Teilblockade von Kaliningrad: Der Krieg rückt auf Berlin zu

Seite 3: Können Transporte in Exklaven von Sanktionen betroffen sein?

Da Kaliningrad unbestrittener Teil der Russischen Föderation ist, können Transporte zwischen der Exklave und dem russischen Kernland nicht von EU-Sanktionen betroffen sein. Die EU behandelt Transporte zwischen Großbritannien und Gibraltar auch nicht nach EU-Recht.

Die Blockade-Maßnahmen der Regierung in Vilnius werden in Moskau zu Recht als Provokation empfunden. Damit rückt der Krieg mit Riesenschritten auf Berlin zu.

Untersucht man die jüngere Entwicklung in Litauen, so gewinnt man den Eindruck, diese jüngste Eskalation könnte von langer Hand geplant sein – und zwar unter Entschluss der Regierung in Berlin. Denn in Litauen befindet sich eine 1.600 Kopf starke Nato-Einheit, deren Kern die Panzergrenadierbrigade 41 "Vorpommern", also Soldaten der Bundeswehr, bildet.

Der Kommandeur dieser Battlegroup, Oberstleutnant Daniel Andrä, spricht Klartext: "Der 24. Februar war ein Gamechanger. Der Krieg ist wieder im Herzen Europas zurück. Und wir haben mit Litauen eine Grenze zu Kaliningrad, also zu Russland."

Er spricht auch die Möglichkeit einer deutlichen Aufstockung der Nato-Präsenz mit noch stärkerem deutschen Engagement an: "Das ist eine Entscheidung, die zum Schluss auf der politischen Ebene getroffen werden muss – beim Nato-Gipfel Ende des Monats [Juni; W.W.]. Wir sind hier auf alles vorbereitet.

Und der Kanzler hat das ja auch letzte Woche hier bei seinem Besuch öffentlichkeitswirksam geäußert - dass Deutschland bereit ist, auch mehr Verantwortung zu übernehmen."6

Nach Angaben der Bundeswehr gab es seit dem 24. Februar in Litauen die folgenden Eskalationsschritte:

  • 1. März und 8. April: Aufstockungen der Nato-Präsenz;
  • 3. März: Besuch des Bundespräsidenten;
  • 10., 15. und 16. März "Die Leoparden der Battlegroup trainieren das Gefecht" – "Schwertransport mit der Panzerhaubitze 2000" – "Die Aufklärungskompanie trainiert den Drohnenflug";
  • 7. Juni: Bundeskanzler Scholz sagt in Litauen weitere Verstärkung der Nato-Präsenz zu;
  • 18. Juni: Die litauische Regierung blockiert den Transit russischer Transporte.

Apropos Putin. Im Westen gibt es zwei grundverschiedene Thesen zum Charakter des Herrn im Kreml. Einmal heißt es, der Mann sei unberechenbar. Dann wird behauptet, er habe diesen Krieg seit Langem kühl geplant.

Beide Einschätzungen lassen die Erwartung zu, dass Moskau bei entsprechender Provokation oder auch im Fall militärischer Rückschläge einen Angriff auf Nato-Gebiet, einschließlich eines Atomwaffen-Einsatzes, in Erwägung ziehen wird.

Ein unberechenbarer Putin wird im Fall von Provokationen offensichtlich noch unberechenbarer. Ist Putin jedoch der eiskalt planende Politiker, dann sollte sein konkretes Agieren zur Kenntnis genommen werden.

Im Juni 2020 unterzeichnete Putin ein Dekret, das russischen Generalen den Ersteinsatz von Atomwaffen auch in konventionellen Kriegen erlaubt – und zwar "im Fall einer Aggression gegen die Russische Föderation mit konventionellen Waffen, wenn die Existenz des Staates in Gefahr ist."7

Russland zog damit mit dem US-Militär gleich, das inzwischen auch einen atomaren Erstschlag nicht mehr ausschließt.

Das Handeln der Regierenden in Moskau, Washington, Brüssel, Berlin und Kiew ist zynisch und verantwortungslos. Die Politik dieser Kreise läuft darauf hinaus, einen europaweiten, atomar geführten Krieg in Kauf zu nehmen.

Dabei wird im Vorfeld alles abgeräumt, was als Antwort auf den Klimanotstand notwendig wäre: Fracking-Gas aus den USA? Längere Laufzeiten für Kohlekraftwerke? Flüssiggas aus Scharia-Regionen? Bohrungen nach Gas in der Nordsee? All das erhält jetzt seinen Segen.

Gleichzeitig wird die Bevölkerung auf Blut, Schweiß und Tränen eingestimmt; der Krieg verbindet sich zunehmend mit der sozialen Frage. Robert Habeck weiß: "Wir werden alle ärmer". Und Christian Lindner erklärt am heutigen 22. Juni, er sehe nun "drei bis fünf Jahre mit Engpässen". Es gehe nun darum, "die Substanz der deutschen Wirtschaft in diesen Zeiten der Unsicherheit" zu verteidigen.

Damit ist gemeint, dass der Pro-Kopf-Einkommensverlust in Höhe von 1.500 Euro, den es nach bisherigen Berechnungen im laufenden Jahr 2022 aufgrund der massiv angestiegenen Energiepreise bereits geben wird, nochmals deutlich höher ausfallen wird.

Noch am 22. April erklärte Olaf Scholz in einem Interview mit dem Spiegel: "Es gibt kein Lehrbuch für die Situation, in dem man nachlesen könnte, ab welchem Punkt wir als Kriegspartei wahrgenommen werden. […] Ich unternehme alles, um einen Atomkrieg zu vermeiden." Diese Haltung hat die deutsche Regierung längst aufgegeben. Wobei die FDP und die Grünen in besonderem Maß kriegstreiberisch auftreten.

Nur ein Stopp aller Waffenlieferungen und ein massives Drängen auf sofortige Verhandlungen mit dem Ziel "Minsk III" kann die bedrohliche Dynamik stoppen. Dabei sind die Friedensbewegung in Europa und die – weiterhin aktive – Zivilgesellschaft in Russland wichtige Aktivposten.

Keiner komme mit dem Argument, man stolpere, Schlafwandlern gleich, in den neuen und europaweiten Krieg. Die Schritte der Eskalation sind auch seitens des Westens geplant. Und sie sind klar zu erkennen.