Sturm aufs Kapitol: Warum eine Vorladung Trumps risikoreich ist
Seite 2: Bürgerkriegs-Szenario: Zwei schlechte Möglichkeiten müssen abgewogen werden
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Die Demokraten wollen daher das zeitlich begrenzte Möglichkeitsfenster nutzen, um über den Untersuchungsausschuss zum versuchten Staatscoup und den beabsichtigten Wahlmanipulationen Druck auf die Republikaner zu machen. Doch das ist nicht ohne Risiken. Robert Reich, ehemaliger Arbeitsminister unter US-Präsident Bill Clinton und Professor der University of California in Berkeley, reagierte daher vorsichtig auf die Vorladungsentscheidung:
Eine Vorladung eines ehemaligen Präsidenten sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden wie auch ein Putschversuch, um das Ergebnis einer Wahl zu ändern.
Es ist angesichts der Schwere der Vorwürfe und der Beweislage sicherlich vollkommen richtig und berechtigt, dass Trump vor dem Kongress wegen seiner Taten Rede und Antwort stehen sollte. Doch die politische Lage ist in den USA derart angespannt, mit der realen Aussicht auf einen Bürgerkrieg und gesellschaftliches Chaos, dass jeder Schritt genau abgewogen werden sollte.
Denn würde Trump der Vorladung folgen, könnte er den Ausschuss und die Öffentlichkeit nutzen, um sich zu inszenieren und als Opfer einer Verschwörung des liberalen Establishments darzustellen. Die Strategie, weiter Öl ins Feuer zu gießen, ist eine Methode, mit der Trump immer wieder reüssieren konnte.
Bisher haben die Aufdeckungen zur Verwicklung Trumps und der Republikaner in den versuchten Staatscoup auch keine Anti-Trump- oder Anti-Republikaner-Stimmung im Land ausgelöst. Im Gegenteil, es steht zu befürchten, dass die Republikaner den Kongress bei den Zwischenwahlen zurückgewinnen können.
Wenn sich Trump jedoch verweigert, vor den Ausschuss zu treten, ist nicht auszuschließen, dass die Demokraten als machtlos erscheinen würden. Vor allem, wenn Trump juristisch nicht beizukommen ist. Sollte er jedoch wegen seiner Weigerung im Gefängnis landen, droht die Gefahr des Märtyrertums.
Ähnliche Risiken bestehen, sollte Trump wegen seiner Rolle bei der Erstürmung des Kapitols vor Gericht gestellt werden. Gegenüber Telepolis sagte der renommierte Linguist und US-Intellektuelle Noam Chomsky:
Aus rein rechtlichen Gründen besteht kaum ein Zweifel daran, dass er vor Gericht gestellt werden sollte. Aber die möglichen Folgen dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Beim derzeitigen Zustand, dem gesellschaftlichen Kollaps und der chaotischen Verhältnisse, der nicht zuletzt auf den neoliberalen Angriff zurückzuführen ist, könnte ein Schuldspruch durchaus zu einem verheerenden Bürgerkrieg führen. Die Optionen – Verurteilung ja oder nein – sind beide schlecht. Die Frage, die man sich stellen muss, ist, welche die weniger schlechte ist.
Der Trump-Verbündete Alex Jones hat sich lange für den Widerstand gegen eine friedliche Machtübergabe im Jahr 2021 eingesetzt. Er wurde vom Ausschuss vorgeladen, hat aber die Zusammenarbeit verweigert. Die Journalistin Amy Goodman von Democracy Now sagt vor diesem Hintergrund:
Kann die Demokratie in einer Gesellschaft überleben, die mit Waffen überschwemmt wird, während gewaltverherrlichende Scharlatane wie Donald Trump und Alex Jones zunehmend von den Eliten der Republikanischen Partei unterstützt werden? Es ist unser aller Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sie es tut.
Die entscheidende Frage in dieser Hinsicht ist daher, ob die US-Amerikaner erkennen, welche Gefahren von Trump und den Republikanern ausgehen – und dementsprechend handeln. Nicht nur an den Wahlurnen, sondern auch in ihrem politischen Engagement.
Nur so können der Kongress und die Biden-Regierung dazu gebracht werden, die Reformen einzuleiten, die das Leben für die Mehrheit der Bevölkerung nachhaltig verbessert. Es ist der einzige Weg, die USA vom zerstörerischen Trumpismus zu befreien. Alles andere sind eher kurzfristige Verteidungsmaßnahmen.