Tempelritter und Tiermenschen

Die Obsessionen des Jörg Lanz von Liebenfels

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Er gilt manchen als Mann, der Hitler die Ideen gab. Andere verorten ihn als Sektierer am äußersten rechten Rand völkischer Religiosität. Auch wenn erstere nicht recht haben sollten, ist es doch möglich, dass Hitler das Werk des Jörg Lanz von Liebenfels, mit seinen rassistisch-sexualgnostischen Spekulationen gekannt hat. Auf jeden Fall hat die in ihrer Radikalität unübertroffene völkische Trash-Philosophie des Lanz von Liebenfels den Vernichtungswillen des Nationalsozialismus gegen alles "Minderrassige" um Jahrzehnte antizipiert. Sie bleibt ein extremes und erschreckendes Beispiel dafür, wohin sich rassistisches Denken versteigen kann.

Jörg Lanz von Liebenfels wird am 19. Juli 1874 in Penzing bei Wien als Adolf Josef Lanz geboren. Er ist der Sohn von Johan und Katharina Lanz. Er wird später allerdings immer behaupten, ein Baron Johann Lancz de Liebenfels sei sein Vater, eine Katharina Skala seine Mutter. Das Adelsprädikat schreibt er sich mit einigem Erfolg selbst zu, es erscheint sogar auf dem polizeilichen Meldezettel. In den Augen der Welt wird er später also zu Jörg Lanz von Liebenfels. Ein plausibler Grund für die Manipulation mit dem Adelstitel ist eine mögliche, jedoch nicht bewiesene, jüdische Abkunft seiner Mutter. Außerdem führt er später einen Doktortitel, dessen rechtmäßiger Erwerb nirgends nachgewiesen ist. Er geht in Wien in die Schule. Schon früh faszinieren ihn die Geschichten und Mythen um den historischen Orden der Templer. Er identifiziert sich mit den Rittern und ist von Marschners Oper "Der Templer und die Jüdin" nach der Invanhoe-Geschichte begeistert.

Jörg Lanz von Liebenfels

Sicher auch durch diese schwärmerische Begeisterung für alles ordensmäßige beeinflusst, tritt er am 31. Juli 1893 nach der Matura in die Zisterzienserabtei Heiligenkreuz als Novize ein. Der junge Mönch befasst sich neben seinen theologischen Studien viel mit kunsthistorischen Arbeiten, die er auch veröffentlicht. Unter anderem schreibt er über einen Grabstein mit dem Bild eines Ritters, der auf ein affenähnliches Ungetüm tritt. Später wird er von diesem Bild sagen, dass es ihn auf die Realität des Rassenkampfes zwischen Mensch und Tiermensch gestoßen habe. Die arischen Herrenmenschen müssen die Minderrassigen immer niedertreten.

Zisterzienserabtei Heiligenkreuz im Wienerwald (Niederösterreich). Bild: Welleschik. Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Bevor Lanz seinen eigenen Orden gründet, verabschiedet er sich erst einmal von den Zisterziensern. Am 27. April 1899 tritt er aus dem Kapitel aus. Nach neueren Erkenntnissen hat er vier Monate nach seinem Austritt aus dem Kloster eine 22 Jahre ältere reiche Witwe mit dem Namen Friederike Antonie Conried, geborene Schifferdecker, geheiratet, die er, nachdem sie ihr Vermögen verloren hat, später verlässt. Nachdem er ausgetreten ist, schließt er sich der deutschnationalen Bewegung des Georg von Schönerer an. Er schreibt für Periodika alldeutscher Ausrichtung. Ab 1905 gibt er sein eigenes Druckwerk heraus, die "Ostara". Diese Flugschriftenreihe, die nach einer fiktiven germanischen Frühjahrsgöttin benannt ist, entwickelt er zu einer Waffe im Rassenkampf für die "Blonden und Mannesrechtler". Die Ostara hat eine sehr große Verbreitung, ist an vielen Kiosken in Österreich zu erhalten. Sie wird in ihrer rassistischen Radikalität von keiner Publikation übertroffen werden. Kennzeichnend ist neben dem Antisemitismus auch der pathologisch zu nennende Frauenhass, verbunden mit Spekulationen über den sexuellen Kontakt zwischen Frauen und Tiermenschen. 1905 veröffentlich er auch sein Hauptwerk "Theozoologie oder die Kunde von den Sodoms-Äfflingen und dem Götter-Elektron", dass diese sexualgnostischen Thesen gründlich ausarbeitet.

Schon vorher, im Jahre 1900 gründet er den Neutemplerorden oder Ordo Novi Templi - (ONT). Er knüpft hier ausdrücklich an den historischen Templerorden an, der 1119 gegründet und 1312 vom Papst aufgelöst wurde. Das Ziel der historischen Templer war laut Lanz die Reinheit der arischen Rasse und die Auflösung des Ordens war die Tat und der Triumph der Rassenvermischer. Lanz entwickelt für den Orden elaborierte Ritualvorschriften. Das Habit der Neutempler mit Kapuze und einem weiten Umhang mit dem so genannten Krukenkreuz auf der Brust, ist der Kleidung traditioneller katholischer Orden nachempfunden. Das sekteninterne Gradsystem verleiht die Würden der Neutempler vor allem nach der Rassenreinheit des Aspiranten. Capitelherr (CONT) konnte zum Beispiel werden, wer 75 bis 100 Prozent reiner Rasse war. Als würdiges Umfeld für die Ordensrituale erwirbt Liebenfels 1907 die Burg Werfenstein im Strudengau, Niederösterreich. Im selben Jahr hisst er auf dieser seiner "Gralsburg" eine Fahne, die außer vier Lilien ein Hakenkreuz "ziert". Er benutzt das Symbol also lange vor den Nationalsozialisten.

Symbol des Ordo Novi Templi

Als er diese Burg erstmals besichtigt, lernt er den bedeutenden schwedischen Dichter August Strindberg kennen. Der ist von den antifeministischen und rassengnostischen Lehren des ONT so angetan, dass er ihm beitritt. In seinem Nachlass finden sich viele Ausgaben der Ostara, die mit handschriftlichen Anmerkungen versehen sind. Auch der Grafiker Alfred Kubin soll dem Orden angehört haben.

Burg Werfenstein. Bild: Franz Pfeiffer. Lizenz: CC-BY-SA-3.0

1918 verlässt Lanz Österreich und geht nach Ungarn. Im Verlauf der kommunistischen Revolution wird er, als Aktivist in antikommunistischen Bünden aktiv, 1919 beinahe von einem Exekutionskommando hingerichtet. Insgesamt soll er damals zweimal zum Tode verurteil worden sein. 1921 etabliert er das ONT-Priorat Marienkamp. 1933 verlässt Lanz Ungarn und geht in die Schweiz.

Im "Dritten Reich" sind die Handlungsmöglichkeiten der Neutempler begrenzt. Es ist behauptet worden, dass Lanz, der ab 1938 wieder in Österreich weilte, Schreibverbot erhielt. Belege dafür gibt es nicht. Im Laufe der 1930er Jahren wurde der ONT aufgelöst. Man kann aber sicher nicht von einer Verfolgung der Neutempler im Nationalsozialismus reden.

Lanz von Liebenfels hat behauptet, einer der geistigen Väter des Nationalsozialismus zu sein. Für Wilfried Daim ist er der "Mann, der Hitler die Ideen gab." Liebenfels bezeichnete Hitler in einen Brief als Schüler. Er erzählte auch die Begebenheit, dass Hitler ihn einmal besuchte, sich als treuer Ostara-Leser erklärte und um einige Hefte bat, die ihm fehlten. Gegenüber dem Lanz-Forscher Daim erklärte der Mitbewohner Hitlers in einem Wiener Männerwohnheim, Josef Greiner, Hitler habe einen Stapel Ostara-Hefte besessen. Greiners Zeugnis wird aber in der Literatur als unzuverlässig eingeschätzt. Hitler selbst schreibt in "Mein Kampf", dass er in Wien die ersten antisemitischen Broschüren seines Lebens erstanden habe. Damit könnte durchaus die Ostara gemeint sein, da sie ja an vielen Kiosken greifbar war. Die Beweislage ist insgesamt etwas dürftig. Was aber bleibt, ist die frappierende Ähnlichkeit zwischen den Forderungen der Ostara und den Verbrechen des Nationalsozialismus. Dazu gehören beispielsweise die Frau als Zuchtmutter, im Lebensborn der SS verwirklicht, die Kastration "Minderwertiger" oder die physische Vernichtung von Juden, Slawen und anderer "Minderrassiger".

Titelblatt der von Lanz von Liebenfels verfassten Ostara. Bild: Manuel Heinemann. Lizenz: CC-BY-SA-2.0

Jörg Lanz von Liebenfels lebt nach dem Krieg friedlich in Wien. Dort stirbt er am 22. April 1954. Eine Wirksamkeit wie vor dem Krieg hat er nicht mehr entfaltet.

Grundlegendes Werk von Liebenfels Weltanschauung ist die "Theozoologie oder die Kunde von den Sodoms-Äfflingen und dem Götter-Elektron". In der Theozoologie entwirft Lanz von Liebenfells eine ganz neue Version des Christentums. Mit dem Botschafter des Mitleids und der Nächstenliebe, wie man ihn eigentlich zu kennen glaubt, hat der Jesus des Lanz von Liebenfels wenig zu tun.

Nach Lanz von Liebenfels war Sodomie im Altertum gang und gäbe. In babylonischen und assyrischen Inschriften, in oft verschlüsselter Form im Talmud und in der Bibel wird auf Tiermenschen Bezug genommen. Die Bibel benutzt für sie Codewörter wie Holz, Stein oder Wasser. Sie berichtet verschlüsselt vom sexuellen Umgang zwischen diesen Tiermenschen auf der einen und Menschen auf der anderen Seite. Die sexuelle Verbindung zwischen Mensch und Tiermensch war nach den Quellen der Alten fruchtbar, es entstanden lebensfähige Zwischenformen. Frauen ließen sich mit diesen Halbtieren, angezogen von deren großem Schamglied, besonders gerne ein. Es gab Affenmenschen, Echsenmenschen und Fischmenschen. Es existierten andererseits Engelwesen, die sich ebenfalls mit den "Tschandalen" vermischten und dadurch ihren Engelsstatus verloren. Gottmenschen verloren durch diese sexuellen Verbindungen ihre göttliche Natur, die Affenwesen und anderen Halbtiere wurden emporgezüchtet. Die farbigen Rassen sind also hochgezüchtete Tiermenschen, die Arier herabgezüchtete Gottmenschen. Sodomie ist die Ursünde. Der Satan hat mit Eva den Tiermenschen Kain gezeugt. Gott ist der Feind der Rassenvermischung. Gott ist gereinigte Rasse.

Früher hatten die Menschen elektrische Sinnesorgane, von denen die Hirnanhangdrüse und die Zirbeldrüse Reste sind. Wenn man den arischen Menschen wieder rassenrein emporzüchtet, wird er wieder elektrisch werden. Elektrisch und göttlich sein ist eins. Christus war ein elektrischer Gottmensch, der völlig unbefleckt von jeglicher Vermischung mit den "Sodomsäfflingen" war. Die Kirche, die Jesus gestiftet hat, ist in ihrem Kern eine Kirche der Rassenreinheit. Das heutige Christentum hat diese Lehre humanistisch bis zur totalen Unkenntlichkeit deformiert. Christus wurde nicht gekreuzigt. Seine Passion bestand darin, von den Sodomsäfflingen misshandelt und beinahe geschändet zu werden. Seine Auferstehung bedeutet, dass er die Tiermenschen überwunden hat. Den Tiermenschen muss der germanische Mensch nicht zuletzt auch in sich selber überwinden, denn auch er ist heute "verafft".

Die Wiedergeburt des Menschen - und das ist nur der germanische Mensch - steht aber bevor. Deutschland ist die Heimat dieses eigentlichen Menschen, andernorts wohnten ehedem nur Tiermenschen. Diese Wiedergeburt ist ganz diesseitig gedacht. Die Herrschaft der Himmel ist ein idealer, sozialer und rassenhygienischer Staat, der die niederen Rassen auf das Niveau von buchstäblichen Sklaven herunterdrückt. Nächstenliebe ist nur für die eigene Rasse reserviert, "das ganze Geschwätz von der christlichen Nächstenliebe ist" ansonsten "Wortgaukelei." Mitleid ist die größte Schwäche des germanischen Menschen.

Die Zukunft der Minderwertigen sieht im Paradies der Rassenreinheit wirklich nicht rosig aus: "Wehe der Sodomsbrut, wenn wir mit ihr abrechnen werden." Letztlich geht es um ihre Ausrottung. "Die Minderwertigen müssen auf gelinde Weise ausgerottet werden, und zwar durch Verschneidung und Entfruchtung", was wohl Kastration und Abtreibung bedeutet.

Für die Frau hält man in Liebenfels Paradies ebenfalls die harte Hand parat. Sie ist an der Rassenvermischung schuld, weil sie sexuell rassisch minderwertigen Männern und, ursprünglich und unterbewusst bis heute Tiermenschen zuneigt. Eine Emanzipation kann es also im Garten Eden der Neutempler nicht geben. Die Frau ist das Eigentum des Mannes, der sie vor sexuellen Einflüssen Minderrassiger bewahrt, indem er sie wegschließt, sogar in eigenen Zuchtstationen, wo sie die Mutter des neuen Menschen werden kann.

In einer elektrischen Zukunft wird der sexuelle Verkehr sowieso aufhören. Die Gottmenschen werden sich durch Strahlen fortpflanzen. Unter dem Banner des arischen Christus werden sie die Herren dieser Erde sein.

Die ultrarassistischen Fieberphantasien des Jörg Lanz von Liebenfels werden heute wieder verstärkt verbreitet. 2000 soll der ONT neu gegründet worden sein, nachdem der heutige Großmeister des Ordens in einer Vision von Lanz den Auftrag dazu erhielt. Dieser ONT wirbt im Internet für sich, die Hauptwerke des Lanz von Liebenfels wie die Theozoologie werden wieder aufgelegt und sind über den Buchhandel greifbar. Mehrere Immobilien, die der ONT besitzen soll, sollen angeblich zu Ordenszentren ausgebaut werden. Der Kampf zwischen Tempelrittern und Tiermenschen geht also scheinbar weiter.

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