Spam gegen Spam

Einige Jahre zu spät realisiert ein Lebensmittelproduzent, dass sein wichtigster Markenname im allgemeinen Sprachgebrauch eine neue Bedeutung bekommen hat

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Wenn Internetbenutzer das Wort "Spam" hören, steigen sowohl Blutdruck als auch Adrenalinspiegel in Sekundenschnelle. Email-Werbung für Penis- und Brustvergrößerungen (im Doppelpack billiger), für preiswertes Viagra oder für "Free Hot Teen Pussies" verstopfen täglich millionenfach und weltweit die elektronischen Briefkästen und kein Kraut scheint bisher gegen die ständig steigende Mülllawine gewachsen zu sein. Spam steht auf der Beliebtheitsskala ungefähr auf einer Ebene mit Herpes oder Brechdurchfall und den Massenversendern der digitalen Wurfsendungen wird im Allgemeinen allerhöchstens ein moralisches Niveau irgendwo zwischen Zuhälter und Tierschänder zugebilligt.

Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite existiert Spam seit 1937, wurde bis dato sechs Milliarden mal verkauft und allein während des Zweiten Weltkrieges wurden US-Soldaten in Europa mit 15 Millionen Portionen Spam in Kampfesstimmung gehalten.

Was Viele nicht wissen: Bei Spam handelt es sich schlicht um Dosenfleisch des amerikanischen Lebensmittelherstellers Hormel Foods, ursprünglich einmal abgeleitet von 'Spiced Ham'. Das Unternehmen ist so stolz auf sein Produkt, dass es auch gleich ein Spam-Museum in Austin gebaut hat, das im September 2001 eröffnet wurde.

Warum Spam zum Oberbegriff für unerwünschte Werbe-Mails avancierte, für viele Anwender die Plage des Informationszeitalters, verliert sich in der grauen Vorzeit des Internet. Die schlüssigste Erklärung lautet, dass ein Monty-Python-Sketch aus den Siebzigerjahren als Inspiration für die Namensgebung diente:

Kellnerin: "Well, there's egg and bacon; egg, sausage and bacon; egg and Spam; egg, bacon and Spam; egg, bacon, sausage and Spam; Spam, bacon, sausage and Spam; Spam, egg, Spam, Spam, bacon and Spam; Spam, sausage, Spam, Spam, Spam, bacon, Spam, tomato and Spam; Spam, Spam, Spam, egg and Spam."
Eine Horde Wikinger beginnt zu singen: "Spam, Spam, Spam, Spam, Spam, Spam, baked beans, Spam, Spam, Spam and Spam."

Man stelle sich vor, die britische Komikertruppe hätte seinerzeit für ihren skurrilen Spaß einen anderen Markennamen gewählt, vielleicht Bi-Fi, Snickers oder Maggi. Dann wären heute die Union Deutsche Lebensmittelwerke GmbH, die Masterfoods GmbH oder eben der Nestlé-Konzern in der unangenehmen Lage, in der sich nun die Hormel Foods Corp. wiederfindet: Zuschauen zu müssen, wie eine Marke sich nicht nur verselbständigt, sondern sich komplett vom Produkt abkoppelt und zum Inbegriff für virtuellen Abfall mutiert.

Werbung von Hormel Foods

Jahrelang schwieg das Unternehmen aus Austin in Minnesota, als Entwicklerkonferenzen zur Spam-Abwehr einberufen wurden oder als die erste Spam-Filter-Software auf den Markt kam - und man rührte sich auch nicht, als der US-Senator Charles Schumer Mitte Juni einen Gesetzesentwurf mit dem eindeutigen Namen "Stop Pornography and Abusive Marketing" (SPAM) vorlegte.

Nun aber scheint den Abfüllern von gepökeltem Schweinefleisch, mit rund zehn Jahren Zeitverzögerung, doch noch der Kragen geplatzt zu sein und sie reagierten prompt mit einer juristischen Verzweiflungstat: Wie die Washington Post berichtet, strebt Hormel Foods vor dem US-Patentgericht eine Klage wegen Verletzung des Markenrechts an. Da man dummerweise aber nun schlecht die halbe Weltbevölkerung vor den Kadi zerren kann, wurde die kleine Softwareschmiede Spam Arrest LLC zum Muster-Opfer auserkoren. Der Hersteller von Filterlösungen gegen Junk-Mail hatte sich seinerseits den Begriff 'Spam Arrest' als Marke sichern wollen, was schließlich die Patentanwälte der Fleischfabrikanten auf den Plan rief.

Kenner der Materie räumen den Büchsenfleischverkäufern allerdings wenig Chancen vor Gericht ein. "Das Problem, das Hormel hat, ist der Fakt, dass das Wort eine andere Bedeutung bekommen hat und dass diese bereits so weit verbreitet ist, dass es schwierig bis unmöglich für Hormel sein wird, sich durchzusetzen", zitiert das Blatt einen Fachanwalt für Patent- und Markenrecht.

Andere Unternehmen verhalten sich bei weitem nicht so zögerlich, wenn ihr Markenname beginnt, eine unerwünschte Eigendynamik zu entwickeln: So gingen die Anwälte der Internet-Suchmaschine Google bereits Anfang des Jahres gegen die Betreiber der Lexikon-Seite Wordspy vor (Googles Sündenfall), da dort das Verb 'googlen' (to google) als Synonym für den generellen Vorgang des Suchens im Internet definiert wurde. Die Juristen verlangten eine Entfernung des Eintrags oder einen Zusatz, der einen eindeutigen Bezug zur Suchmaschine Google beinhaltet.

Die Angst davor, durch einen Einzug in die Umgangssprache schleichend seiner Markenrechte beraubt zu werden, ist zumindest nicht ganz unbegründet, wie das Beispiel der Fleischkonservenerzeuger aus Minnesota zeigt.