Terror und Tabu

Die Anschläge des 11. September sind die offene Wunde unserer Zeitgeschichte. Solange eine angemessene Behandlung tabuisiert bleibt, wird der "Great War On Terror" weiter wuchern

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"Glauben Sie, dass die US-Regierung der Weltöffentlichkeit die ganze Wahrheit über die Anschläge sagt?" wollte eine Emnid-Umfrage Ende 2010 von 1005 Bundesbürgern im Alter ab 14 Jahren wissen. 89,5 Prozent antworteten mit "Nein". In derselben Umfrage hatte die Hälfte aller Befragten auch die Überzeugung geäußert, systematisch überwacht zu werden, was in der Ära vor Edward Snowden noch leicht als paranoide Spinnerei abgetan werden konnte. Heute hingegen muss diesen Beobachtern eine genauere Wahrnehmung und Einschätzung der Realität zugesprochen werden als den eigentlichen Experten auf diesem Gebiet (Journalisten, Politikern, Historikern).

Bei der Frage nach der Wahrheit des offiziellen 9/11-Narrativs verhält es sich mit ziemlicher Sicherheit ähnlich, auch wenn es hier nicht die "smoking gun" eines Super-Whistleblowers wie in Sachen NSA-Überwachung gibt und die Beweislage etwas fragmentierter ist - wobei aber schon die Enthüllungen einer "kleinen" Whistleblowerin wie Sibel Edmonds für begründete Zweifel ausreichen könnten . Die brisanten Aussagen der ehemaligen FBI-Übersetzerin, die sie vor der 9/11-Untersuchungskommision abgab, sind bis heute geheim und folgenlos geblieben.

Bild: National Park Service (nps.gov)

Da der Maulkorb, der ihr verhängt wurde, aber nicht die Veröffentlichung von Bildern betrifft, konnte sie Fotos der Personen des Netzwerks veröffentlichen, auf das sie bei der Übersetzung von Abhörbändern gestoßen war, ein Netzwerk, das unter der Beteiligung hochrangiger Staatsangestellter im internationalen Waffen- Drogen,- und Terrorgeschäft tätig war und auch Bin Laden unter seiner Regie hatte.

Andere FBI-Agenten wie Coleen Rowley oder Robert Wright, die abgehalten wurden, gegen verdächtige Flugschüler vorzugehen, oder der Offizier des Militärgeheimdiensts Anthony Shaffers, der gehindert wurde, die über das Spionageprogramm "Able Danger" schon im Jahr 2000 als potentielle Terroristen identifizierten Mohammed Atta und weitere spätere Hijacker dem FBI zu melden - allein diese Aussagen ehrenwerter Polizei- und Militärangehöriger müssten unter normalen Umständen ausreichen, um berechtigte Zweifel an der offiziellen Version eines unerwarteten und unvorstellbaren Überraschungsangriffs zu begründen. Aber was sind schon normale Umstände?

In unserem letzten Buch (Bröckers/Walther: 11.9. Zehn Jahre danach) haben wir in 38 Kapiteln zu weiteren Widersprüchen, Ungereimtheiten und Auslassungen des offiziellen Reports der 9/11-Kommission Fakten und Zeugenaussagen vorgelegt, mit denen jeder halbwegs versierte Rechtsanwalt in jedem halbwegs normalen Gerichtsverfahren das bestehende Urteil anfechten und neue Ermittlungen und Beweisaufnahmen durchsetzen könnte.

Da ein solches rechtsstaatliches Verfahren in Sachen 9/11 nie stattgefunden hat, konnte dann mit dem 9/11 Commission Report nicht nur ein "Urteil" gefällt werden (Harry Plotter und die Teppichmesser des Schreckens), dessen zentrale Aussagen über die autonome Täterschaft von Osama Bin Laden und 19 "Hijackern" von einem Kronzeugen stammen, der zuvor 183-mal dem Waterboarding unterzogen worden war. Noch erstaunlicher war, dass dieses "Urteil" umgehend öffentliche Anerkennung fand (Das geplatzte "Geständnis") und bis heute findet (Der Spiegel, die Folter und 9/11). Weniger bei der Bevölkerung, wie die eingangs zitierte Umfrage zeigt, sondern bei den "Experten" (Journalisten, Politikern, Historikern), die öffentliche Anerkennung über die Medien herstellen und dafür sorgten, dass die Behauptungen des 9/11-Reports als Fakten akzeptiert wurden.

Nun ist spätestens seit 1631, als Friedrich von Spee bei seiner Beobachtung der Hexenprozesse der "Heiligen Inquisition" feststellte, dass Gefolterte alles aussagen, was man von ihnen erwartet, die Unzuverlässigkeit von Foltergeständnissen allgemein bekannt. Auf solche Geständnisse aber, so kritisierte Spee, "haben alle Gelehrten fast ihre gesamte Hexenlehre gegründet, und die Welt hat's ihnen, wie es scheint, geglaubt". Dass fast 400 Jahre später die Lehre von den islamistischen Teufeln "Al Qaida", die allein mit 19 Teppichmessern vier Flugzeuge kaperten und drei Wolkenkratzer pulverisierten, auf eben solchen Geständnissen beruht - fast alle entscheidenden Quellenangaben in den Kapiteln des Commisson-Reports über die Täterschaft Al-Qaidas beruhen auf den Aussagen des 183-mal Beinahe-Ertränkten Khalid Scheich Mohammed - hält die "Gelehrten" (Journalisten, Politikern, Historikern) unserer Tage nicht ab, diese Geschichte für die Wahrheit zu halten und sie in den Wirklichkeitskonstruktionen der Medien als historische Realität darzustellen.

Der Einwand, dass ein Journalist oder Historiker wegen mangelhafter Ermittlungen und zahlreicher geheim gehaltener Dokumente gar nicht in der Lage ist, eine objektive Darstellung der Ereignisse zu liefern, ist berechtigt - nur ein Gericht, das Zeugenaussagen oder Dokumentenfreigaben erzwingen könnte, wäre dazu in der Lage.

Journalisten und Zeitgeschichtler, die trotz dieser ungenügenden Beweislage die Faktizität der Ereignisse behaupten, sind nicht Vermittler und Interpreten der Realität, sondern Konstrukteure. Wo diese Konstruktion auch nicht zu erschüttern ist, wenn eine spätere Untersuchung dieser Aussagen - wie der CIA-Folterreport - sie größten Teils als "Märchen" bezeichnet, wo also die Kernaussage eines angeblich faktischen Geschehens als Fiktion entlarvt werden kann, ohne dass es seinen Charakter als Tatsache verliert, scheint es angemessen, von einem Dogma zu sprechen. Von einem unhinterfragbaren, unantastbaren Tabu.

Der Begriff Verschwörungstheorie stammt aus dem Arsenal der psychologischen Kriegsführung

Während die Inquisition des Mittelalters ihre Dogmen (Dreifaltigkeitslehre, Jungfrauengeburt) gegen Häretiker und Ketzer mit gewaltsamen Methoden verteidigte, sind heute subtilere Methoden notwendig. In Sachen 9/11 wurden dafür jene Waffen der psychologischen Kriegsführung geschärft, die sich schon in den 1960er Jahren bewährt hatten - zur Stigmatisierung und Diffamierung von Kritikern, die die offizielle Version des Kennedy-Mordes anzweifelten.

Als der Staatsanwalt Jim Garrison 1967 in New Orleans die ersten strafrechtlichen Ermittlungen dazu anstellte und dabei auch CIA-Mitarbeiter ins Visier nahm, gab die Abteilung für psychologische Kriegsführung der CIA ein Memo an alle ihre Stationen heraus, wie die Zweifel an der offiziellen Version des Kennedy-Mords am besten zu kontern sind: Bei den Kritikern der von der "Warren Kommission" verkündeten Theorie des Einzeltäters Lee Harvey Oswald handele es sich um "Verschwörungstheoretiker", um Staatsfeinde, die allein von unseriösen, kommerziellen oder kommunistischen Interessen motiviert seien.

Dies war die Geburtsstunde der Transformation einer neutralen Bezeichnung, "Verschwörungstheorie" - in den USA ("conspiracy") ein üblicher, neutraler Rechtsbegriff - in einen Kampfbegriff zur Abwehr und Ausgrenzung Andersgläubiger. Nach dem 11. September 2001 feierte dieser Abwehrzauber fröhliche Urstände. In seiner Analyse der Reaktionen der "Qualitätsmedien" stellte Andreas Anton fest: "Alle abweichenden Erklärungen zu den Ereignissen des 11. September werden pauschal haltlosen "Verschwörungstheorien" und damit dem Bereich des Irrationalen, Lächerlichen, politisch Bedenklichen oder bisweilen gar Pathologischen zugeordnet" (Verschwörungstheorien zum 11. September).

Diese Reaktionen sind nicht überraschend angesichts der Tatsache, dass es sich bei der offiziellen Version der Ereignisse um ein auf Foltergeständnissen beruhendes Konstrukt handelt und eben nicht um eine mit Fakten gesättigte, rational nachvollziehbare und mit hoher Wahrscheinlichkeit wahre Darstellung der Realität. Mit den Mitteln der Vernunft, mit guten Argumenten, dem Verweis auf unbestreitbare Tatsachen, lässt sich ein solches Narrativ nicht verteidigen. Die einzige Möglichkeit, es als heilige Wahrheit zu retten, besteht in der radikalen Abwehr jeder Kritik, in der Schaffung eines Tabubereichs und der Bestrafung derjenigen, die ihn verletzen.

Der neuen Inquisition stehen damals bewährte Mittel von Daumenschrauben bis Enthauptung nicht mehr zur Verfügung, auch "Predigtverbote" lassen sich im Internetzeitalter schwer durchsetzen. "Exkommunikation" aus dem "seriösen" öffentlichen Diskurs aber geht immer noch, auch in den Oasen "freier" Wissenschaft und Forschung, wie etwa es die kanadische Dokumentation von Adnan Zuberi 9/11 In The Academic Community (2013) zeigt.

Dass Kritik der beste Freund jeder echten Wissenschaft ist und jede gültige, allgemein anerkannte These der Falsifizierbarkeit standhalten muss, dieser wissenschaftliche Standard hat in Sachen 9/11 auf dem akademischen Parkett keine Gültigkeit. Und wer auf der Bühne der Politik und der Massenmedien unterwegs ist, hält zu Zweifeln am 9/11-Dogma besser ganz den Mund, sofern er nicht mit Vaterlandsverrätern, Terroristenfreunden und verrückten "Verschwörungstheoretikern" in einen Topf geworfen werden will.

Wie kann es in einer "offenen" Gesellschaft mit angeblich freier Wissenschaft und freier Presse zu einer derart erfolgreichen Tabuisierung kommen? Was ist der Grund für die massive Diskreditierung von Dissidenz, sobald das Stichwort 9/11 fällt, warum wird jede Abweichung sofort als "Verschwörungstheorie" gebrandmarkt? Der Grund liegt darin, dass es sich bei der offiziellen Version selbst um eine lupenreine (weil unbewiesene) Verschwörungstheorie handelt - ein Hypothese über Täter, Planung und Ablauf des Verbrechens, die auf Indizien und fragwürdigen Zeugenaussagen, aber nicht auf verifizierbaren oder gerichtsfesten Beweisen beruht.

Das gilt allerdings auch für die alternativen Hypothesen, wie sie etwa in der 5-stündigen Dokumentation "9/11 The New Pearl Harbour" aufgezeigt werden. Wer nun das Tabu der Unantastbarkeit des offiziellen Narrativs verletzt, etwas genauer hinschaut und sieht, dass der Kaiser nackt ist, gerät in ein Dilemma:

Geraten wir in diese von den Psychologen als kognitive Dissonanz bezeichnete Gemütslage, reagieren wir reflexartig immer auf dieselbe Weise: indem wir alle Fakten ausblenden, die unsere fundamentalen Überzeugungen ins Wanken zu bringen drohen. Und je größer die Dissonanz, je größer die Gefährdung unserer Überzeugungen, desto geringer unsere Bereitschaft, die unser Weltbild stützenden "Fakten" auch nur in Frage zu stellen. Und 9/11 sorgte für eine gewaltige kollektive kognitive Dissonanz, stumm in der Tiefe der westlichen Gedankengebäude widerhallend, im Schlepp einen unwiderstehlichen inneren Befehl: Don't go there! Don't even think about it!

So heißt es im Nachwort unseres Buchs, über die Schwierigkeit weltbilderschütternde Tatsachen wahrzunehmen - und bei den Diskussionen, die ich dazu immer wieder habe, geht es oft um diesen Punkt: dass die Belege und Indizien ja durchaus überzeugend sind, warum 9/11 nur als "inside job" durchführbar war und die Geheimdienste (der USA, Saudi-Arabiens, Israels, Pakistans) darin mindestens so verstrickt sind wie der deutsche Verfassungsschutz in den NSU-Terror, dass man sich das aber dennoch "irgendwie" nicht vorstellen kann.

Wenn unsere gewählten Volksvertreter solche Verbrechen begehen, um Kriege durchzusetzen, wenn unsere "investigativen" Medien dabei mitspielen und zu Stenografen der Macht verkommen, wenn wir als Zuschauer systematisch in die Irre geführt und verängstigt werden - wenn das wahr wäre, dann wäre ja nichts mehr wie es war. Da schauen wir am Besten gar nicht hin und halten uns lieber an das, was sie in der "Tagesschau" erzählen…

Dort freilich sehen wir jetzt gerade jeden Tag, warum es dringend notwendig ist, das 9/11-Tabu zu schleifen, alle Theorien, Hypothesen und Gerüchte aus der Welt zu schaffen und das Verbrechen des Jahrhunderts so zweifelsfrei wie möglich aufzuklären. Es ist die offene und eiternde Wunde unserer Zeitgeschichte, mit ihr fing der "Great War On Terror" an, der seitdem die Welt überzieht, ganze Regionen entstaatlicht, ins Elend stürzt und Millionen zur Flucht zwingt. Wer nicht nur Symptome, sondern die Ursache dieser Krise kurieren will, wird um eine den Gesetzen des Rechtsstaats und den Geboten der Vernunft entsprechende Behandlung von 9/11 nicht umhin kommen.

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