Spanien klagt Puigdemont und 12 katalanische Politiker wegen Rebellion an
An den absurden Vorwürfen wird festgehalten und im nächsten Schritt werden sieben katalanische Parlamentarier suspendiert, die sich im Knast oder im Exil befinden
Nichts bringt den spanischen Ermittlungsrichter Pablo Llarena und seinen Obersten Gerichtshof von absurden Anschuldigungen gegen katalanische Politiker ab. In einem Beschluss hält der Oberste Gerichtshof die Llarena-Anklage wegen Rebellion gegen den ehemaligen katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont und 12 seiner Mitstreiter als "realistisch genug". Es habe angeblich "eine Erhebung" mit einem "Machtmissbrauch" gegeben, um die Unabhängigkeit von Katalonien von Spanien zu erreichen, argumentieren drei Richter am Obersten Gerichtshof in einem Beschluss, der am Mittwoch bekanntgeben wurde.
Mit diesen Umschreibungen versucht der Gerichtshof die Tatsache zu umschiffen, dass für eine Rebellion in Spanien eine "gewaltsame öffentliche Erhebung" notwendig ist. Das steht wortwörtlich im Rebellionsartikel, der 1995 ins Strafgesetzbuch aufgenommen wurde. Als der Sozialdemokrat Diego López Garrido den Artikel formulierte, hatte er den Putsch der Generäle unter Franco 1936 gegen die Republik und den Putschversuch 1981 vor Augen, als die paramilitärische Guardia Civil das Parlament stürmte. Deshalb hält auch Garrido die Rebellionsvorwürfe gegen die Katalanen für überzogen. Führende Verfassungsrechtler halten diese Anklage schlicht für grotesk. Javier Pérez Royo meint, es könne keine Rebellion sein, gewaltfrei für das Ziel der Unabhängigkeit einer Region einzutreten: "Ohne Gewalt gibt es keine Rebellion", erklärte der andalusische Professor mit Blick auf die gewaltfreien Proteste in Katalonien.
Was nicht passt, wird vom Obersten Gerichthof passend gemacht
Gegen diese Willkür wurden schon Anzeigen gegen Llarena und drei Richter der Berufungskammer eingereicht. Llarena selbst muss demnächst sogar vor einem Gericht in Belgien erscheinen. Dort wurden seine Auslieferungsanträge gegen drei ehemalige Minister der katalanischen Regierung abgelehnt, von denen zwei weiter wegen Rebellion angeklagt werden.
Im Widerspruch zum Gesetzestext für Rebellion erfinden nun die drei Richter Miguel Colmenero, Alberto Jorge Barreiro und Vicente Magro eine "Rebellion ohne Waffen". Es sei nicht "abwegig" das zu behaupten, meinen sie mit Blick auf den Unabhängigkeitsprozess in Katalonien, wenn die von den Autoritäten einer autonomen Region dort ausgehe.
Da die Argumentation mehr als schwach ist, krallen sich die Richter weiter an einer angeblichen Gewalt "gegen Menschen fest", wie die vielen "Verletzten" zeigen sollen. Allerdings sind das die zahllosen Menschen, die von den Sicherheitskräften mit illegalen Gummigeschossen beschossen oder in einer "militärähnlichen Operation" zusammen geprügelt wurden, als Spanien mit brutaler Gewalt versuchte, das Unabhängigkeitsreferendum am vergangenen 1. Oktober zu verhindern. Es wird also mit der Gewalt der Sicherheitskräfte eine gewaltsame Erhebung der Katalanen herbeifabuliert.
Selbst wenn man der abstrusen Argumentation der drei Richter folgt, dann wird sie spätestens im Fall der "Jordis" völlig absurd. Denn Cuixart und Sànchez befanden sich nicht in der Regierung. Sie waren nicht einmal Mitglieder des Parlamentspräsidiums, die wie die ehemalige Präsidentin Carme Forcadell ebenfalls wegen Rebellion angeklagt werden. Die Jordis saßen nicht einmal im Parlament. Sie waren oder sind (wie im Fall Cuixart) Präsidenten von zivilgesellschaftlichen Organisationen und saßen schon im Knast, als die Republik am 27. Oktober 2017 schließlich verkündet wurde.
Insgesamt werden neben dem ehemaligen katalanischen Regierungschef Puigdemont, der sich im deutschen Exil befindet, 12 katalanische Politiker und Aktivisten wegen Rebellion angeklagt. Damit steht als nächster Schritt an, dass der Hardliner Llarena die Suspendierung von sieben Parlamentariern beantragt und durchsetzen wird. Neben Puigdemont wird davon auch der Exilant Toni Comín betroffen sein, der sich in Belgien befindet. Zudem wird es fünf Untersuchungsgefangene treffen, die zum Teil seit vergangenem Oktober inhaftiert sind, wie Puigdemonts ehemaliger Vize Oriol Junqueras, Chef der Republikanischen Linken (ERC), sowie die ehemaligen Minister Raül Romeva, Jordi Turull und Josep Rull.
Die Ausübung ihrer politischen Rechte hatte Llarena aber ohnehin seit den Zwangswahlen am 21. Dezember mit allen Mitteln und abstrusen Begründungen hintertrieben. Er hat gegen die Auflagen des UN-Menschenrechtskomitees verstoßen. Llarena hatte nicht einmal Jordi Sànchez ins Parlament gelassen, damit er zum katalanischen Präsidenten gewählt werden kann, und Jordi Turull noch schnell inhaftieren lassen, um seine Wahl zum Präsidenten im zweiten Wahlgang zu verhindern.
Der Oberste Gerichtshof verrennt sich immer weiter in einer Sackgasse und hält an den Vorwürfen fest, um diejenigen für bis zu 30 Jahre einsperren zu können, derer die spanische Justiz habhaft werden konnte. Um die Exilierten steht es für die spanische Justiz eher schlecht. Belgien hat schon die Auslieferungen nach dem europäischen Haftbefehl Llarenas abgelehnt. In der Schweiz stehen die Zeichen für Llarena ebenfalls im Fall der ERC-Generalsekretärin Marta Rovira sehr schlecht. Die Eidgenossen haben längst klargemacht hat, dass man bei politischen Delikten nicht ausliefern wird und auch eine Versuch eines Gefangenenaustauschs abgelehnt.
Dass Großbritannien Clara Ponsatí wegen angeblicher Rebellion an Spanien ausliefert, ist genauso unwahrscheinlich wie eine Auslieferung von Puigdemont. Der hält sich bis zur endgültigen Entscheidung weiter in Deutschland auf. Wegen massiver Drohungen, bisweilen wurde er auch von spanischen Touristen angepöbelt, hat er inzwischen Berlin verlassen und befindet sich nun in Hamburg, womit er sich nun auch näher am Oberlandesgericht in Schleswig-Holstein aufhält.
Das Gericht hatte die Rebellionsvorwürfe schnell als "von vorneherein unzulässig" bezeichnet. Dem Versuch des Obersten Gerichtshofs in Spanien, auf "Aufruhr" abzuschwächen, wie zunächst auch nur die Anklage für die "Jordis" lautete, erteilten die Richter in Schleswig ebenfalls schon eine klare Abfuhr.
Auch Landfriedensbruch als vergleichbare Tat sehen die Richter nicht, da auch dafür Gewalt notwendig ist. Sie sehen bestenfalls "Auseinandersetzungen in und vor einzelnen (von insgesamt 2.500) Wahllokalen", die zwar für die "unmittelbar Beteiligten einen Landfriedensbruch darstellen könnten", aber nicht Puigdemont oder anderen Angeklagten zurechenbar seien. Zudem hatte die katalanische Regierung stets zu strikter Gewaltfreiheit aufgerufen. Sogar an einer Auslieferung wegen Untreue haben die deutschen Richter schon erhebliche Zweifel angemeldet. Denn Spanien kann nicht belegen, dass Steuermittel für das Referendum ausgegeben wurden.