Syrien: Wer hat den Einfluss, die Kämpfe zu beenden?

Seite 3: Der Kampf gegen "Terroristen"

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Aber auch bei der Berichterstattung, die dann komplementär aufgesucht wird, bei der russischen Nachrichtenagentur Tass oder der syrischen Nachrichtenagentur Sana, gibt es interessensgeleitete Akzentuierungen und Schwerpunkte. So steht für die russische Regierung wie für die syrische ohne Zweifel fest, dass sie es bei der "Islamischen Armee" mit Terroristen zu tun haben, die von der Waffenruhe ausgeschlossen sind.

Das gilt auch für Ahrar Sham und Failaq Rahman: Enge Verbindungen zur al-Qaida werden statuiert, ohne jeden kritischen Zweifel und Relativierungen. Einzig gilt der Grundsatz: Beim Kampf gegen Terroristen ist brutale Gewalt erlaubt. Dass zum Beispiel Jaysh al-Islam, aber auch Ahrar al-Sham immer wieder in Kämpfen mit al-Nusra, bzw. deren Nachfolgeorganisationen geraten sind, wird nicht groß thematisiert.

Wozu auch?

Aus Sicht der Regierung in Damaskus, aus ihrem Überlebensinteresse heraus, ist die Gemeinsamkeit der Gruppen vordringlich: Sowohl Jaysh al-Islam wie Failaq Rahman und Ahrar al-Sham (und al-Nusra sowieso) haben, wie sie es ausreichend mindestens 5 Jahre lang in Ostghouta dokumentierten, zum Ziel, einen Scharia-Staat einzurichten.

Das große Ziel lautete die Regierung Baschar al-Assad abzulösen und diese Ziel wollten sie nicht mit politischen, sondern mit militärischen Mitteln erreichen, dabei nahmen sie keine Rücksicht auf die Zivilbevölkerung, was als Terrorismus zu bezeichnen ist.

Umso mehr als diese Gruppen immer wieder klarmachten, wie sie mit ihren Gegnern umgehen: nämlich äußerst brutal. Hätten diese "Kämpfer" jemals Möglichkeiten gehabt, tatsächlich Damaskus zu erobern, hätten die Racheaktionen an den bisherigen Herrschern und den Alawiten wahrscheinlich grauenhafte Dimensionen angenommen.

Die Achtung der Milizen vor der Zivilbevölkerung

Anschaulich klar machte Jaysh al-Islam, wie groß ihr "Respekt und ihre Achtung" vor der Zivilbevölkerung in Ostghouta ist, als sie 2015 Zivilisten in Käfigen einsperrte und in Vororten von Damaskus paradieren ließ, um Luftangriffe zu verhindern. Angeblich waren es alawitische Familien.

Dass die Miliz Islamische Armee zwischen guter und schlechter Zivilbevölkerung unterscheidet, machte ihr inzwischen getöteter Führer Zahran Alloush unmissverständlich klar, als er von Schiiten in einer Weise sprach, die das Töten von Schiiten wenn nicht gar nahelegt, so doch erleichtert.

Alle drei Gruppen, Jaysh al-Islam, Failaq Rahman und Ahrar al-Sham, hatten zu Zeiten oder haben Bündnisse mit der al-Nusra-Front. Mitglieder von Ahrar al-Sham hatten direkten Kontakt zur al-Qaida. Der al-Qaida-Rekruteur Scheich al-Muhaysini feiert augenblicklich wieder den Dschihad in Ostghouta. Es ist nicht zu leugnen und unübersehbar: Es gibt viele Verbindungen und ideologische Gemeinsamkeiten der Milizen zu al-Nusrah/ al-Qaida.

Aber es gibt auch Unterschiede, wie es auch differenziertere Berichte über die Gruppen und ihr Konkurrenz-Verhältnis zueinander gibt, die unter den großen al-Qaida-Deckel schauen, sich damit nicht zufrieden geben. Im Gegensatz dazu bestimmt aber die politische Botschaft aus Damaskus und Moskau, dass mehr oder weniger "alles al-Qaida ist" ("al-Nusrah und die anderen ..."). Für die beiden Regierungen ist es der "Kampf gegen Terroristen" und "alle drei großen Milizen sind Terroristen" und also von der Waffenruhe ausgenommen.

Man könnte aber auch der Spur nachgehen, wonach hinter den kriegerischen Auseinandersetzungen in Ostghouta sozial brisante Verhältnisse stecken. Aber für diesen Blick ist die Zeit anscheinend noch nicht reif.

Auch dafür ist die Syrien-Politik der USA und ihrer Verbündeten mitverantwortlich.