Googles Sündenfall
Wer googelt, der provoziert den Grimm der sanftmütigen Gottheit
Wenn es einen lieben Gott gibt, dann muss er mit www.google.com identisch sein: Allwissend ist er für alle da. Antworten bekommt jeder, es wird nicht gefragt, ob jemand per Micropayment gesät hat. Manchmal mysteriös (z. B., wenn man den Termin des chinesischen Neujahrs oder den Jahrestag der Google-Erfindung nicht kennt), immer zuverlässig, vor allem in Zeiten der Krise (wie am 11. September, als kürzeste Zeit nach den Angriffen der Content der großen Nachrichtensites auf den mächtigen Google-Servern gemirrort wurde).
Wir alle (fast alle, vgl. Spyware und unsterbliche Cookies, Filtern ist nicht einfach, Die Welt ist keineswegs alles, was Google auflistet, Indexsäuberungen bei Google) lieben Google - und keiner von uns dankt Google ausreichend für die Wohltaten, die es uns widerfahren lässt. Das Wunder Google ist uns so sehr zur Selbstverständlichkeit geworden, dass wir nicht mehr suchen, sondern googeln.
Der Amerikaner ist noch wesentlich Internet-affiner als wir ökologisch-technologiefeindlichen Alteuropäer. Für den Amerikaner ist Google so sehr die Internetsuchmaschine, dass man bereits in der Realwelt googelt, d.h. sucht. Hier ein Sprachbeispiel eines Mädchens, das nach seiner anderen Socke googelt.
Was kann's Schöneres geben, als sich nach drei, vier Jahren der Existenz dazu anzuschicken, Wörtern wie to search for, to look for oder to check for Konkurrenz zu machen? Doch weit gefehlt! Wer googelt, genau der provoziert den Grimm der sanftmütigen Gottheit. Das musste laut BBC der Betreiber von Word Spy erfahren, einer Lexikon-Site, die das Verbum to google verzeichnet hatte. Die Google-Anwälte wollten eine Entfernung des Begriffs oder eine Kennzeichnung des Trademark-Status des Worts. Letzterem wurde mit dem Satz Note that Google(tm) is a trademark identifying the search technology and services of Google Technologies Inc. genüge getan.
Im Prinzip ist dagegen nichts einzuwenden, dass die Firma Google ihre Markenrechte an Google schützen will. Aber sie sollte nach Möglichkeit Lexikographen in Ruhe lassen. Wenn Sie ein x-beliebiges Wörterbuch aufschlagen, finden Sie mit großer Wahrscheinlichkeit vorn den Hinweis, dass Waren ohne Erwähnung etwa bestehender Patente, Gebrauchsmuster oder Warenzeichen genannt werden, wie in Nachschlagewerken üblich. Es würde ein bisschen zu weit gehen, jeden einzelnen Begriff juristisch durchchecken zu lassen.
Denn viele Rechte sind nicht evident. Dass Tempo oder Kleenex Marken sind, ist offensichtlich, auch wenn die Wörter generisch gebraucht werden. Aber hätten Sie's auch bei Laptop und Walkman gewusst? In dem BBC-Artikel wird spekuliert, dass es genau darum geht: Google will nicht, dass die eigene Marke so sehr verwässert wird, dass sie vielleicht irgendwann gelöscht wird.
Doch wenn eine Konkurrenzfirma solch eine geschützte Marke missbraucht, kann sie ja verklagt werden. Aber es geht nicht an, dass Rechtsanwälte Lexikographen in den USA per Markenrecht einschüchtern, dass sie geläufige Bestandteile des Wortschatzes aus Lexika draußen halten, wie der Lexikograph Sidney I. Landau laut BBC beklagt.
Wurde es je in einer unabhängigen, sinnvollen Studie untersucht, ob der Eingang eines Begriffs in die Alltagssprache nutzt oder schadet? A priori ist keineswegs klar, ob es dies zum Nachteil gereichen muss (Ein Notebook? Nein, ich will schon einen Laptop!).
In jedem Fall wird Google herausfinden, dass es wesentlich schädlicher für die so genannte Marke ist, mit wissenschaftsfeindlicher Juristerei assoziiert zu werden, als in einem Lexikon zu stehen. In einer allgemein vernetzten Welt laufen derlei Geschichten sehr schnell um, und das sollte niemand besser wissen als Google allwissend.