Telekommunikation als Sicherheitspolitk

FCC oder FBI? Wer schreibt das nächste US-amerikanische Telekommunikationsgesetz?

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Während in Washington noch die Amtseinführung des wiedergewählten Präsidenten Geroge W. Bush gefeiert wird, wird anderswo in den USA bereits heftig darüber diskutiert, was denn nun die Prioritäten der neuen Administration sein sollten. Fern im pazifischen Ozean, in Honolulu bei der PTC 2005, ist man sich jedenfalls einig, dass ganz oben auf der Prioritätenliste ein neues US-Telekommunikationsgesetz stehen muss. Das alte stammt aus dem Jahre 1996. Das war noch weit vor Aufstieg und Fall der New Economy. Damals gab es kaum Breitband, kein WiFi oder Internet Telephone (Voice over IP/VoIP). Nun, da sich offensichtlich die Internetmärkte zu konsolidieren scheinen, sei es an der Zeit, die Dinge neu zu regeln. Passend dazu wurde gerade bekannt, dass Michael Powell, der eher blass gebliebene Chef der "Federal Communication Commission" (FCC) heute seinen Rücktritt eingereicht hat.

Der vormalige Chef der FCC, William Kennard, der maßgeblich an dem 96er Gesetz beteiligt war, räumte in Honolulu ein, es sei bereits damals klar gewesen, dass das Gesetz nur ein temporärer Kompromiss zwischen verschiedenen gleichermaßen wohlhabenden Fraktionen der Telekommunikationswelt war: die nationalen "Long Distance Carrier" gegen die regionalen "Baby Bells". Früher oder später hätte man dies ohnehin mit den neuen Herausforderungen der Internetwelt ausbalancieren müssen.

Diese Zeit scheint nun gekommen zu sein und die Kombattanten bringen sich neu in Stellung. Da die Märkte sich in den letzten zehn Jahren nicht nur vergrößert, sondern vor allem globalisiert haben, hat sich die Gemengelage aber erheblich verändert. Grob gesprochen werden die ehemalige Rivalen aus der Telekomwelt - von AT&T bis zu MCI - wohl nun zusammenstehen, um den Herausforderern aus der Internetwelt - von VeriSign bis zu pulver.com- Paroli bieten zu wollen. Da stehen sich zwei Kulturen und, schlimmer noch, zwei Geschäftsmodelle gegenüber. Die einen rechnen noch nach Meter und Sekunden, die anderen nach Bits und Bytes. Der anrollende Meteorit der "Internet-Telephonie" (VoIP) wird diesen Prozess nicht unerheblich beschleunigen.

Zu diesem Thema hat sich die FCC in den letzten Jahren eher in Widersprüche verzettelt. In einer von pulver.com herausgeforderten Entscheidung kategorisierte sie VoIP, wenn es von Computer zu Computer geht, als einen nicht regelungsbedürftigen "Information Service" ein. In einer anderen von "AT&T" herausgeforderten Entscheidung, wo es um VoIP von Telefon zu Telefon ging, stufte sie dies als "Telekommunikationsdienst" ein. Bei einem von "Vontage" vorgebrachten Fall, wo VoIP vom Computer zum Telefon ging, drückte sich die FCC um eine klare Kategorisierung und stellte lediglich fest, dass hier die Zuständigkeit der US-Regierung und nicht die der Regierungen der Bundesstaaten gegeben ist.

Telekommunikationspolitik unter dem Zeichen der nationalen Sicherheit

Wohin die Reise geht, wird aber wahrscheinlich mehr noch von den veränderten politischen Rahmenbedingungen beeinflusst werden. Nach dem 11. September 2001 wird die Telekommunikationsinfrastruktur mehr denn je als ein kritisches Element der nationalen Sicherheit der USA gesehen. Und den Zugang zu der über diese Infrastruktur ablaufenden Kommunikation von Daten, Voice und Video sehen FBI und das Heimatschutzministerium als eine entscheidende Quelle im Kampf gegen den Terrorismus.

Zwar sind nach bisheriger Rechtslage alle Service Provider durch das Communications Assistance for Law Enforcement Act von 1994 (CALEA) verpflichtet, eng mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten, nach dem 11. September 2001 wurde das aber erheblich verschärft und für immer mehr Fälle bedarf es heute kaum noch einer richterlichen Entscheidung, um den staatlichen Stellen zu ermöglichen an private Daten von Nutzern zu gelangen.

Wer gedacht hatte, dass die mit dem Patriot Act eingeführten verschärften Sicherheitspraktiken, die gerade auch die individuelle Kommunikation betreffen, nur vorübergehender Natur seien, ist einer Illusion aufgesessen. Alles spricht dafür, dass dies bei einem neuen Telekommunikationsgesetz eher noch weiter verschärft wird. Die angeblich gute Nachricht sei aber, so Kennard, dass die Service Provider diesen Verpflichtungen ohne großes Murren umfassend nachkommen. Niemand in den USA will sich ein unpatriotisches Verhalten vorwerfen lassen. Kritiker, wie z.B. die American Civil Liberties Union (ACLU) oder das Electronic Privacy Information Center (EPIC) haben weder in der Bush-Administration noch im Kongress viel Gehör.

Auch Christopher Libertelli, Senior Legal Adviser des amtierenden FCC-Votrsitzenden Powell, befürchtet, dass bei einem Neustart für ein Telekommunikationsgesetz das FBI am Schluss mehr zu sagen haben wird als die FCC. Das Problematische sei hier, so Libertelli, dass die FCC versuchen muss, zwischen widerstreitenden legitimen wirtschaftlichen und technischen Interessen eine Balance herzustellen, während FBI, CIA, Pentagon und das Heimatschutzministerium ein eindeutiges Ziel verfolgen. Bei der nationalen Sicherheit gibt es im Verständnis der Bush-Administration nichts auszubalancieren.

Ob und welche wirtschaftlichen Konsequenzen eine solche Politisierung eines der dynamischsten globalen Wirtschaftszweige haben wird, bleibt abzuwarten.

Vetorecht für das "Committee on Foreign Investment in the United States"

Philipp Spector, Partner bei der Washingtoner Consulting Firma Paul, Weiss, Rifkind, Wharton & Garrison, brachte noch eine andere, internationale Dimension in die Debatte ein. Als vor zwei Jahren "Global Crossing", eine amerikanischer Network und Service Provider, der in 55 Ländern tätig ist, Insolvenz anmeldete und sich ausländische Investoren, darunter die in Hongkong angesiedelte Hutchinson Corporation, als Investor meldeten, geriet dieser Vorgang in die Mühlen US-amerikanischer Sicherheitspolitik.

Nach der eingefürhten Praxis konsultiert sich die FCC bei der Genehmigung solcher Invesitionen u.a. auch mit dem bisher wenig in der Öffentlichkeit agierenden Committee on Foreign Investment in the United States (CFIUS). Zu CFIUS gehören insgesamt 23 staatliche Institutionen und seine Aufgabe ist es, darüber zu wachen, dass ausländische Investitionen oder US-Exporte ins Ausland nicht den politischen oder wirtschaftlichen Interessen der USA zuwiderlaufen. CFIUS war 1988 gegründet worden, um zu verhindern, daß strategisch wichtige militärische Güter in die damals noch existierende Sowjetunion gelangen oder die Sowjets irgendwie einen Fuß in die US-Wirtschaft bekommen.

Nach dem 11. September hat CFIUS eine Art Renaissance erlebt und wird nun vorrangig dominiert von Überlegungen aus dem Pentagon, dem FBI, der CIA und des Heimatschutzministeriums. Im Fall Global Crossing jedenfalls war der Fakt, dass Hutchinson in Hongkong angesiedelt ist, für CFIUS Grund genug, um die geplante Investition zu hintertreiben. Die FCC ist zwar nicht an die CFIUS-Empfehlungen gebunden, aber de facto hat CFIUS ein Vetorecht. CFIUS forderte u.a. in dem "Nertwork Security Agreement" von Global Crossing, dass der ausländische Investor kein Mitspracherecht bei der Besetzung der Direktorenposten haben dürfe, dass alle Schlüsselbeschäftigten auf ihre Aktivitäten während der letzten zehn Jahr hin überprüft werden müssen und dass Nicht-Amerikaner kein Besuchsrecht an geografischen Plätzen haben, an denen kritische physische Infrastruktur zu besichtigen ist.

Seit Jahren würden die USA in der WTO China kritisieren, wenn die Chinesen Handelsrestriktionen mit Verweis auf den Schutz der nationalen Sicherheit begründen, sagte Jeanette Chan von der gleichen Consultingfirma, die den Hutchinson Fall betreute. Die von den USA gepuschten WTO-Abmachungen zur Liberalisierung der Telekommunikation zielen ja gerade darauf ab, ausländische Investitionen zu befördern. Die CFIUS-Regeln aber weisen genau in die gegenteilige Richtung. Es würde kaum jemanden überraschen, wenn nun früher oder später auch andere Länder von dieser Art der Argumentation Gebrauch machen, wenn es darum geht, nationale Interessen durchzusetzen.

Hutchinson mit den chinesischen Kommunisten in Verbindung zu bringen, sei absurd, so Philipp Spector. Offensichtlich aber gäbe es im Pentagon eine Gruppe von Hardlinern, die als das "eigentliche Ding" des 21. Jahrhunderts die Herausforderung China ansehen. Der Kampf gegen Bin Laden und Saddam Hussein sei lediglich eine Vorbereitung, um sich in Stellung zu bringen für die Zeit um 2020, wenn China wirtschaftlich den USA ebenbürtig sein könnte. Ob die jetzt von der Bush-Administration propagierte "strategische Partnerschaft" mit Peking daher eher von taktische Natur ist, wie es die Anti-Hitler-Koalition zwischen Roosevelt und Stalin im Kampf gegen den kriminellen Bösewicht Hitler war, wird daher ebenso abzuwarten sein wie die gesellschaftspolitische Entwicklung Chinas. Kommt es zu einer Art Systemauseinandersetzung, dann findet diese aber in jedem Fall im Informationszeitalter statt. Und deswegen ist der globale Kommunikationsbereich mit all seinen Layern - von Internet Governance bis zu VoIP - von solch strategischer Bedeutung.