Staatsfern? Staatsfunk?
Seite 2: Und wenn Seibert in die ZDF-Leitung wechselt?
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Aber was, wenn Rekord-Regierungssprecher Seibert künftig beim ZDF eine Leitungsfunktion übernehmen würde, gar als Intendant? So etwas wäre undenkbar? Keineswegs, wie das Beispiel von Ulrich Wilhelm zeigt, dem direkten Vorgänger von Steffen Seibert im Amt des Regierungssprechers von 2005 bis 2010.
Ulrich Wilhelm, Jahrgang 1961, war laut Munzinger-Archiv bereits während seiner Ausbildung an der Münchner Journalistenschule und während des Jurastudiums als freier Journalist für Zeitungen, Hörfunk und Fernsehen tätig.
Für die Chefredaktion des Bayerischen Fernsehens habe er 1990 Sendungen zur deutschen Einheit erstellt. 1991 wechselte er in den Dienst des Bayerischen Staatsministeriums des Innern und startete eine steile Beamtenlaufbahn. 1999 wurde Wilhelm in Bayern Sprecher der Landesregierung. Nach der Bundestagswahl holte Angela Merkel im November 2005 Wilhelm als Regierungssprecher nach Berlin.
2010 dann, es wird spannend, bewarb sich Ulrich Wilhelm um den Posten des Intendanten des Bayerischen Rundfunks. Am 6. Mai 2010, noch im Amt des Regierungssprechers, wählte ihn der BR-Rundfunkrat mit 40 von 44 Stimmen für die Dauer von fünf Jahren zum Chef der viertgrößten ARD-Anstalt.
Seine Regierungsämter legte Wilhelm Ende Juli 2010 nieder und trat das Amt als Intendant ein halbes Jahr später an. Der direkte Wechsel von höchster Regierungstätigkeit an die Spitze einer großen öffentlich-rechtlichen Anstalt wurde in manchen Medien durchaus kritisiert, wie hier von Bernd Gäbler im "Stern".
Doch die Karawane zog auch hier weiter, anscheinend ohne sich Fragen zu stellen, wie hier mal ganz redaktionspraktisch jene: Wie stark müsste eine Journalistin zum Beispiel bei report München sein, wenn sie den Verdacht hätte, während der Amtszeit Wilhelms in Berlin sei womöglich Fragwürdiges geschehen: gegen den eigenen Intendanten recherchieren?
Das mag im Einzelfall sogar geschehen (sein), schafft aber das Problem direkter struktureller und personeller Kopplungen keineswegs aus der Welt.
Bei seiner Wiederwahl 2015 erhielt Wilhelm immerhin noch 33 Stimmen. Turnusgemäß war der Ex-Merkel-Sprecher dann auch zwei Jahre lang ARD-Vorsitzender, in den Jahren 2018 und 2019.
Die zweite Amtszeit des BR-Intendanten Ulrich Wilhelm endete am 31. Januar 2021. Im Juli 2020 hatte er angekündigt, nicht erneut als Intendant des Bayerischen Rundfunks kandidieren zu wollen.
Sonst hätte diese Karawane womöglich noch weiterziehen können. Zwischen den beiden, um im Bild zu bleiben, Karawansereien (Herbergen) "Regierung" und "öffentlich-rechtliche Medien". Und hier schließt sich ein Kreis von Wilhelm zu Seibert: "Staatsferne" ginge, so oder so, sicher anders.