Streit um das neue Mur-Wasserkraftwerk in Puntigam

Murkraftwerk Graz. Bild: Energie Steiermark / Scenomedia

In Graz kämpft man mit falschen Zahlen gegen ein neues Laufwasserkraftwerk

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Wasserkraftwerksneubauten haben einen schweren Stand, wie man zuletzt an der Projekteinstellung des PSW Atdorf im Hotzenwald gesehen hat (vgl. Das Ende des Pumpspeicherwerks Atdorf im Hotzenwald). Bei geplanten Kleinanlagen wie im Münstertal, südlich von Freiburg, macht das plötzliche Auftauchen eines Flusskrebses die gesamte Planung zunichte. Bei größere Kraftwerksbauten wird inzwischen vielfach äußerst massiv gegen den Neubau vorgegangen.

Dies fällt derzeit in Graz besonders auf, wo ein Laufwasserkraftwerk an der Mur errichtet wird. Da wird mit harten Bandagen gegen den Neubau gekämpft. So wirft beispielsweise die Initiative Aktive Arbeitslose Österreich der Stadtregierung von Graz vor, das Gedenken an das Lager Liebenau auslöschen zu wollen.

Am Kraftwerksstandort war in der Zeit des Dritten Reichs nämlich das NS-Lager Liebenau, das in den letzten Kriegstagen Zwischenstation für tausende Juden aus Ungarn beim Todesmarsch zum KZ Mauthausen war. Sicher ist es nicht nur sinnvoll sondern geradezu notwendig, die Geschichte aufzuarbeiten. Da stellt sich jedoch die Frage, warum dies erst jetzt geschieht.

Wenn man der Energie Steiermark, dem hauptbeteiligten Bauherrn des Mur-Kraftwerks jetzt vorwirft, mindestens 160 Millionen Euro in ein unwirtschaftliches Wasserkraftwerk zu investieren "samt Zentralem Speicherkanal" - und das alles nur um "den Investmentfonds der australischen Investmentbank Maquarie bei Laune zu halten", dann schießt man ganz offensichtlich weit über das Ziel hinaus.

Auf der einen Seite würde man den australischen Investor mit einem unwirtschaftlichen Wasserkraftwerk mitnichten bei Laune halten können. Auf der anderen Seite werden bei der Kostenangabe von 160 Millionen Euro zwei sachlich grundsätzlich zu trennende Baumaßnahmen in einen Topf geworfen. Wenn man nämlich genau hinschaut, geht es beim Mur-Kraftwerk der Energie Steiermark und dem Speicherkanal, der von der Holding Graz errichtet wird, um zwei durchaus getrennte Baumaßnahmen.

Der Zentrale Speicherkanal

Die Stadt Graz steht vor dem Problem, dass man im Stadtgebiet aus historischen Gründen zu großen Teilen ein sogenanntes Mischwassersystem für die Abwasserentsorgung verlegt hat. Dabei wird das Schmutzwasser gemeinsam mit dem Oberflächenwasser, das bei Regen anfällt, der Kläranlage zugeführt. Bei Starkregen kann die Kläranlage, die nur 3 Kubikmeter pro Sekunde aufnehmen kann, die dann anfallenden Wassermengen nicht mehr erfassen.

Daher gibt es im Stadtgebiet bislang 37 Entlastungsbauwerke, über welche bei starkem Wasseranfall das ungeklärte Abwasser aus der Mischkanalisation in die Mur abgelassen wird. Dies entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen und daher baut die Holding Graz den Zentralen Speicherkanal, der 2,50 Meter hoch und 3,20 Meter breit sowohl im Oberwasser, als auch im Unterwasser gedeckelt in der Mur errichtet wird und dann zur Kläranlage geführt wird.

Das Mur-Kraftwerk der Energie Steiermark

Mit dem Mur-Kraftwerk hat der Zentrale Speicherkanal nur den Bauzeitpunkt gemein - und die Nutzung der Bau-Infrastruktur sowie die Versorgung mit Beton, die für beide Baustellen gemeinsam organisiert werden kann und daher günstigere Preise ermöglicht. Nun ist die Mur schon bislang ein intensiv mit Wasserkraftwerken verbauter Fluss. Allein die österreichische Verbund AG betreibt an der Mur im Bereich der Steiermark zwanzig Wasserkraftwerke.

Von den Gegnern der Wasserkraftanlage in Graz wird der Energie Steiermark AG vorgeworfen, dass der Betrieb der Wasserkraftanlage im Vergleich zum langfristigen Börsenstrompreis nicht wirtschaftlich wäre und dass für den Bau des Kraftwerks und des Zentralen Speicherkanals zu viele Bäume abgeholzt werden müssten. Was von den Kritikern dabei meist übersehen wird, ist die Tatsache, dass die Mur im Stadtgebiet von Graz heute wenig naturnah als Kanal geführt wird, der im Stadtbild höchstens durch die Brücken auffällt. Durch den Einstau wird die Mur wieder ins Stadtbild zurück geholt.

Wasserkraft hat einen schweren Stand

Wasserkraftanalgen waren zwar gerade im Bergland der Ausgangspunkt der Stromversorgung. Da sich die Besiedelung meist auch an den Gewässern orientierte, war dies in den Anfangszeiten eine gute und wirtschaftlich erfolgreiche Kombination. Mit dem steigenden Stromabsatz wurden die Wasserkraftanlagen so ab Mitte der 1920er-Jahren jedoch vielfach zu leistungsschwach und die Stromerzeugung wurde von zentralen Wärmekraftwerken übernommen, die ihre Brennstoffe kostengünstig über Binnenschiffe oder direkt von den Kohlebergwerken angeliefert bekommen konnten.

Bis in die 1970er-Jahre wurden viele Wasserkraftstandorte aufgegeben. Erst danach kam wieder Interesse an der dezentralen Wasserkraftnutzung auf. Inzwischen sind fast alle Standorte ausgebaut und der Ausbau zusätzlicher Standorte lohnt sich nur noch dann, wenn man den Strom direkt vermarkten kann und nicht über die Börse verkaufen muss.

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