Studie: Vertrauen in ARD und ZDF auf Alllzeittief
Seite 3: Verbesserung hinsichtlich der Entfremdung gegenüber großen Medien?
- Studie: Vertrauen in ARD und ZDF auf Alllzeittief
- Covid-Nebenwirkung: Schwindendes Vertrauen in etablierte Medien
- Verbesserung hinsichtlich der Entfremdung gegenüber großen Medien?
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Während also die Studien-Verantwortlichen einerseits die Verfestigung eines Kernbestandes von Menschen als "Medienzyniker" beschreiben, die vor allem etablierten Medien "feindselig und ablehnend" gegenüberstünden, sei andererseits hinsichtlich einer allgemeineren "Entfremdung" gegenüber großen Medien "Verbesserung" zu beobachten, womit offenbar gemeint ist, dass diese Mess-Werte für weite Teilen der Bevölkerung sänken.
Das betrifft laut Daten der Studie vor allem (aber nicht nur) Leute, die sich den Ampel-Regierungsparteien verbunden sehen: Das Maß der Entfremdung sei gesunken zwischen 2018 und 2022 gerade bei Grünen-Anhängern (von 39 Prozent auf zwölf Prozent um 27 Prozentpunkte, auch hier der absolute Spitzenwert), bei SPD-Anhängern (von 40 Prozent auf 23 Prozent um 17 Prozentpunkte) und bei FDP-Anhängern (von 50 Prozent auf 35 Prozent um 15 Prozentpunkte).
Aber selbst bei der CDU/CSU-Anhängerschaft wurden 14 Prozentpunkte Entfremdungsminderung gemessen (von 46 Prozent auf 32 Prozent), und sogar bei der Linken-Klientel (5 Prozentpunkte weniger, von 45 Prozent auf 40 Prozent) und selbst bei jener der AfD (zwei Prozentpunkte weniger, von 79 Prozent auf 77 Prozent).
Insofern wenig verwunderlich, dass insgesamt der Faktor "Entfremdung den Medien gegenüber" als nunmehr deutlich geringer gemessen werden kann: Mehrere gravierende Krisen und einen Regierungswechsel später im Vergleich zu 2018 haben sich bestimmte Synchronisierungen zwischen Regierungspolitik, etablierten Medien und offenbar weiteren Teilen der Publika hierzulande als noch 2015 oder 2017 anscheinend messbar verstärkt.
Gerade in der aktuellen Militärpolitik gibt es ja eine riesengroße Koalition und parlamentarische Mehrheiten weit über die faktischen Regierungsparteien hinaus. Was nicht unbedingt repräsentativ sein muss für die tatsächliche Stimmung der Menschen hierzulande – Stichworte: Wer beteiligt sich noch an Wahlen, oder eben auch an solchen Umfragen?
Es dürfte bestimmte, womöglich nicht gerade geringe, aber öffentlich kaum sichtbare Teile der Bevölkerung geben, die sich weitgehend aus den herrschenden politischen und publizistischen Abläufen verabschiedet haben.
Heiko Hilker, MDR-Rundfunkrat und Medienexperte aus Dresden, sagt zu dieser Studie und insbesondere zum gerade skizzierten Problembereich, dass hier weniger Vertrauen in Medien gemessen werde, sondern die Ergebnisse vielmehr eine allgemeine Haltung zur jeweiligen Regierung deutlich machten.
Wichtiger seien etwa Fragen, wie sie in früheren Studien noch gestellt wurden: Inwieweit Medien wahrheitsgemäß berichteten, ihre gesellschaftlichen Aufgaben erfüllten, die Wirklichkeiten der Menschen wiedergeben würden.
Hilker weist darauf hin, dass in derselben Fachzeitschrift Media Perspektiven, die auch die aktuelle Studie veröffentlichte, bereits im November 2017 ein Artikel zum Thema "Medienvertrauen und Informationsverhalten von politischen Zweiflern und Entfremdeten" erschien, mit folgender Zusammenfassung durch die Verfasser:
Dabei zeigt sich, dass Medienvertrauen in einem deutlichen Zusammenhang mit der generellen Unzufriedenheit mit dem politischen System und der Wahrnehmung einer geringen politischen Wirksamkeit steht. Je stärker die Zweifel am politischen System sowie das Gefühl der eigenen Wirkungslosigkeit ausgeprägt sind, umso kritischer ist das Bild von der Berichterstattung in den klassischen Medien (…). Menschen, die starke politische Zweifel und ein geringes Wirksamkeitsempfinden haben, vertrauen den Printmedien und den öffentlich-rechtlichen Sendern weniger, stattdessen stärker den Informationen in sozialen Netzwerken.
Solcher Tenor scheint skeptische, abweichende Haltungen fast schon als pathologische zu markieren und in der Tendenz auszugrenzen, siehe das Schlagwort "Medienzynismus". Um stattdessen auf den Vorschlag von Michael Haller (s.o.) mit seiner "gesunden Skepsis" gegenüber Medien zurückzukommen: "Kritische Mitte" nennen die Autorinnen und Autoren der Langzeitstudie jene Leute, die typischerweise mit "teils/teils" antworten auf die Frage, inwiefern sie welchen Mediengattungen vertrauen.
Mit dieser Antwort "teils/teils" ist mehr eigene Anstrengung und Abwägung im Einzelfall verbunden. Die entsprechende Haltung scheint unbequemer sowohl für die Einzelnen als auch für ihre Gemeinschaften und für die Gesellschaft. Scheinbar einfacher wäre es, alles zu glauben oder alles zu ignorieren, was gerade große Medien anbieten.
Vielleicht ist daher "kritische Masse" treffender, auch bezüglich des Änderungsbedarfes und mit Blick auf tatsächlich gebrauchswerte Medien. Journalismus als Mittel von Demokratisierung bleibt Aufgabe, nicht zuletzt im Sinne jenes Argumentes, das u.a. (und wohl fälschlicherweise) George Orwell zugeschrieben wird und jedenfalls bedenkenswert bleibt: Journalismus heiße, etwas zu veröffentlichen, was manche Leute gerade nicht veröffentlicht sehen wollen. Alles andere sei Auftragskommunikation, also Werbung oder Marketing, PR oder Propaganda, meist im Sinne der wirtschaftlich Starken und/oder politisch Mächtigen.