Südasien: Auslaufmodell Demokratie

Seite 2: Pakistan, die USA und die Islamisten

In Pakistan sind Hopfen und Malz schon lange verloren, dem Land wachsen die Alltagsprobleme über den Kopf: Wassermangel, Arbeitslosigkeit und ein Bevölkerungswachstum, mit dem die marode Infrastruktur nicht mehr mithalten kann. Dazu kommt, dass es völlig egal ist, ob Premierminister Imran Khan gute Absichten hat und ausnahmsweise mal kein korrupter Politiker ist: Er hat keine finanziellen Mittel, um die Probleme anzugehen.

Über 40 Prozent des Staatshaushaltes frisst die Schuldentilgung, den Rest die wirkliche Macht im Land, nämlich die Armee. Sie ist auch in erster Linie dafür verantwortlich, dass Demokratie keine Chance hatte in Pakistan, dafür aber der Islamismus wachsen konnte, wobei der Westen entscheidend mithalf.

Als sich General Mohammed Zia-ul-Haq 1977 an die Macht putschte, sabotierte er in Pakistan die ersten Schritte Richtung Demokratie. Ohne Frage war das, was der gewählte Premierminister Bhutto in Pakistan ab 1971 zustande gebracht hatte, nur ein Demokratieversuch. Aber der Widerstand der Bevölkerung gegen Zia zeigte, dass der Versuch besser gewesen war als die Aussicht auf eine weitere Armeediktatur.

Dass sich Zia an der Macht gehalten hätte, ist unwahrscheinlich, doch die USA und Saudi-Arabien brauchten ein Bascecamp, um die Sowjets in Afghanistan zu bekämpfen. Zia nahm dankend an. Dass Pakistan durch saudische Dollars mit Madrassas (Religionsschulen) überzogen wurde, war genauso in seinem wie im Sinne der USA: Zia konnte Pakistan weiter islamisieren, weil er ein Anhänger des ultra-orthodoxen Wahhabismus war.

Pakistan - Wassermangel, Arbeitslosigkeit und rückständige Infrastruktur machen jeden Tag zum Überlebenskampf. Foto: Gilbert Kolonko

Dazu durfte Zia ungestraft jeden Anhänger der Demokratie verhaften oder ermorden. Die USA bekamen aus den Madrassas Dschihadisten, die für sie die Drecksarbeit in Afghanistan erledigten. Diese Dschihadisten glauben bis heute, dass sie mit Gottes Hilfe die Sowjets aus Afghanistan vertrieben haben. Dabei waren es vorwiegend Dollars und Stinger-Raketen.

Auch Osama Bin Laden wusste nicht, dass er für die CIA arbeitete, als er im pakistanischen Peshawar die arabischen Freiwilligen für den Dschihad in Afghanistan aufnahm. Kein Wunder, dass Bin Laden anschließend der Meinung war, er könne den Dschihad nun erfolgreich in der ganzen Welt verbreiten. Andere Dschihadisten glaubten, sie könnten nun Kaschmir von Indien befreien, doch ohne die USA im Rücken holten sie sich natürlich eine blutige Nase.

Wenn den damaligen US-Verantwortlichen zugestanden wird, dass sie sich im Kalten Krieg mit der Sowjetunion befanden und deswegen die "paar Islamisten" in Kauf nehmen mussten, dann bitte auch berücksichtigen, dass die USA versucht hatten, die Sowjets nach Afghanistan zu locken: Der damalige Sicherheitsberater Zbigniew Brzeziński gab in einem Interview zu, schon vor der Intervention der Sowjetunion Islamisten in Afghanistan unterstützt zu haben. Rache für Vietnam, lautete das Motto.

Dass die USA nach dem Abzug der Sowjets Afghanistan völlig im Stich ließen, ist jedoch unverzeihlich, denn sie überließen das Land so den Warlords, Islamisten und Dschihadisten. Auch al-Qaida ist eine der unbeabsichtigten Konsequenzen der US-Strategie in Afghanistan, wie es der deutsche Amerikanist Michael Butter ausdrücken würde - und der ist selbst laut Zeit und Welt kein Verschwörungstheoretiker.

Im Jahr 1999 putschte in Pakistan wieder ein General und zertrampelte damit den zweiten Demokratieversuch, der noch weniger Früchte getragen hatte als der erste. General Pervez Musharraf hatte seinerseits schlechte Karten: Pakistan wurde wegen seines Atomprogramms mit Sanktionen bestraft, die Wirtschaft war auf Talfahrt.

Doch zwei Jahre später brauchten die USA mal wieder ein Basecamp für Afghanistan: Musharraf stimmte zu. Die Sanktionen gegen sein Land wurden sofort aufgehoben und der General mit Geld überschüttet.