TV-Duell: Wagenknecht, Weidel und der schwache Mann von Springer
Für die Quote hat Welt-TV riskiert, gegen BSW und AfD alt auszusehen. Sahra Wagenknechts Rechnung scheint aufgegangen. Ein Kommentar.
Die Frage, ob "Quote im deutschen Fernsehen wirklich alles" ist, durfte sich am Mittwochabend nicht nur die Kommentatorin der Frankfurter Rundschau (FR) gestellt haben.
Für den Springer-Konzern jedenfalls ist die Quote ähnlich wichtig wie das Eintreten für die "Westbindung" Deutschlands – und hier lag wohl bei diesem "TV-Duell" wohl der Hund begraben, als Jan Philipp Burgard am Mittwochabend das Streitgespräch zwischen AfD-Chefin Alice Weidel und BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht bei Welt-TV moderieren sollte.
Moderator überfordert
Eindimensional durch die radikalfeministische Brille betrachtet hat hier ein schwacher Mann versucht, zwei ihm überlegene Frauen vorzuführen. Dementsprechend fiel die Kritik der FR-Kommentatorin aus.
Gescheitert auf der ganzen Linie ist indes der Mann im Studio. Man möchte Chefredakteur Philipp Burgard nicht unterstellen, dass er sich dachte, zwei Frauen im Gespräch, das moderiert sich ja von alleine weg. Aber Tatsache bleibt doch, dass er von Anfang an, nun ja, beträchtlich überfordert war.
Christine Dankbar, Frankfurter Rundschau
Als Moderator habe er Wagenknecht zu wenig entgegengesetzt, als sie behauptet habe, dass Putins Russland sich vor dem Einmarsch in die Ukraine von der Nato bedroht fühlen musste. "Der schwache Einwand auf Putins Großmachtträume war da zu wenig."
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Letzteres dürfte Burgard tatsächlich schmerzen. Beim Thema "Migrationskritik" oder beim Jammern über den Niedergang der deutschen Wirtschaft unter der aus AfD-Sicht "linksgrünen" Ampel-Regierung können Springer-Medien besser mitschwingen – wenn sie nicht sogar maßgeblich zur Goldgräberstimmung für die AfD beigetragen haben.
Außenpolitisch aber werden AfD und BSW gern als "Kreml-Parteien" geframed, treten aber aus jeweils eigener Sicht für den Standort Deutschland ein und halten den Konfrontationskurs gegen Russland diesbezüglich für kontraproduktiv.
Wagenknecht wirkte siegessicher
Wagenknecht hatte sich vor dem "Duell" siegessicher gezeigt: "Anders als die Ampel-Parteien und die CDU haben wir es nicht nötig, uns um die inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD zu drücken, im Gegenteil", schrieb sie vor dem Gang ins Studio auf der Plattform X, wo manche Mitglieder ihrer Ex-Partei Die Linke kritisiert hatten, dass sie die AfD damit aufwerte.
"Sahra Wagenknecht möchte also ‚fair‘ mit der faschistischen Partei umgehen, weil ihre Wähler ‚Respekt‘ verdient hätten. Jeder, der beim BSW mitmacht, jeder, der sie wählt, stärkt den Faschismus. Ob bewusst, unbewusst, gewollt oder nicht, spielt dabei keine Rolle", schrieb etwa der Magdeburger Linken-Politiker Robert Fietzke.
Ganz anders fiel im Anschluss die Einschätzung der linken Wochenzeitung Freitag aus: "Alice Weidel ist zu schwach, um Sahra Wagenknecht zu umarmen", befand dort Nils Schneiderjann. Weidel habe "fahrig" gewirkt, schrieb Christian Parth in der Online-Ausgabe der Zeit – und beide Politikerinnen seien "so gar nicht auf Kuschelkurs" gewesen.
Abfuhr für die Höcke-AfD
Inhaltlich grenzte sich Wagenknecht zumindest klar vom völkischen Rassismus des AfD-Flügels um Björn Höcke ab und attestierte Weidel, "nur das charmante Gesicht an der Spitze" zu sein.
Höcke übernehme Teile von Adolf Hitlers Reden, propagiere die "Remigration" von 20 bis 30 Millionen Menschen und schreibe von "wohltemperierten Grausamkeiten" sowie, dass man ein paar Volksteile verlieren müsse, zitierte Wagenknecht. All dies nannte sie "gruselig" und stellte klar, sie schließe "eine Koalition mit Leuten, die im Neonazi-Sumpf verankert sind, natürlich aus".
Auch geht es Wagenknecht erklärtermaßen zu weit, wie die AfD mit Menschen umspringen will, die auf Bürgergeld angewiesen sind. Zwar ist sie nicht gegen Sanktionen für mutmaßliche Jobverweigerer – anders als die AfD würde sie aber zum Beispiel alleinerziehenden Müttern mangels Kita-Platz nicht das Bürgergeld streitig machen, um Investitionen in die Infrastruktur zu finanzieren, sondern dafür die Schuldenbremse aufweichen.
Das Leistungsideal des BSW und der Ex-Kommunistin
Zu denken gibt das Idealbild des syrischen Familienvaters mit zwei Jobs, den Wagenknecht als Positivbeispiel für gelungene Integration anführte: Wäre es nicht sein gutes Recht, mehr Zeit für seine Familie und eine gute Work-Life-Balance zu haben?
Das Leistungsideal des BSW erscheint hier fragwürdig – aber das macht diese Partei nicht "extremistisch" im Vergleich zu CDU und FDP, von denen sich alle hier Lebenden mit und ohne Migrationshintergrund regelmäßig anhören dürfen, dass sie mehr arbeiten sollen.
Extremismus warfen sich Wagenknecht und Weidel am Mittwoch gegenseitig vor – wobei Weidel auf alte Zeiten zurückgreifen musste, als Wagenknecht noch in der "Kommunistischen Plattform" der Partei Die Linke aktiv war. Diese Mitgliedschaft ruhte allerdings schon einige Jahre, als sich Wagenknecht endgültig von der Linkspartei abwendete.
In der Zwischenzeit hatte sie sich von dem lang verstorbenen Altbundeskanzler Ludwig Erhard (CDU) inspirieren lassen. Bereits 2011 hatte sie geäußert, sie wolle "Ludwig Erhard zu Ende denken".
BSW vertritt Mainstream-Position in Sachen Migration
Das BSW sei gegen "unkontrollierte Migration" – lehne aber Ressentiments gegen die Mehrheit derjenigen ab, "die in Deutschland angekommen sind, die einen redlichen Job machen, die jeden Tag arbeiten und die übrigens auch sich wünschen, dass jetzt diese unkontrollierte Migration gestoppt wird, weil die Stimmung auch gegen sie kippt", behauptete Wagenknecht im "Duell" mit Weidel.
Das trifft sicher nicht auf alle, aber auf Teile derjenigen zu, die in Deutschland einen sicheren Aufenthaltsstatus und bescheidenen Wohlstand erreicht haben – und es ist nicht unter dem Begriff Rassismus zu fassen. In der Studie "Deutsche Zustände" wird in diesem Zusammenhang von Etabliertenvorrechten gesprochen.
Salopp gesagt: Wer irgendwo neu ist, soll sich erst einmal hinten anstellen – oder kommt eben nicht mehr hinein. Auch das ist aber innerhalb des bürgerlichen Parteienspektrums keine extremistische Position. Im Gegenteil: Im Bundestag vertritt nur noch Die Linke eine echte Gegenposition – und steht zurzeit in Umfragen bei rund drei Prozent.
Was Wagenknecht und Weidel zur US-Wahl sagen
Im Streit mit ihrer Ex-Partei hat Wagenknecht betont, sie wolle Fluchtursachen bekämpfen, weil das Problem von Armut und Unsicherheit im Globalen Süden nicht durch Migration zu lösen sei. Um eine der Hauptfluchtursachen der Zukunft zu bekämpfen, hätte Wagenknecht sich allerdings auf die Seite der Klimabewegung stellen müssen – und auch das ist unpopulär in einer Gesellschaft, die gerne verdrängt, was auch ohne Migration immer näher an sie heranrückt.
Auch in den USA könnte der Klimaschutz-Vollverweigerer Donald Trump demnächst die Präsidentschaftswahl gewinnen, weil es Hurrikans ja schon immer gegeben hat und es nichts mit dem Klimawandel zu tun hat, dass in Florida gerade Millionen Menschen evakuiert werden müssen.
Weidel jedenfalls hofft, dass Trump erneut US-Präsident wird, während Wagenknecht nach eigener Aussage froh ist, nicht in den USA wählen zu müssen.