Studie zum Gendern: Deutliche Worte, klare Fakten, wohldosierte Emotion

Der Linguist Eckhard Meineke setzt sich mit Genderdebatte auseinander Sein Urteil ist vernichtend, auch für Kollegen. Warum unser Autor von dem Buch begeistert ist.

Als Publizist kann man der Debatte ums Gendern der Sprache nicht entkommen. In Schülerzeitungsjahren habe ich selbst das Binnen-I verwendet und mich später wieder davon losgesagt, heute lehne ich den Genderstern ab. Und zwar aus einem einfachen Grund: Es handelt sich um eine sprachlich unbrauchbare Scheinlösung.

Aber mit dem "generischen Maskulinum" war mir auch nicht wohl. Ich suchte nach Lösungen, befasste mich mit dem Trema-i am Wortstamm, aber nichts wollte so recht funktionieren.

Dabei gibt es die mühelose, den Lesefluss in keiner Weise behindernde Form. Sie liegt auf der Hand und ist nichts anderes als das ‚generische Maskulinum‘. Der emeritierte Professor für die Geschichte der deutschen Sprache Eckhard Meineke liefert in seinem neuen Buch "Studien zum genderneutralen Maskulinum für jeden, der sich seiner auch in der heutigen Zeit bedienen möchte, stichhaltige und sachliche Argumente.

Und die braucht es, denn dass das sogenannte Gendern der Sprache eine freiwillige Sache sei, ist eine Behauptung, die allzu oft nicht zutrifft. Dies belegt schon die im Buch zitierte Aussage: "Gendern ist eine Frage der Moral und des Anstands."

Mit Meineke lässt sich solchen Hütern der Moral nun entgegnen: Ja, ich bin ebenfalls anständig, denn ich verwende das genderneutrale Standardgenus.

Die Polemik der Sprachfeministen

Ganz anders klingt es aus den Gefilden der feministischen Linguistik. "Die deutsche Sprache ist krank und reparaturbedürftig", zitiert der Autor eine ihrer Vorkämpferinnen. Gnadenvoll würden uns, den "Laien", Alternativformen in Fällen erlaubt, in denen das Gendern Texte unlesbar mache.

Ein Laie ist der Sprachwissenschaftler Eckhard Meineke nicht, und das beweist er nachdrücklich mit dieser Publikation. Wortgewaltig mischt er sich in die sogenannte Genderdebatte ein. So dreht sich sein Werk um zwei zentrale Punkte: Erstens, dass das sogenannte ‚generische Maskulinum‘ tatsächlich historisch wie aktuell das genderneutrale Standardgenus sei; zweitens, dass die Genderlinguistik nicht sprachlich begründet, sondern ideologisch-manipulativ sei.

Viele Aspekte in einem Buch

Meineke macht nicht den Fehler, es seinen Gegnern im Hinblick auf Polemik nachzutun. In seinem Buch beleuchtet er die verschiedenen Facetten des Phänomens: Sprachwissenschaftlich am intensivsten, aber auch bezüglich gesellschaftlicher und staatlicher Gesichtspunkte.

So befasst er sich einerseits mit den sprachgeschichtlichen Ursprüngen der Genera und befasst sich in einem eigenen Kapitel mit dem ‚generischen Maskulinum‘ als tatsächlich allumfassende, eben nicht einfach männliche Form.

Anschließend zeichnet er die Rolle der Sprachpolitik nach, beleuchtet die Genus-Systeme in zahlreichen andern Sprachen und beschreibt auf fünfzig Seiten ausführlich die Ursprünge und Beweggründe der feministischen Linguistik. Abschließend werden die geschlechtergerechte Sprache als Instrument der Gleichstellung, sowie ‚Immunisierungsstrategien’ diskutiert.

Das generische Maskulinum ist neutral

Ein Kernpunkt der Debatte ist zweifellos, dass ohne entsprechenden Kontext nur die Movierung – das sogenannte Femininum – spezifisch ist. Das Maskulinum bezeichnet nur Männer dann, wenn es aus dem Kontext heraus tatsächlich diese Aufgabe übernehmen muss, bleibt sonst aber neutral. Es ist damit das genderneutrale Standardgenus.

Dass das Standardgenus als sogenanntes Maskulinum männliche Assoziationen hervorrufen kann, ignoriert Meineke nicht. Das Erkennen dieses Trugschlusses erfordere aber nur geringen intellektuellen Aufwand, der mündigen Bürgern zuzumuten sei.

Allerdings sei dieser naheliegende Trugschluss in den letzten fünfzig Jahren von den Fürsprechern der feministischen Linguistuik gefördert worden, sodass das Missverständnis ‚Maskulinum=männlich’ immer selbstverständlicher als naheliegend korrekt erscheine.

Und so wird inzwischen das Gendern seitens Universitäten, Firmen und öffentlicher Institutionen in nur vorgeblich unverbindlichen Empfehlungen propagiert, gelegentlich sogar ausgerechnet eine der sprachlich unbrauchbarsten Spielarten, die des sogenannten ‚Gendersterns‘ nämlich.

Ebenso sei es trivial, dass das gesprochene ‚Gender Gap‘ ("SpielerInnen") Diversität und Toleranz ausdrücke, schlimmer noch, es beleidige die Toleranz und Intelligenz der Rezipienten und sei reines ‚virtue signalling‘. Die Aktivform (wie "Forschende") ist Meineke zufolge eine unsinnige und falsche, da den Sprachgebrauch unklarer machende, sich anbiedernde Verrenkung zur Vermeidung moralischer Empörung.

Dabei könnte es, am Rande bemerkt, in Sachen Gleichberechtigung sogar positiv sein, wenn man sich in Gedanken korrigierten muss: "Ein Pilot … oh, das muss ja gar kein Mann sein."

Auf knapp 50 Seiten zum Thema Sprachpolitik greift Meineke unter anderem den Online-Duden scharf an und untermauert seine Kritik mit zahlreichen Beispielen. Ausgerechnet einem der Orientierungshilfen der deutschen Sprache schlechthin, dem von vielen sprachliche Deutungshoheit zugesprochen wird, wirft er Dilettantismus, und weit schlimmer noch, ideologisch motivierte Meinungsmache vor. Der Duden hat sich für den Professor damit ins Abseits geschossen.

Was die gesellschaftliche Debatte betrifft, so kritisiert er, dass diejenigen, die Veränderung herbeiführen möchten, in einer Art Umkehr der Beweislast von den anderen fordern, sie sollen das genderneutrale Standardgenus rechtfertigen, ohnehin "sollten sie sich doch nicht so haben" und es gäbe doch wichtigere Probleme. Ihn erstaunt es, dass dieser manipulative Taschenspielertrick tatsächlich funktioniert.

Akademisch sorgfältig erarbeitet

Angesichts der überaus kontroversen Thematik wird eine der Stärken des Buches besonders deutlich. Meineke attackiert seine Gegner mit Verve, belegt aber seine Aussagen sorgfältig und zitiert sauber und reichlich, sodass es schwerfallen wird, seine Analysen als Meinungsmache abzutun.

Wenn er vielzitierte Assoziationsstudien mit der "Maskulinum=männlich"-These als Mummenschanz enthüllt, so weiß er diesen Vorwurf mit einem Scharfsinn zu untermauern, den man sich von den hochbezahlten universitären Machern vieler Studien – unabhängig von der Disziplin – wünschen würde.

Überhaupt ist das Buch erfrischend akademisch: Ungeniert nimmt der Fußnotenapparat gelegentlich über eine halbe Seite ein; Zitate sind ausführlich und aussagekräftig. Und dennoch bleibt es gut lesbar und verständlich.

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