Staatsschutz-Chefin im U-Ausschuss: "Ich bitte, meine Antwort zu streichen"

Seite 2: Es muss bereits in der Tatnacht eine Spurensicherung im LKW gegeben haben

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In einem Vermerk, der den Abgeordneten vorliegt, hielt der Leiter des LKA Berlin, zugleich Chef der Staatsschutz-Chefin, um 0:55 Uhr Erkenntnisse aus der Fahrerkabine des Tat-LKW fest, die in einer Telefonschaltkonferenz zwischen den Ermittlern ausgetauscht wurden: Bei der toten Person auf dem Beifahrersitz handle es sich um den Cousin des polnischen Spediteurs. Er weise einen Schuss in den Kopf auf. Das korrespondiere mit einem Loch in der Scheibe. Die Scheibe der Beifahrertüre sei zerstört.

Das sei ihr neu, so Porzucek, diese Information kenne sie nicht. Nachfrage aus dem Ausschuss: War jemand bereits am Abend des 19. Dezember oder am frühen Morgen des 20. Dezember in der Fahrerkabine? Diese Frage kann die Polizeidirektorin ebenfalls nicht beantworten. Aber auch LKA-Leiter Christian Steiof hat bei seinen verschiedenen Zeugenvernehmungen diese Details nicht berichtet.

Nach Darstellung der Bundesanwaltschaft sei der Speditionsfahrer Lukasz Urban etwa um 19:30 Uhr erschossen worden, als Amri den LKW in seine Gewalt gebracht haben soll. Urban habe sich dabei auf seiner Liege hinter den Sitzen aufgehalten. Zu dieser Darstellung passt das von Steiof beschriebene Bild im Inneren der Fahrerkabine nicht. Das passt eher zu Wahrnehmungen von Zeugen, die auf dem Breitscheidplatz im fahrenden LKW einen zweiten Mann gesehen haben wollen, der dem Fahrer ins Lenkrad griff. Sowie dazu, dass Zeugen nach dem Stillstand des LKW einen Schuss gehört haben wollen.

Offensichtlich direkte Ermittlungshandlungen im Führerhaus und trotzdem sollen die persönliche Gegenstände Amris erst am folgenden Nachmittag gesichert worden sein?

Manipulationen nach dem Anschlag

Amri-Sachbearbeiter im LKA und am engsten mit der Causa vertraut war Kriminaloberkommissar L. Er verweigert sich bisher der parlamentarischen Aufklärung. L. und sein Vorgesetzter O. manipulierten nach dem Anschlag die Amri-Akte und schwächten dessen polizeibekannte Taten ab, Stichwort: gewerbs- und bandenmäßiger Drogenhandel. Ein vom Innensenator angestrengtes Strafverfahren stellte die Staatsanwaltschaft ein Jahr später ein. Weil aber noch Disziplinarverfahren anhängig sind, verweigerten beide Zeugen vor dem Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses die Aussage. Dagegen hat der Ausschuss vor dem Landgericht ein Ordnungsgeld beantragt. Die Entscheidung steht noch aus.

Eine Erklärung für das Vertuschungsverhalten ihrer damaligen Mitarbeiter hat die ehemalige Staatsschutz-Chefin Porzucek nicht. Es hätte sie "sehr interessiert", erklärte sie auf Nachfrage aus dem Ausschuss, aber aus "Fürsorgegründen" und damit das Straf- und Disziplinarverfahren "sauber" und "nicht manipulierend" vonstattengehen konnte, habe sie sich eben zurückgehalten.

Doch nicht nur im LKA Berlin wurden nach dem Anschlag Manipulationen vorgenommen, sondern allem Anschein nach auch im Bundeskriminalamt (BKA). Dabei geht es um die Frage der Weitergabe von Hinweisen marokkanischer Nachrichtendienste zu Amri im Oktober 2016. Diese Hinweise wurden über das BKA an die deutschen Sicherheitsbehörden gesteuert, an das LKA Berlin aber offensichtlich erst spät. Der Abgeordnete Benjamin Strasser (FDP) ist in den Unterlagen darauf gestoßen, dass im Februar 2017 auf "Wunsch" des BKA-Beamten Sven Kurenbach die "Sprachregelung entschärft" werden sollte, dass das LKA Berlin eben erst spät von diesen Marokko-Hinweisen erfuhr. Mit dieser Korrektur sollte das BKA entlastet werden.