional sociology" und "policy sociology" getroffen - dass die Soziologie zur Politikberatungswissenschaft werde, war die Befürchtung von Mills. Oder besser gesagt das, was er zu seiner Zeit im Gange sah.

Mit dieser Sichtweise dürfte Mills in seiner Disziplin ziemlich angeeckt sein, oder?

Stephan Lessenich: Allerdings. Auf eine Weise saß Mills zwischen allen Stühlen - oder setze sich genussvoll genau dorthin: Er kritisierte die reinen Theoretiker nicht minder scharf als die bloßen Empiriker seiner Profession, die "Meisterdenker" ebenso wie die "Erbsenzähler" - und macht sich damit die einen wie die anderen zu Feinden. Oder jedenfalls nicht zu seinen Freunden. Dazwischen oder daneben blieb dann nicht mehr viel bzw. blieben nicht mehr viele. Man mag auch sagen, dass diese Kritik arrogant war. Sicher war sie in Teilen überzogen oder wenigstens zugespitzt. Aber sie traf doch auch einen richtigen Punkt: Dass Theorie häufig ohne empirische Bodenhaftung betrieben wurde und Empirie ebenso häufig ohne theoretischen Anspruch, war genau das Problem, das Mills aufs Korn nahm. Gute Soziologie verbindet beides, setzt beides zueinander in Beziehung.

Nun war Mills durch und durch ein politischer Soziologe. Mills, das wird in vielen seinen Werken deutlich, verschloss die Augen vor den Problemen, vor denen seine Gesellschaft, aber auch die einzelnen Menschen in ihr stehen, nicht. Im Gegenteil: Er war ein Soziologe, den man mit Pierre Bourdieu vergleichen könnte, also einer, der mit den Waffen der Wissenschaft "intervenierte", indem er in seiner Arbeit Missstände klar benannte und dabei sich auch nicht scheute, quasi unhinterfragbare Glaubenssätze kritisch zu beleuchten. Was sollte aus ihrer Sicht eine kritische Soziologie leisten? Fehlt es an Wissenschaftlern wie Mills?

Stephan Lessenich: Gute Wissenschaftler - und Wissenschaftlerinnen - kann es nie genug geben. Und solche, die einen kritischen Blick auf die gesellschaftlichen Verhältnisse ihrer Zeit richten, auch nicht. Sicher ist es immer auch problematisch, einzelne Personen zu überhöhen - oder kulturkritisch zu behaupten, "früher" sei alles besser gewesen, u.a. eben die Wissenschaft kritischer oder die kritischen Geister größer.

Davon abgesehen aber zeichnete sich Mills tatsächlich durch etwas aus, das man soziale Empathie nennen könnte: Wenn er "soziologische Phantasie" als die Deutung individueller Probleme im Lichte gesellschaftlicher Phänomene verstand, dann sprach er sich dafür aus, die Leute - die berühmten "ganz normalen Menschen draußen auf der Straße" - wissenschaftlich nicht allein zu lassen, sondern Wissenschaft, vielleicht etwas unangemessen pathetisch gesagt, "für die Menschen" zu machen. Das bedeutet aber nichts anderes, als den Gebrauchswert von Soziologie herauszustellen. Sie kann das gesellschaftliche - individuelle wie kollektive - Bewusstsein dafür schärfen, dass das, was wir alltäglich erleben, was uns widerfährt, sei es nun die Suche nach einem Ausbildungsplatz oder der Übergang in die Rente, die Geburt eines Kindes oder die Scheidung einer Ehe, nicht nur etwas bloß "Individuelles" ist, sondern immer auch Teil des gesellschaftlichen Geschehens: durch dieses beeinflusst und auf dieses Einfluss nehmend, wie gering und unerkannt dieser Einfluss zunächst auch sein mag.

Insofern war Mills' Soziologie einfach nah dran am gesellschaftlichen Geschehen - ohne aber die analytische Distanz aufzugeben und einfach nur den Deutungen der Leute eine Stimme zu geben. Das macht meiner Einschätzung nach kritische Soziologie aus: gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse offenzulegen und Spielräume für kleine Freiheiten innerhalb derselben aufzuzeigen. Insofern ist der Vergleich mit Bourdieu durchaus passend: Beide verstanden sich als intervenierende Wissenschaftler, und beide praktizierten Soziologie als - wie Bourdieu sich ausdrückte - "Kampfsport".

Mills spricht in "Soziologische Phantasie" sinngemäß von "Hebeln" in Gesellschaften, mit denen man Strukturen verändern oder aber beibehalten könne. Er spricht von Akteuren, deren gesellschaftliche Position es ihnen erlaube, zu "intervenieren", also den "Hebel" zu ergreifen, oder aber es eben sein zu lassen. Hier wird deutlich, dass Mills sich nicht davor scheut, sozusagen "runter" zur Ebene der Subjekte zu gehen. Ist es nicht bemerkenswert, wie es Mills gelang einerseits den Blick auf die Strukturen und die komplexen Mechanismen einer Gesellschaft zu richten, andererseits aber auch nie die konkret handelnden Akteure aus den Augen verloren hat. Oder sehen Sie das anders?

Stephan Lessenich: Nein, ich sehe das genauso. Und dass es bemerkenswert erscheint, liegt wohl tatsächlich daran, dass eben dies in der Soziologie nicht unbedingt die Regel war und ist. Zwar ist die Vermittlung von Struktur und Handeln in gesellschaftlichen Zusammenhängen gewissermaßen der eigentliche Gegenstand der Soziologie, aber dass beides wirklich zusammengedacht und zusammen erforscht würde ist halt doch eher selten der Fall.

Mills hat immer deutlich gemacht, dass es in Gesellschaften um Macht geht - und das Macht ungleich verteilt ist bzw. die einen mit ihren Entscheidungen oder den von ihm und Ihnen benannten "Hebeln" Dinge in Bewegung setzen oder zum Halten bringen können, mit deren Bewegung oder Halt sich andere auseinandersetzen und "irgendwie" einen Umgang finden müssen. Mills war ganz auf der Linie von Marx, wenn dieser sagte, dass die Menschen ihre eigene Geschichte machen, aber unter vorgefundenen und von ihnen nicht frei zu bestimmenden Bedingungen. Und Mills wies darauf hin, dass wie schon zu Marx' Zeiten manche Menschen freier sind, die Bedingungen ihres Handelns zu bestimmen, als andere. Darauf hinzuweisen und die Umstände zu benennen, unter denen es zu dieser ungleichen Freiheit kommen kann und unter denen sie aufrechterhalten werden kann, ist eine Aufgabe der - kritischen - Soziologie.

Kann es sein, dass die Soziologie sich vielleicht auch deshalb so schwer mit diesem Spagat zwischen der notwendigen theoretischen Abstraktion einerseits und einer klaren Herausarbeitung von Problemen und politischen Fehlentscheidungen, also: Ross und Reiter zu nennen, tut, weil sie selbst nicht frei von "Herrschaftseinflüssen" ist?

Um einmal Mills zu zitieren. Er schreibt, "dass ein Großteil der neueren politischen Wissenschaft zwar nicht zum Verständnis wichtiger politischer Realitäten beiträgt, aber viel zur wissenschaftlichen Schönrednerei der Politik und ihrer Fehler". Und Mills weiter dazu: "Ich möchte ... den Leser daran erinnern, dass die Sozialwissenschaft ihrer Relevanz für bürokratische Routinen und ideologische Zwecke nicht ausweichen kann, dass die Vielfalt und Konfusion der heutigen Sozialwissenschaften auch etwas mit diesem Sachverhalt zu tun hat und dass man die politischen Konnotationen der Sozialwissenschaften besser aufdecken als sie weiterhin verschleiern sollte." Solche Aussagen muss man erst einmal sacken lassen, oder?

Stephan Lessenich: In der Tat. Soziologie hat ja grundsätzlich ein Nähe-Distanz-Problem, weil sie ja ein Teil dessen ist, was sie in den Blick nimmt, erforscht und kritisch befragen will: die Gesellschaft. Diese enge und letztlich nicht ganz auflösbare Verflechtung der Soziologie mit ihrem Gegenstand muss durch eine besondere Reflexivität der Soziologie gegenüber ihrer eigenen Forschungspraxis konterkariert werden.

Was die Soziologie aber ja auch durchaus tut.

Stephan Lessenich: Ja, das muss man an dieser Stelle auch einmal sagen: Kaum eine Wissenschaft hat diese Selbstreflexion - manchmal bis zur Selbstzerfleischung oder zur unproduktiven Nabelschau - so breit und intensiv betrieben wie die Soziologie.

Ich würde behaupten, dass etwa die Politikwissenschaft oder auch die Geschichtswissenschaft der Gefahr der Politik- bzw. Staatsnähe, wie Mills sie beschrieben hat, noch sehr viel unmittelbarer ausgesetzt sind als die Soziologie. Und ehrlich gesagt sieht man das auch immer wieder - viele politikwissenschaftliche Analysen sind bloße Dopplungen der Selbstbeschreibungen der Politik (man beobachte nur mal die "Wahlanalysen" der TV-Politologen), und zu Historikerkongressen kommt regelmäßig die politische Elite zwecks Grußworten angereist - bei Soziologiekongressen überlegen sich die Oberbürgermeister der ausrichtenden Universitätsstadt, ob nicht doch der Termin beim Taubenzüchterverein wichtiger sein könnte. Und trotzdem: Die "Herrschaftseinflüsse" - und seien es nur die in stillschweigender Vorwegnahme selbstgetätigten - sind auch in der Soziologie allgegenwärtig und nicht zu verleugnen.

Mills findet in seiner "Soziologischen Phantasie" auch ein paar sehr klare Worte über die jungen Wissenschaftler seiner Zeit. Damit der Leser eine Vorstellung hat, wie deutlich Mills seine Kritik vortrug, zitiere ich an dieser Stelle einen längeren Abschnitt:

"Selten habe ich bei einem dieser jungen Leute, wenn sie erst einmal richtig dazugehören, Anzeichen von echtem intellektuellen Zweifel entdeckt. Und niemals habe ich bei ihnen ein leidenschaftliches Interesse an einem wichtigen Problem gesehen, jene Art von Neugier, die den Geist zwingt in alle Richtungen zu wandern, alle Mittel zu nutzen und, wenn nötig, ganz neu anzusetzen, bloß um etwas herauszubekommen. Die jungen Leute sind weniger unruhig als methodisch, weniger phantasievoll als geduldig; sie sind aber vor allem in jedem historischen und theologischen Sinn des Wortes dogmatisch... ich bin überzeugt, dass diese Eigenschaften bei den Forschungstechnikern des abstrakten Empirismus besonders ausgeprägt sind...

Aber wenn ein junger Mensch erst einmal drei oder vier Jahre mit diesen Dingen verbracht hat, kann man mit ihm wirklich nicht über die Probleme bei der Erforschung moderner Gesellschaften reden. Seine Position und seine Karriere, sein Ehrgeiz und schon sein Selbstwertgefühl beruhen weitgehend auf dieser einen Perspektive, diesem einen Vokabular, diesem einen Set von Techniken. Er kennt buchstäblich nichts anderes. Bei einigen dieser Nachwuchskräfte ist die Intelligenz von der Persönlichkeit abgespalten und wird von ihnen als eine Art wohltrainiertes Zubehör angesehen, das sich hoffentlich gut verkaufen lässt. In einer humanistischen Perspektive gehören diese Leute zu jenen geistig Verarmten, aus deren Wertekanon alles ausgeschlossen ist, was sich aus dem Respekt für menschliche Vernunft ergibt. Sie sind Teil jener dynamischen und ehrgeizigen Technikerzunft, der ein zerrüttetes Bildungswesen und korrumpierende Karrierechancen den Weg zur soziologischen Phantasie versperren. Man kann bloß darauf hoffen, dass viele von denen, die es zu einer außerplanmäßigen Professur bringen, dank irgendeiner geistigen Mutation zu der Einsicht gelangen, dass sie nun nicht mehr von Kaisern ohne Kleider abhängen." Würden Sie diesen Abschnitt bitte einmal kommentieren?

Stephan Lessenich: Nun, ich würde dazu zweierlei sagen. Zum einen: Man spürt hier geradezu Mills' Zorn über den akademischen Betrieb seiner Zeit - und darin ist er sicher auch ungerecht, verallgemeinernd und verletzend. Ich halte generell wenig davon, die jeweils nachfolgenden Generationen als wahlweise unpolitisch, unkritisch oder un-was-auch-immer zu schelten - manchmal hat das mit mangelndem Einblick in die tatsächlichen sozialen Praktiken innerhalb dieser Generationen zu tun, in jedem Fall atmet es aber immer auch den Geist der Selbstgerechtigkeit.

Zum anderen aber steckt auch hier, gerade wenn man die gegenwärtigen akademischen Verhältnisse beobachtet, sicher viel Richtiges drin. Nehmen wir nur die Figur der "korrumpierenden Karrierechancen": Jeder, der oder die sich im universitären Betrieb der Gegenwart auskennt, wird damit etwas anfangen können - auch in der Soziologie. Die institutionalisierten akademischen Karrierewege und die mittlerweile allgemein oder jedenfalls weit akzeptierten "Exzellenz"-Indikatoren - von den Veröffentlichungen in bestimmten Journalen bis zum Forschungsaufenthalt an den richtigen Einrichtungen - führen zu einer Standardisierung und Normalisierung, zu einem Mainstreaming des Wissens und der Wissenspräsentation, die schon bemerkenswert sind - und in deren Rahmen eine Soziologie und soziologische Intervention, wie sie Mills vorschwebten, eigentlich keinen Platz haben. Der muss heute daher immer auch gegen die Konventionen und Konkurrenzen des akademischen Betriebs erkämpft werden. Kein leichtes Unterfangen.

Nun einmal von den angehenden Soziologen abgesehen: Wie zur Zeit in der Mills lebte, gibt es auch heute viele gesellschaftspolitische Probleme, die es doch erforderlich machen, dass sich auch jene mit einer etwas lauteren Stimme Gehör verschaffen müssten, die aufgrund ihres speziellen Blicks, aufgrund ihres Wissens über "die Gesellschaft", eigentlich auch etwas sagen könnten. Aber wo sind die kritischen politischen Soziologen? Wo sind ihre hörbaren "Interventionen"?

Stephan Lessenich: Naja, ich finde, da ist das Glas durchaus halb voll. In den letzten Jahren ist eine "kritische" bzw. sich selbst explizit als kritisch positionierende Soziologie doch deutlich hoffähiger geworden - ein Begriff, der aber gleichzeitig auch das Problem und die Grenzen ihrer Wirksamkeit deutlich macht. Kritische politische Soziologen sind im Aufschwung, aber häufig eben am Rande oder jenseits der breiteren öffentlichen Aufmerksamkeit - in Zirkeln und Publikationsorganen, die nicht ins Zentrum der gesellschaftlichen Wahrnehmung reichen. Übrigens gilt dies auch und gerade für die - altväterlich ausgedrückt - "jüngere Generation".

Wo kritische Soziologen und Soziologinnen es doch zu etwas mehr Prominenz und in die Mitte des politischen Diskurses schaffen, da drohen ihre Positionen natürlich auch gleich wieder abgeschliffen zu werden - das ist ein ewiges Dilemma, dem kaum zu entkommen ist. Und dennoch: Meines Erachtens steht es um die kritische politische Soziologie hierzulande nicht so schlecht, wie dies für gewöhnlich behauptet wird und wie diese es sich interessanter- und paradoxerweise selbst zuschreibt.

Nehmen wir doch mal ein konkretes Beispiel. Seit längerer Zeit können wir an Wahlergebnissen ablesen, dass "etwas nicht stimmt". Wir beobachten, dass die sogenannten Volksparteien immer mehr Wähler verlieren, dass regelrechte Wählerwanderungen stattfinden und dass neue Parteien, die eben noch gar nicht existierten, es mehr oder weniger aus dem Stand in die Parlamente schaffen. Was sagt dazu der politische Soziologe in Ihnen?

Stephan Lessenich: Er sagt, mit Mills: Da werden individuelle Probleme - die Wahrnehmung von persönlichen Bedrohungen etwa durch Zuwanderung - nicht mit gesellschaftlichen Phänomenen in Verbindung gebracht: der Migrationspolitik Deutschlands und der Europäischen Union, dem Welthandelsregime, dem Sozialstaatsumbau der letzten Jahrzehnte, den Interessenlagen machtvoller Akteure, dem Alltagsrassismus und Sozialchauvinismus in reichen Gesellschaften. Eine kritische politische Soziologie hat genau diese Verbindungslinien zu ziehen.

Nachdem Sie sich mit Mills auseinandergesetzt haben: Was glauben Sie, woran würde Mills sich wohl heute reiben? An welchen Stellen würde er mit seiner Soziologie heute anecken?

Stephan Lessenich: Ich bin mir sicher, dass er zu dem, was sehr schnell politisch-medial als "Flüchtlingskrise" bezeichnet wurde, was aber viel eher eine Krise der europäischen Gesellschaften, ihres Selbstverständnisses und ihrer Fähigkeit zur stabilen Selbstreproduktion widerspiegelt, viel zu sagen hätte - und Vieles, mit dem er bei der Mehrheitsmeinung außer- wie innerhalb der Soziologie Widerspruch ernten würde. Aber genau das wäre ja heute gefragt.

Allerdings hat Mills nicht den Widerspruch, sondern die Indifferenz gefürchtet: das Ausblenden, das Ingnorieren, das Totschweigen und Totgeschwiegen-Werden. Auch deswegen hat er vermutlich alle wissenschaftlichen und sprachlichen Register gezogen - und bisweilen auch überzogen. Aber wenn er das gemacht hat, dann nur deswegen, weil er meinte, an einem kürzeren "Hebel" zu sitzen als andere.

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