Studie: USA können atomare Startrampen Russlands und Chinas in 2 Stunden zerstören

Abschuss eines Tomahawk-Marschflugkörpers.

Abschuss eines Tomahawk-Marschflugkörpers. Bild: U.S. Department of Defense / Public Domain

Moskau, Beijing sind auf der nuklearen Überholspur, heißt es, Washington müsse nachziehen. Studie zeigt das Gegenteil. Über konventionelle Schlagkraft und Risiken.

Nach Ansicht von militärischen Hardlinern in Washington befinden sich die Vereinigten Staaten in einer nuklearen Schwächekrise. China und Russland erweiterten ihre Atomwaffenarsenale und investierten massiv, um diese widerstandsfähiger, präziser und zerstörerischer zu machen – und das beträfe auch die Trägersysteme.

"Amerika darf von keinem übertroffen werden"

Das Pentagon warnt, dass die USA in den 2030er-Jahren erstmals zwei bedeutende Nuklearmächte als strategische Konkurrenten und potenzielle Gegner haben könnten. Nun geht die Angst um, dass man von der gemeinsamen Nuklearmacht China und Russland übertroffen werden könnte.

Das jedenfalls meint ein Bericht der Congressional Strategic Posture Commission an den US-Kongress von letztem Jahr – auch wenn das nicht realistisch ist. Ein Mitglied der Kommission, Matthew Kroenig, erklärte mit einem Zitat von John F. Kennedy: "America needs to be second to none." ("Amerika darf von keinem übertroffen werden").

Mind the Missle Gap

Das Zitat ist – sicherlich unbewusst – ironisch. Denn JFK versprach als neuer Präsident 1958 mit diesen Worten, das sogenannte "missle gap" (interkontinentale Raketenlücke zur Sowjetunion) zu schließen. Damals gab es politische Kampagnen und eine verzerrte mediale Berichterstattung darüber, dass die USA gegenüber den Sowjets bei Langstreckenraketen und damit auch bei der nuklearen Abschreckung weit zurücklägen.

Das stimmte aber nicht, wie sich schnell herausstellte, vielmehr war das Gegenteil richtig. Trotzdem setzte die Kennedy-Regierung das Aufrüstungsprogramm fort.

US-Raketen wieder in Deutschland

In den folgenden Jahrzehnten wurde die militärische Lücke zur Sowjetunion immer wieder angeführt, um die Fähigkeiten des Pentagon zu erweitern. In den späten 1970er-Jahren wurde die Bedrohung zirkuliert, dass Moskau die Möglichkeit erlangen könne, US-Bodenraketen in einem Erstschlag zerstören zu können.

Nach russischen Quellen war das dem Kreml jedoch nicht möglich. Auch der Nato-Doppelbeschluss und die Stationierung von mit Atomsprengköpfen bestückten Pershing-2-Raketen in Westeuropa, insbesondere Deutschland, wurde Ende der 1970er-Jahre, Anfang der 1980er-Jahre mit einer Raketenlücke begründet.

Auch heute heißt es wieder, dass man Russland Paroli bieten müsse. Im Zuge des russischen Ukraine-Kriegs sollen nun erstmals nach dem Ende des Kalten Krieges in Deutschland wieder US-Raketen mit größeren Reichweiten stationiert werden. Das kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz am Rande des Nato-Gipfels im Juni in Washington an. Die Waffensysteme sollen der Abschreckung gegenüber Russland dienen.

Auslöschung in zwei Stunden

Kritiker haben die Logik der nuklearen Aufrüstung, um abzuschrecken, immer wieder infrage gestellt. Denn es mache, so ihr Argument, eine Atommacht – ob nun die USA, China oder Russland – keineswegs sicherer vor einem Atomangriff der Gegenseite, wenn man seine eigenen nuklearen Kapazitäten, die sowohl hinsichtlich eines Erst- wie Zweitschlags bereits extrem hoch sind, noch weiter ausbaut.

Eine neue Studie mit dem Titel "Masters of the Air: Strategic Stability and Conventional Strikes" zeigt zudem, dass einerseits die Annahme einer nuklear-strategischen Übermacht Russlands und Chinas nicht stimmt, im Gegenteil, und andererseits die Aufrüstung die USA und den Westen (und die Welt insgesamt) nicht nur nicht sicherer, sondern unsicherer macht.

Die Autoren schätzen, dass es in Russland etwa 150 und in China rund 70 abgelegene Standorte für Atomwaffenstarts gibt, die sich ungefähr 2.500 Kilometer von der nächsten Grenze entfernt befinden. Diese könnten bei einem Erstschlag durch US-amerikanische JASSM- (Joint Air-to-Surface Standoff Missiles) und Tomahawk-Marschflugkörper aus der Luft in etwas mehr als zwei Stunden erreicht werden, um einen Atomwaffenstart zu verhindern.