Stagnation droht: Deutsche Wirtschaft kämpft mit Strukturproblemen
Die deutsche Wirtschaft schwächelt. Experten erwarten für 2024 nur 0,1 Prozent Wachstum. Droht Deutschland eine längere Phase der Stagnation?
Die deutsche Wirtschaft dürfte in diesem Jahr kaum wachsen, nachdem sie bereits im zweiten Quartal unerwartet geschrumpft ist. Zu dieser Einschätzung kommen Ökonomen, die in einer monatlichen Umfrage von Bloomberg interviewt wurden.
Deutsche Wirtschaft stagniert: Prognosen für 2024 und 2025 nach unten korrigiert
Im Median rechnen sie in diesem Jahr nur noch mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 0,1 Prozent. Zuvor lagen die Prognosen noch bei 0,2 Prozent. Nicht nur für dieses Jahr, auch für die kommenden Jahre haben die Ökonomen ihre Prognosen nach unten korrigiert. Die Prognose für 2025 geht nur noch von einem Plus von 1,1 Prozent aus.
Im Kern gehen die Forscher davon aus, dass die Probleme der deutschen Industrie weiter belasten. Jüngste Daten gehen zwar von einem Wachstum der Industrie von 1,4 Prozent aus – das dürfte aber nicht ausreichen, um die bisherigen Verluste auszugleichen.
Deutschlands Industrie kämpft mit strukturellen Herausforderungen
Die Probleme der deutschen Industrie zeigen sich zum Beispiel im Export. Die Unternehmen sind stark vom Ausland abhängig, doch der Außenhandel ist weiter rückläufig. Dies gilt sowohl für den Handel mit den EU-Ländern (minus 3,4 Prozent) als auch für den Handel mit allen anderen Ländern (minus 3,5 Prozent).
Die Probleme der deutschen Wirtschaft gehen über konjunkturelle Schwankungen hinaus. Untersuchungen von Bloomberg Economics, die Ende Juli veröffentlicht wurden, legen nahe, dass die Hälfte des geschätzten Rückgangs der Industrieproduktion um sieben Prozent strukturell bedingt sein könnte.
Energieintensive Branchen leiden noch immer unter dem Wegfall billiger Gasimporte aus Russland. Auch die einst so erfolgreichen Autobauer müssen sich angesichts des chinesischen Vorsprungs bei Elektroautos und der Probleme beim Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor neu orientieren.
Entsprechend warnt die Bundesbank, dass sich die Industriekonjunktur nur langsam erholen dürfte und die Nachfrageschwäche bisher nicht überwunden sei.
Zwar rechnen die Analysten mit einem verzögerten Aufschwung, der sich bis 2026 hinziehen wird. Die anhaltende Wachstumsschwäche wirft jedoch einen Schatten auf die langfristigen Aussichten des Landes.
Politische Konsequenzen: Ampelregierung unter Druck durch Wirtschaftsschwäche
Diese Entwicklung stellt eine Herausforderung für die derzeitige Ampelregierung dar. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) muss sich im nächsten Jahr zur Wiederwahl stellen und seine bisherige Wirtschaftsbilanz ist negativ. Nur in etwa der Hälfte der Quartale seit seinem Amtsantritt ist die deutsche Wirtschaft gewachsen.
Wirtschaftliche Probleme prägten auch die Regierungszeiten von Willy Brandt und Helmut Schmidt (beide ebenfalls SPD). Die Ölkrise von 1973 führte zu einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums. Diese Krise führte schließlich zu Inflation und Rezession – was zum Aufstieg Helmut Kohls (CDU) und zum Sturz Schmidts beitrug.
Zwar hat die Ampelregierung Anfang August ein Wachstumspaket verabschiedet, das zu mehr Investitionen, Steuererleichterungen und weniger Bürokratie führen soll. Ob die Wähler davon bis September 2025 etwas spüren werden, ist jedoch fraglich.