Spanische Software-Firmen wollen 4000 Nutzer von Tauschbörsen anklagen

Insgesamt seien 95.000 Tauschbörsennutzer erfasst, Kritiker werfen der von den Firmen beauftragten Rechtsanwaltskanzlei unbefugtes Eindringen in die Privatsphäre vor

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

In den USA hat sich die Musikindustrie erst einmal nur vorgenommen, die Kundendaten von 871 Tauschbörsenbenutzern von ihren Internetprovidern zu verlangen und diese dann wegen Urheberrechtsverletzung anzuklagen (Die Jagd hat begonnen). In Spanien droht womöglich gar 95.000 P2P-Nutzern eine Klage, deren IP-Adressen schon einmal gesammelt wurden. Klage soll vorerst gegen die 4.000 schlimmsten Tauschbörsennutzer wegen illegalen Reproduzierens und Vertreibens von copyrightgeschützen Inhalten gestellt werden.

Javier Ribas, Jurist bei der spanischen Filiale von Landwell-PricewaterhouseCoopers, gab bekannt, dass man im Auftrag von nunmehr 38 Software-Firmen eine Sammelklage gegen spanische Benutzer von Tauschbörsen wie Kazaa oder Morpheus vorbereite. Man hofft, dass sich noch weitere Unternehmen anschließen werden. Ziel der Kampagne sei es, die Benutzer der Tauschbörsen darauf hinzuweisen, dass das Tauschen illegal ist und bestraft werden kann. Es sollen aber auch Firmen gewarnt werden, deren Angestellte Tauschbörsen auf ihren Arbeitsrechnern benutzen, ohne dass die Vorgesetzten dies wissen. In dem Fall müssten die Firmen selbst mit Klagen rechnen.

Die Klage mit den Namen von bislang 4.000 Tauschbörsennutzer, die mehr als 100 Mal etwas heruntergeladen haben und daher als besonders schwere Täter gelten, wurde bereits der für Computer- und Internetkriminalität zuständigen Brigada de Investigación Tecnológica (BIT) vorgestellt, sie soll aber erst noch einmal überarbeitet werden, bevor sie vermutlich im Laufe des Septembers eingereicht wird. Gefordert werden Gefängnisstrafen bis zu vier Jahren und Schadensersatzforderungen in der Höhe der Summe, die die getauschten Musikstücken auf dem Markt eingebracht hätten. Überdies will man die rechtliche Genehmigung zum Einsatz eines Programmes erhalten, das die verschiedenen Austauschprotokolle emuliert, um so die Nutzer identifizieren zu können.

Die Unternehmen, die hinter der Klage stehen, werden der Öffentlichkeit noch nicht mitgeteilt, um diese vor Angriffen empörter Internetnutzer zu schützen. Man habe bereits, so Ribas, "direkte Drohungen" erhalten, beispielsweise die Website der Firma lahm zu legen. Die spanische Vertretung der Business Software Alliance (BSA) hat bekannt gegeben, nicht hinter der Klage zu stehen, aber ihr Präsident hat sie als legitim bezeichnet.

Ribas kritisierte scharf die Asociación de Internautas (AI), die nach Bekanntwerden der Klage die Juristen als "Nazi-Abkömmlinge" bezeichnet hatte. Sie würden eine Klage im "Stil der Gestapo" ausführen, um die Internetnutzer einzuschüchtern. AI wirft den Klägern vor, das "Briefgeheimnis" für elektronische Kommunikation verletzt zu haben. Zusammen mit der Federación de Servicios Financieros y Administrativos (Comfia) wirft die AI der Anwaltskanzlei mit der Massenanklage vor, die von der Verfassung garantierten Bürgerrechte anzugreifen. Nur mit richterlichem Bescheid dürfe in die Privatsphäre der Intrenetnutzer eingedrungen werden. Man bedauere die wirkliche Piraterie, aber das könne man den Benutzern von Tauschbörsen nicht vorwerfen, weswegen man sie auch nicht kriminalisieren dürfe.

AI wies die Nutzer darauf hin, sich das Programm Peerguardian herunterzuladen, mit dem sich das "Ausspionieren" der Nutzer durch die Blockade von IP-Adressen verhindern lasse. Das bieten allerdings schon viele Suchmaschinen an, zudem gewährt es keine Anonymität, da nur bestimmte IP-Adressen geblockt werden und Ermittler das schnell umgehen können.

Den Vorwurf des Ausspionierens weist Ribas in einem ausführlichen Text zurück, in dem er auf die verschieden Möglichkeiten hinweist, wie man die Aktivitäten der Tauschbörsenbenutzer legal beobachten könne, indem nur öffentliche zugängliche Daten gesammelt werden. Man habe sich nur als anonyme Nutzer an verschiedenen Tauschbörsen beteiligt, um die Aktivitäten der spanischen Partizipanten zu beobachten, die dort nur mit ihren Nicknames auftreten: "Es gab keinen Kontakt mit Internetprovidern, und wir haben keine persönlichen Daten, da dafür eine richterliche Genehmigung vorliegen müsste."

Als Beispiel führt Ribas an, dass man einfach nur die Dateien anschauen, die jeder Tauschbörsenbenutzer zum Herunterladen bereits gestellt hat. Man könne ältere Versionen der P2P-Programme benutzen, die noch nicht verschlüsseln, so dass man mit diesen die heruntergeladenen Dateien und die IP-Adressen der Benutzer herauskriegen kann. Da man diese nicht mit dem Namen verbinden könne, würde es sich nicht um eine Verletzung des Datenschutzes handeln. Man könne Protokolle emulieren, um Verbindungsdaten zu erhalten. Da man aber an der Kommunikation partizipiere, handele es sich nicht um ein Abhören. Man könne alle mit dem Internet verbundenen Computer (4 Millionen) überprüfen, um Ports zu finden, die zu einem P2P-Protokoll passen. Auch das sei unbedenklich, zumal ja nur Urheberrechtsverletzer suche und man nicht anderes als Google mache.

Man arbeite jetzt mit den legalen Mitteln an einer Liste mit spanischen Produkten, die heruntergeladen werden können, um die Beweisliste mit spanischen Tauschbörsennutzern zu erstellen. Diese 95.000 Tauschbörsenbenutzer, soviel weiß man dann aber anscheinend schon, hätten in der ersten Jahreshälfte um die 25 Millionen Produkte heruntergeladen, was für die betroffenen Unternehmen einen wirtschaftlichen Schaden von 85 Millionen Euro darstelle.

Ob die Klage allerdings überhaupt eine Chance vor Gericht hat, wird von AI bezweifelt. Die Brigada de Investigación Tecnológica habe selbst ausgeführt, das die P2P-Downloads nur dann eine Straftat darstellen würden, "wenn der Nutzer die Absicht hat, sich zu bereichern". Ähnlich argumentiert der Jurist Carlos Sánchez Almeida in einem Artikel von Kriptopolis. Ribas geht jedoch davon aus, dass sich auf jeden Fall ein finanzieller Gewinn nachweisen ließe, schließlich würde man ja Geld sparen, indem man die Produkte nicht kauft - und das sei als Gewinnabsicht zu werten.