Syrien: Wer hat den Einfluss, die Kämpfe zu beenden?

Seite 2: Die Milizen "im Einklang mit der Zivilbevölkerung"

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Für die Miliz von Alloush besteht der Nutzen von Zivilisten in Ostghouta darin, dass sie die Brutalität der syrischen Regierung und ihrer russischen Verbündeten kenntlich machen. Opfer der Grausamkeiten sind in der politischen Botschaft von Jash al-Islam nicht nur die Zivilisten in Ostghouta, sondern auch die Miliz selbst. Das ist das Bild, das mit großer medialer Unterstützung bestärkt wird.

Die vergangenen Tage sorgten Bilder in den sozialen Netzwerken für Aufsehen, die zerbombte Häuser, Flammen und verletzte Kinder zeigten, aber gar nicht aus Ostghouta stammen, sondern aus Aleppo oder dem Gaza-Krieg.

In vielen Fällen ist das Überzeichnen, Verzeichnen und suggestivere Formen der Parteinahmen in der Darstellung des Konflikts, die das Mitgefühl mit der Zivilbevölkerung in Einklang bringen mit einer Sympathie für die Milizen, nicht so leicht auszumachen.

Das wäre aber nötig, um sich einen freien Blick auf die Interessenslagen der in den Krieg verwickelten Parteien zu machen. Beim Großteil der deutschen, britischen und französischen Berichterstattung geht es hier so vereinfachend und bieder zu wie in deutschen Heimatfilmen der fünfziger Jahre.

Der andere, skeptischere Blick hat nichts mit Verschwörungstheorien oder mit einer kitschigen Liebe zu Russland zu tun, worunter angeblich viele Deutsche leiden ("Euch stehen doch schon die Tränen in den Augen, wenn ihr einen Dokumentarfilm über Sibirien seht", sagte mir einmal eine französische Bekannte).

Zudringlichkeiten: Gute Verbindungen zu Medien und Regierungen

Schon bei der Lektüre von Jonathan Littells 2012 auf Deutsch erschienenem Buch "Notizen aus Homs", wo der französische Schriftsteller von seinen Erfahrungen berichtet, die er mit FSA-Kämpfern in Homs bei deren Kämpfen gegen die Regierung machte, wird dem Leser klar, wie sehr die oppositionellen Gruppen auf gute Verbindungen mit den westlichen Medien achteten. In Littells Buch ist die Aussage zu lesen, dass nach Ansicht mancher Gruppen schon viel zu viele Journalisten kamen.

Die guten Verbindungen, die Frankreichs Regierung zur Opposition pflegte, sind auffallend. Hollande wie Macron empfingen Mitglieder aus der Opposition, beide Präsidenten sprechen sich deutlich gegen Baschar al-Assad aus. Eine Zukunft mit ihm, dem Kriegsverbrecher, sei nicht vorstellbar. Frankreich gab finanzielle Unterstützung für Medienseiten, die während des Krieges um Aleppo die Brutalität der Angriffe der syrischen Armee und der russischen Luftwaffe skandalisierten.

Nun gibt es einen Medienauftritt zum Krieg in Ostghouta mit unübersehbaren Ähnlichkeiten zu Aleppo (auch die Rolle der kleinen Bania soll neu besetzt sein) . Die Angriffe auf die Zivilbevölkerung sind entsetzlich ("Die Bombardements hörten eine Woche lang nicht auf",so die MSF), aber das Entsetzen über die Kriegshölle kann doch nicht nur für Opfer der "Fassbomben aus syrischen Hubschraubern" gelten, sondern auch für Bewohner in Damaskus, die Opfer von heimtückischen Granaten werden.

Die Erschütterung und das Entsetzen über die zivilen Opfer der Angriffe von syrischen und russischen Truppen auf Ostghouta wird politisch vereinnahmt, das ist die Zudringlichkeit, gegen die man sich wehren muss, um zu einem nüchterneren, sachlicheren Bild zu kommen. Hier unterstützen viele Medienberichte der Qualitätsmedien SZ, Zeit, Spiegel oder Tagesschau nicht bei der freien Meinungsbildung.