Studie: Bayern und Baden-Württemberg sind deutlich innovativer als der Rest der Bundesrepublik
Berliner "Gründerboom" täuscht
Das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) hat einen Innovationsatlas 2017 veröffentlicht, für den ein Team um den Volkswirtschaftler Oliver Koppel anhand von fünf Kriterien errechnete, wie innovativ oder nicht innovativ man in deutschen Regionen ist. Bei den fünf Kriterien handelt es sich um die Ausgaben von Unternehmen für Forschung und Entwicklung, die Zahl der Patentanmeldungen, die Zahl technologieorientierter Neugründungen, den Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in technisch-naturwissenschaftlichen Akademikerberufen je 1.000 Einwohner und die Versorgung mit Breitbandinternet.
Obwohl Deutschland für die Untersuchung nicht nur in seine 16 Bundesländer, sondern in 85 Regionen untergliedert wurde, zeigen sich auch bei den Ländern gravierende Unterschiede, weil sich Bayern und Baden-Württemberg deutlich von anderen Bundesländern unterscheiden. In Stuttgart (wo Daimler sitzt) und in Ingolstadt (wo Audi produziert) erreicht der Anteil der Patentanmeldungen pro Einwohner dem Institut zufolge sogar nordkalifornische Größenordnungen. Das zeigt Koppels Ansicht nach, wie wichtig die Automobilindustrie für Deutschland ist.
Nordrhein-Westfalen und Berlin enttäuschen
In Nordrhein-Westfalen, dem ehemaligen industriellen Herz Deutschlands, hat man es dagegen auch nach gut 40 Jahren Strukturwandel anscheinend nicht geschafft, einen tragfähigen Ersatz für die sterbende Kohle- und Stahlökonomie zu entwickeln. Dem IW Köln nach laufen "selbst die ländlichen Regionen Baden-Württembergs und Bayerns […] den Städten in NRW meist den Rang ab". Das führt dazu, dass viele junge Leute nach ihrem Abitur oder ihrem Studium in die Innovationszentren im Süden abwandern - allem voran Ingenieure.
Weil die IW-Forscher nicht alle, sondern nur "innovationsspezifische" Firmengründungen als Innovationsfaktor gelten ließen, schnitt auch Berlin schlecht ab. Die Studie sagt zwar nicht explizit, dass viele der Gründungen in der Hauptstadt den volkswirtschaftlichen Wert der "Sauna" haben, für die die Kleinkriminellen im Film Trainspotting 2 EU-Fördergelder abgreifen, legt aber eine entsprechende Schlussfolgerung nahe.
In einzelnen Bereichen glänzen aber auch Regionen, die nicht in Bayern oder Baden-Württemberg liegen: In Berlin, Hamburg, Hannover und im nördlichen Rheinland ist die Versorgung mit Breitbandinternet besser als in den meisten Teilen Bayerns. In Wolfsburg (wo VW sitzt), in Gütersloh (wo der Bertelsmann-Konzern zuhause ist) und im Raum Remscheid-Solingen-Wuppertal reicht der Wert für Forschungs- und Entwicklungsausgaben in Prozent der jeweiligen Bruttowertschöpfung für die (allerdings sehr weit gefasste) Spitzengruppe. Und einen hohen Anteil von MINT-Stellen gibt es nicht nur in Stuttgart oder München, sondern auch in Dresden.
Mögliche Konsequenzen
Als politische Konsequenz aus ihrer Studie schlagen die Wirtschaftswissenschaftler vor, dass Regierungen Ausgaben für Forschung und Entwicklung im Steuerrecht stärker entlastend berücksichtigt, damit Unternehmen mehr Anreize haben, darin zu investieren. Weiteren Handlungsbedarf sehen sie bezüglich einer besseren Internetversorgung - vor allem in der ehemaligen DDR außerhalb der Hauptstadt und ihres Umlands, aber auch in Schleswig, in der Eifel, in Teilen Hessens und im vom Rest des Freistaats etwas abgehängten Bayerischen Wald.
Eine andere mögliche Konsequenz aus den jetzt vom IW Köln festgestellten aber schon vorher fühlbaren Unterschieden scheinen immer mehr Bürger in Bayern und Baden-Württemberg zu ziehen: In einer letzte Woche veröffentlichten YouGov-Erhebung im Auftrag der Bild-Zeitung stimmten in Bayern 32 Prozent der Teilnehmer dem Satz "Mein Bundesland sollte unabhängig von Deutschland sein" zu. In Baden-Württemberg, wo es auch Einwohner gibt, die sich eine Angliederung an die Schweiz wünschen, liegt der Anteil der Unabhängigkeitsbefürworter bei 19 Prozent (vgl. Umfrage: Fast ein Drittel der Bayern für Austritt aus der Bundesrepublik).
Der Gröbenzeller Rechtsanwalt Thomas Hummel glaubt nicht, dass der extrem kurz gehaltene Beschluss dreier Verfassungsrichter, im letzten Jahr eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung einer Volksabstimmung über den Austritt Bayerns aus der Bundesrepublik Deutschland nicht zur Entscheidung anzunehmen (vgl. Beschwerde zu Volksabstimmung über bayerische Unabhängigkeit nicht angenommen), einer Austrittsmöglichkeit seines Bundeslandes wirksam entgegensteht. In seiner Abhandlung dazu stellt er unter anderem fest, dass "die frühere Ansicht eines 'Rechts auf territoriale Integrität' […] ein Relikt des Kalten Kriegs [ist], in dem man sich bemühte, den Status quo zu erhalten, um die Stabilität der Machtblöcke nicht zu gefährden", weshalb es in der juristischen Literatur heute nur mehr sehr zögerlich vertreten wird.
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