Steuerreform in Frankreich

Umverteilung zu Gunsten der Reichen

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Die französische Regierung hat eine Steuerreform angekündigt. Auf 3,5 Milliarden Euro soll der Fiskus verzichten, damit im Wahljahr 2007 die Kaufkraft steigt. Davon erhofft sich die Regierung Impulse für das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigung. Die Opposition geißelt die Reform als den „größten Steuerskandal seit 30 Jahren“.

Als Entlastung des Mittelstands hat der französische Minister für Wirtschaft Thierry Breton die geplante Steuerreform bezeichnet. Bezieher durchschnittlicher Monatseinkommen zwischen 1000 und 3500 Euro seien die Nutznießer dieser Reform, die ab dem 1. Januar 2007 in Kraft treten soll. Deren Steuerlast sinke um zehn Prozent. Doch vor allem die Spitzenverdiener werden nicht vergessen. Die konservative Pariser Regierung will den Spitzensteuersatz bei der Einkommenssteuer von 48 auf 40 Prozent senken. Dazu sollen die kumulierten Einkommens-, Vermögens- und Gemeindesteuern beschränkt werden. „Kein französischer Steuerzahler kann dann mehr als 60 % seines Einkommens als direkte Steuern bezahlen“, will Breton ein „Steuerschutzschild“ hochziehen.

Erreicht werden soll mehr Steuergerechtigkeit und eine Anpassung an den „europäischen Durchschnitt“. Der Wirtschaftsminister meint, die Reform „vereinfache und mache die Steuer gerechter und effizienter“. Für Beträge, die von der Steuer abgesetzt werden können, soll eine Obergrenze von 8000 Euro festgelegt werden. Damit will die Regierung der Kritik der Opposition und der Gewerkschaften schwächen, welche die Reform als „Geschenk an die Reichen“ und als „Absage an die Steuerprogression“ verurteilen. Zugleich müssen nicht einzelne Subventionen oder Steuerschlupflöcher abgebaut werden, mit der Obergrenze kann einfach nicht mehr abgesetzt werden.

Die Entlastung für die unteren Einkommensbezieher fällt deutlich geringer aus. Der Eingangssteuersatz fällt von 6,83 auf 5,5 Prozent. Doch es wäre gerade diese Gruppe, die einen Kaufkraftschub nötig hätte.

In der Tageszeitung Liberation rechnen die oppositionellen Sozialisten (PS) vor, wer die Nutznießer der Reform sein werden:

Ein Lediger, der 180.000 Euro im Jahr verdient, kann eine Steuersenkung von 4,206 Euros erwarten. Ein Lediger mit 36.000 Euro Jahresverdienst wird gerade einmal 174 Euro mehr haben.

Deshalb nannte der PS-Führer und Ex-Wirtschaftsminister Dominique Strauss-Kahn die Reform „den größten Steuerskandal der letzten 30 Jahre“. Bei Einkommen der zweiten Progressionsstufe, die zwischen 10.847 und 24.431 Euro liegen, lohnt sich ein Vergleich kaum, um nicht von den minimalen Vergünstigungen in der ersten Progressionsstufe zu sprechen. Die Gewerkschaften betonen, 50 Prozent der Franzosen lägen wegen ihres geringen Einkommens ohnehin unter der Steuerfreigrenze und gingen erneut leer aus. Dass Aufkommen dieser einzigen progressiven Steuer in Frankreich ist ohnehin bescheiden. Den größten Teil nimmt der Staat über Mehrwert-, Mineralöl- und Tabaksteuer ein, die über dem deutschen Niveau liegen und damit auch Geringverdiener härter treffen. Angesichts der hohen Spritpreise, 60 % davon sind Steueranteil, verzeichnet der französische Staat derzeit hohe Mehreinnahmen. Das Land schafft es damit, nicht erneut gegen den EU-Stabilitätspakt zu verstoßen. Statt der angepeilten 2,9 % Staatsdefizit wird aber wohl nur die punktgenaue Landung auf 3,0 % erreicht. Dass Steuergeschenke ins Jahr 2007 fallen, hängt mit den Parlamentswahlen in dem Jahr zusammen. Staatspräsident Jacques Chirac und seine Konservativen hoffen wohl, dass sich das Wahlvolk nicht daran erinnert, dass Chirac bis 2007 Steuererleichterungen von 30 % versprochen hatte. Ob die Rechnung aufgeht, darf angesichts des Ergebnisses beim Referendum über den EU-Staatsvertrag und der fallenden Glaubwürdigkeit der Regierung bezweifelt werden (Das NON triumphiert). Neben der Steuerreform treiben auch andere Maßnahmen der Regierung die Franzosen wieder zum Protest. Da ist der neue „Vertrag über Neueinstellung“ (CNE), der den Kündigungsschutz bei Kleinbetrieben bis 20 Beschäftigten in den ersten zwei Jahren weitgehend aufhebt. Dazu soll der Druck auf Arbeitslose erhöht werden, geringer bezahlte Stellen zu akzeptieren. Empfindliche Kürzungen des Arbeitslosengeldes blühen denen, die einen Job ablehnen. Im Internet zirkulieren bereits neue Streikaufrufe mit denen die politische Klasse am 4. Oktober zum Ende der Sommerpause empfangen werden soll.