Straßenblockaden von Klimaaktivisten: Rebellion oder Happening?:
Seite 2: Warum Klimaaktivisten zu ihrem Aktivismus stehen sollten, es aber nicht tun.
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Der Spruch kleiner Geister zu Halloween "…und wollt ihr uns nichts geben, dann bleiben wir hier kleben" bekommt in Zeiten des Klima-Aktivismus eine ganz neue Bedeutung. Vertreter der Gruppe "Letzte Generation" pappen sich ja zuletzt mit Sekundenkleber wahlweise an kreidezeitlichen Skeletten, neuzeitlichen Autos oder barocken Gemälden fest.
Zur Einordnung: Im zeitgenössischen Klima-Aktivismus sind solche Aktionen auf der Radikalenskala zwischen Fridays for Future ("Wir sitzen hier nur") und Extinction Rebellion ("Aaaargh, das Ende ist nah!") zu verorten.
Doch auch bei den mittelradikalen Klimaklebern gibt es nun Ärger. Denn Vertreter der "Letzten Generation" haben auf der Berliner Stadtautobahn einen Stau provoziert, durch den Rettungskräfte nach eigenen Angaben verspätet zu einem nahen Unfallort kamen. Dort war eine Fahrradfahrerin von einem Betonmischer überrollt worden.
Das Ganze muss ziemlich dramatisch gewesen sein: Die 44-Jährige kam mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus. Der 64-jährige Fahrer des Betonmischers wurde von einem Unbekannten mit einem Messer schwer verletzt.
Die Klimaaktivisten versuchten in Folge die Gratwanderung. "Es bestürzt uns, dass heute eine Radfahrerin von einem LKW verletzt wurde. Wir hoffen inständig, dass sich ihr Gesundheitszustand durch die Verspätung nicht verschlimmert hat", so Carla Hinrichs von der Letzten Generation.
Aimée van Baalen, Sprecherin der Gruppe, meinte: "Wir unterbrechen den Alltag nicht leichtfertig. Wir wünschten, eine solche Störung wäre nicht notwendig, um die Regierung in der Klimakrise zum Handeln zu bewegen. Wir haben uns für dieses Mittel des Protests entschieden, da alle zuvor gelagerten Mittel wie Demonstrationen und Petitionen nicht den notwendigen Erfolg gebracht haben."
Hat die Regierung Scholz also Schuld an möglichen Schäden der verunglückten Radfahrerin in Berlin? Juristisch wohl kaum. Nach Angaben eines Berliner Justizsprechers wird deswegen auch gegen einen 63-Jährigen und einen 59-Jährigen wegen unterlassener Hilfeleistung beziehungsweise der Behinderung hilfeleistender Personen ermittelt.
Für die Aktivisten eine Chance, sich ehrlich zu machen. Wenn sie den Weg des zivilen Ungehorsams gehen, sollten sie auch die Verantwortung dafür übernehmen – und zwar uneingeschränkt, also moralisch, argumentativ und strafrechtlich.
So aber verbleibt der Protest der Klimakleber in einem unbestimmten Raum zwischen bedingungsloser Rebellion und Protest-Happening, bei dem man maximal Sekundenkleber an den Handflächen und ein Bußgeld riskiert, das mit der nächsten Crowdfunding-Kampagne locker beglichen werden kann.
Die Argumentation einiger Aktivisten der sehr unterschiedlich ausgeprägten Klimabewegung ist insofern inkohärent. Zugespitzt formuliert: Wer nach eigenen Angaben das Ende der Menschheit in der Zukunft verhindern will, muss heute eben tote Radfahrerinnen und LKW-Fahrer in Kauf nehmen. Das sollten sich die Fahrbahnblockierer eingestehen. Der Fall in Berlin hat dieses Dilemma ein wenig ins Bewusstsein der Protest- und der Verkehrsteilnehmer gerückt.
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