Studie: Medienkritik in martialischer Sprache
Unternehmer und Manager zeigen sich über die Presse und ihre Berichterstattung empört
Medien berichten alle gleich, sie setzen zu viel auf Meinung, sie bringen zu wenige Analysen, sie kürzen Interviews so, dass Sinnzusammenhänge auseinandergerissen werden, sie verfälschen bewusst. Was sich anhört nach einer Medienkritik, wie sie beispielsweise auf einer Pegida-Demonstration zu hören sein könnte, stammt in Wirklichkeit von großen Unternehmern und Spitzenmanagern.
Die Wirtschaftselite stellt sich in die Reihe der Medienkritiker. Das hat eine interessante Studie des Göttinger Instituts für Demokratieforschung herausgefunden. Im Interview mit Telepolis erklärt die Politikwissenschaftlerin Stine Marg, die die Studie mitgestaltet hat, wie das Untersuchungsergebnis zu Tage gefördert wurde. In der Studie ging es eigentlich gar nicht um das Verhältnis von Unternehmern und Managern zu den Medien. Die Spitzenwirtschaftskräfte haben von alleine die Medienkritik in die Studie eingebracht.
Sprachlose Elite? Wie Unternehmer Politik und Gesellschaft sehen lautet der Titel einer vor kurzem veröffentlichten Studie des Göttinger Instituts für Demokratieforschung, die sich vorgenommen hat, Deutschlands Unternehmer und Manager auf den Zahn zu fühlen. Wie ticken sie, wie handeln sie, was denken sie?
In umfangreichen Gesprächen gewährten Verantwortliche in großen Unternehmen den Wissenschaftlern Einblicke darin, wie sie die Welt sehen und wahrnehmen. In vielen der Gesprächen führte die Frage, welcher Medien sich die Unternehmen bedienen, um sich über das Nachrichten und Weltgeschehen zu informieren, zu einer Einlassung in Sachen Medien, die die Studienmacher nicht eingeplant hatten. Deutlich wird: Auch die interviewten Angehörigen des Unternehmertums hinterfragen die Berichterstattung der Medien kritisch und sind hoch unzufrieden mit ihnen. Gleichzeitig erkennen sie aber auch die wirtschaftlichen Probleme, die es in den Medien gibt und verweisen auf eine miserable Entlohnung der Journalisten.
Die Medien sind die Hauptfeinde der Wirtschaftselite
Frau Marg, in Ihrer Studie ist zum Vorschein gekommen, dass Unternehmer und Manager kein gutes Bild von den Medien haben. Wie ist es zu diesem Forschungsergebnis gekommen? Sie haben nicht explizit in Ihrer Studie die Teilnehmer nach ihrem Verhältnis zu den Medien befragt, oder?
Stine Marg: Jein. Also, Sie haben insofern recht, dass die Medien ursprünglich innerhalb der Studie kein genuines Forschungsinteresse waren. Was wir jedoch in jedem Interview eingeplant hatten, war die Frage danach, mit Hilfe welcher Medien sich der jeweilige Gesprächspartner über Politik und Gesellschaft informiert. Doch auch ohne diese explizite Thematisierung der Medien durch den Interviewer, kamen die meisten Befragten von sich aus auf deren mangelnde Qualitäten zu sprechen.
Also war es offensichtlich den Unternehmern und Managern ein Bedürfnis, sich auch zu den Medien zu äußern?
Stine Marg: Offensichtlich. Die Medien wurden von vielen Unternehmern und Managern recht früh im Gespräch für zahlreiche gesellschaftliche Fehlentwicklungen verantwortlich gemacht und dafür auch hart abgestraft. Überdies äußerten viele Manager die Befürchtung, dass die Medien einen zu großen negativen Einfluss auf die Meinungsbildung der breiten Bevölkerung ausüben würden.
"Nicht Gewerkschaften, nicht sozialdemokratische Parteien, nicht einmal die Linke oder unerbittlich quengelnde NGOs sind die Hauptfeinde der Wirtschaftselite, sondern 'die Medien'", heißt es in Ihrer Studie. Das klingt hart. Was haben die Manager und Unternehmer gesagt?
Stine Marg: Medien pauschalisierten, skandalisierten oder profanisierten. Einige sprachen davon, dass Menschen regelrecht "gejagt" würden und es kaum mehr einen Schutz der Privatsphäre gebe. Interessant ist, dass die Befragten in Bezug auf die Medien auch eine sehr harte und martialische Sprache verwendeten, mit der sie sonst eher zurückhaltend waren.
Was haben sie sonst noch zu den Medien gesagt?
Stine Marg: Beinahe alle Befragten waren sich darüber einig, dass die Medien zu viel "Meinungen" produzierten beziehungsweise reproduzierten und zu wenig "Analysen" brächten, also die Zuschauer, Leser oder Hörer nicht adäquat und sachlich informiert würden. Viele nehmen die Medien auch sehr einheitlich wahr und behaupteten, dass alle das Gleiche schrieben. Überdies haben sie - und dies gilt mehr für die von uns befragten Manager als für die Unternehmer - schon schlechte Erfahrungen mit Medien gemacht, beziehungsweise wissen aus ihrem Unternehmern darüber zu berichten. So seien beispielsweise Interviews gekürzt und Sinnzusammenhänge auseinandergerissen worden, worüber sich die Wirtschaftselite heftigst empörte. Aus Angst vor dieser, aus Sicht der Befragten, bewussten Verfälschung, - der Medienvertreter würde sicher formulieren, vor dem kritischen Journalisten -, flüchtet ein Großteil der Unternehmer vor den Medien und taucht weitestgehend lieber in die Anonymität ab.
Haben die Unternehmer und Manager pauschal die Medien kritisiert, oder haben Sie differenziert, zum Beispiel nach den Öffentlich-Rechtlichen und den Privaten?
Stine Marg: Die öffentlich-rechtlichen Medien haben keinesfalls eine größere Reputation bei den Managern und Unternehmern. Das trifft im Übrigen auf alle Formate zu. Wir hatten nicht den Eindruck, als gäbe es für die Wirtschaftselite noch eine Art Leitmedium, das sie bevorzugt konsumieren und dem sie vertrauen. Nach eigenen Aussagen informierten sie sich im Netz, hörten Radio oder sähen fern. Man lese ebenso Boulevard- wie regionale Zeitungen, surfe bei den verschiedensten Internetblogs vorbei, blättere in der "Zeit", habe möglicherweise die "Süddeutsche" im Abo, während das Handelsblatt im Büro läge und im Flugzeug lese man das, was einem die Stewardess in die Hand drückt.