Störe meine Schaltkreise nicht!
Niederländischen Forschern ist die beeinflussungsfreie Messung von Zuständen supraleitender Quantenbits gelungen
Quantencomputer (vgl. Grundlagenforschung für Quantencomputer) unterscheiden sich in einer ganzen Reihe Details von elektronischen Rechnern - nicht zuletzt darin, dass ihr Funktionsprinzip nicht auf einer bestimmten Teilchenart beruht. Stattdessen bilden ungewöhnliche Zustände der Materie ihre Grundlage, bei denen bestimmte Eigenschaften eines Systems - des Qubits - auf magische Weise mit den Eigenschaften der anderen Qubits korrelieren. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer Verschränkung - die Qubits scheinen zu wissen, was mit ihren Kollegen passiert.
Führt man nun gewisse, mathematisch interpretierbare Operationen an einer Anzahl miteinander verschränkter Qubits aus, dann zeigt das System (das hat die Quantenphysik längst bewiesen) nicht nur eine einzige Lösung, sondern alle möglichen Lösungen auf einmal. Gerade dadurch können Quantencomputer so schnell rechnen, dass sie unter anderem jede herkömmliche Kryptografiemethode irrelevant machen würden - 30 erfolgreich miteinander verschränkte Qubits reichten bereits, um mit klassischen Computern zu konkurrieren.
Jedenfalls in der Theorie, denn zur erfolgreichen Realisierung eines praktisch einsatzfähigen Quantencomputers fehlen den Forschern noch diverse Voraussetzungen - unter welchen Bedingungen diese sich schaffen lassen, haben US-Forscher in einer zuletzt 2004 aktualisierten Roadmap zusammengefasst.
Leider sind Qubits äußerst fragil. Schon die Messung ihrer Eigenschaften zerstört unter normalen Umständen die Kohärenz des Systems. Zusätzlich erschwert den Wissenschaftlern die Arbeit, dass sie es meist mit winzigsten Bestandteilen zu tun haben. Da bereits ein System aus 30 Qubits es mit einem klassischen Computer aufnehmen könnte, ist fortschreitende Miniaturisierung anders als bei der Elektronik nicht der Königsweg. Qubits, die von besser handhabbaren Systemen gebildet werden, genossen deshalb jüngst besondere Aufmerksamkeit.
Flux-Qubits
Ein solches, auch im (beinahe) makroskopischen Bereich nutzbares Quanten-Phänomen ist die Supraleitung. Es ist bereits gelungen, die Zustände zweier supraleitender Qubits parallel auszulesen (vgl. Supraleitende Quantenbits simultan auslesen). Damit realisierte Qubits (vgl. Supraleitende Schalter) basieren auf so genannten Josephson-Kontakten. Josephson-Grenzen zeichnen sich dadurch aus, dass hier supraleitende Tunnelströme durch eine dünne nicht- oder halbleitende Schicht hindurch auftreten - bis zu einer kritischen Stromgrenze.
Als Speichermedium dient in diesem Fall nicht der Stromfluss, sondern die Polarität des magnetischen Flusses, die Qubits nennt man deshalb auch "flux qubits". Holländische Forscher der TU Delft berichten nun im Wissenschaftsmagazin Nature Physics, wie sie die Eigenschaften von Flux-Qubits auslesen konnten, ohne sie für weitere Berechnungen unbrauchbar zu machen.
QND-Messungen und Einweg-Quantencomputer
Die Durchführbarkeit solcher so genannter QND-Messungen (Quantum Non-Demolition) ist für die Konstruktion eines Quantencomputers ganz essenziell. Die Delfter Physiker koppeln dazu ihr Qubit mit einem ebenfalls supraleitenden Detektor, einem SQUID (Superconducting Quantum Interference Device), der den magnetischen Fluss registriert und damit zwischen den einzelnen Zuständen des Qubits diskriminiert. Im Experiment weisen sie nach, dass die Messung die Wahrscheinlichkeit kaum beeinflusst, mit der das Quanten-Bit bestimmte Werte annimmt. Hundertprozentig ausschließen kann das Verfahren Störungen aber noch nicht: Die Forscher berechnen eine Genauigkeit von 88 Prozent.
Den entgegengesetzten Weg beschreitet derweil das Wiener Quantencomputerteam um Anton Zeilinger (vgl. "Es stellt sich letztlich heraus, dass Information ein wesentlicher Grundbaustein der Welt ist"). Dass eine Messung die Quantenzustände beeinflusst, sehen die Forscher nicht als Nachteil, sondern geradezu als Funktionsprinzip ihres so genannten Einweg-Quantencomputers. Das Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlichte Anfang Januar einen Aufsatz, in dem Zeilinger & Co. ihre Fortschritte beschreiben.
Die Idee ist bereits fünf Jahre alt und beruht auf einem sehr komplexen System photonischer Qubits. Hier garantiert allein die Auswahl der Messmethode, dass der Quantencomputer das richtige Ergebnis ausgibt. Dabei gehen Qubits verloren, was durch ihre große Anzahl ausgeglichen wird. Bisher war allerdings jeder einzelne Messschritt fehlerbehaftet und das Gesamtergebnis damit zufällig. Diese Fehler korrigiert Zeilingers Gruppe nun sofort - mit dem Ergebnis, dass auch das Resultat nicht mehr zufallsbehaftet ist.