Testet China eine neue Antisatellitenwaffe?

Seite 2: China und USA proben den Weltraumkrieg

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Das Misstrauen sitzt tief, seitdem China im Januar 2007 einen eigenen alten Wettersatelliten als erste Weltraummacht überhaupt mit einer Rakete vom Boden aus wegpustete und damit eine neue Stufe des Wettrüstens im Weltraum einleitete (China testete Antisatellitenwaffe).

Der Abschuss löste damals einen weltweiten Stürm der Entrüstung aus. Der Satellit kreiste in einer Höhe von etwa 850 km, sodass sich die Trümmer weit im Orbit verteilten und den viel genutzten erdnahen Raum zusätzlich mit mehr als 40.000 neuen Bröckchen und Brocken Weltraumschrott verschmutzten. Die USA blieben daraufhin nicht untätig und holten im Februar 2008 ebenfalls einen Satelliten mit einer Rakete aus dem Himmel, nur auf einem viel niedrigeren Orbit, sodass die Trümmer in der Atmosphäre verglühten (Update: Erfolgreiche Demonstration).

Abschuss des ausgedienten US-Spionagesatelliten am 20.Februar 2008. Bild: dod.mil

China ließ sich von den Protesten gegen seinen Gewaltakt übrigens nicht beeindrucken. 2009 wurden die Satelliten-Knacker (China: Satelliten-Knacker geehrt) offiziell geehrt. Und 2010 hat China, so wurde berichtet einen weiteren Satelliten vom Himmel geholt.

Ein Satellit mit Roboterarm und Nahkampfausbildung bietet dennoch immense Vorteile. Die meisten Satelliten sind nackt, wehrlos und auch blind, was die Wahrnehmung ihrer nächsten Umgebung betrifft. Sie könnten sich nicht gegen einen Kung-Fu-Satelliten zur Wehr setzen. Es reicht, irgendein wichtiges Bauteil zu beschädigen, um dem gegnerischen Satelliten den Garaus zu machen. China vermeidet so das spektakuläre weltweite Aufsehen und die enorm störenden Trümmerwolken. Außerdem lassen sich die kämpferischen Qualitäten des Nahkampf-Satelliten bestens tarnen. Offiziell ist er nur als Reparaturroboter unterwegs, um gestrauchelten Kollegen wieder auf die Schwingen zu helfen. Man sieht ihm die Kung-F- Künste nicht an.

Chinas Cyberwar-Strategie

Solch verborgenen Qualitäten passen bestens zu Chinas Cyberwar-Strategie. "Der Weltraum wird mit Sicherheit das wichtigste Schlachtfeld des Cyberkrieges", heißt es in einer internen chinesischen Verteidigungsstudie, die im Juli in Auszügen in den USA auf "The Washington Free Beacon" veröffentlicht wurde.

China plant den Volkskrieg im Cyberspace und im Weltraum, Mao überlebt auch im 21. Jahrhundert. Die Strategie ist umfassend und sie zielt auf das Rückgrat der US-Militärmaschine, die Informationstechnologie. In der Vergangenheit gründete die strategische Kriegsplanung auf Nuklearwaffen, im Informationszeitalter bedeutet strategische Kriegsplanung Cyber warfare, so die Studie. Der Cyberkrieg im Weltraum bedeutet Angriffe auf gegnerische Satelliten und Raumfahrzeuge, am Boden dagegen ist er ein umfassender "digitaler Volkskrieg" bei dem alle aktiv werden, das Militär, ebenso wie zivile Hacker.

Der Krieg im Weltraum umfasst Angriffe im Weltraum, Verteidigung im Weltraum und Unterstützung durch Aufklärung, Zielerfassung und Datenerfassung. Angriffe beinhalten Störung der gegnerischen Signale, aber auch direkte Angriffe - "hard kill" und "soft kill", "soft kill" heißt Störsender, Angriffe auf die Netzwerke und "elektromangnetische Täuschungsmanöver". Cyberangriffe nutzen Viren, DoS-Angriffe und "detonation of [a] network bomb that can instantaneously paralyze or destroy enemy’s information network".

Der Cyberkrieg kennt keine Grenzen, er ist global, kennt keine Front, keine Etappe, findet zu Land, auf See, in der Luft und im Weltraum statt. Und der Cyberkrieg ist schnell. Er erlaubt einen plötzlichen und überraschenden Angriff zu jeder Tag und Nachtzeit, bei jeden Wetter, zu jeder Jahreszeit und ist nicht durch die Geographie begrenzt. Alles Faktoren, die dem Krieg früher Schranken auferlegt haben.

Gedanken zum Cyberkrieg sind in China nicht neu. Schon in einer Studie aus dem Jahr 2005, so berichtet The Washington Free Beacon, planten die Chinesen im Fall des Falles bis zu 8 GPS Satelliten auszuschalten, um die GPS Signale empfindlich zu stören und damit die Zielgenauigkeit der US-Raketen und Smartbombs auszuschalten. Ein solcher Angriff würde das US-Militär empfindlich treffen. Die militärische Überlegenheit der USA beruht auf ihrer Luftüberlegenheit und diese auf der Präzision der Luftschläge, diese jedoch wiederrum auf dem GPS-System.

Es macht daher Sinn, dass die chinesische Verkehrsbehörden das Transportgewerbe zur Nutzung des kürzlich in Betrieb gegangenen eigenen Navigationssystems BeiDou Satellite System (BDS) zwingen will. Schließlich muss der Transport ja auch im Kriegsfall weiterhin funktionieren.

Wie ernst sind solche Kriegsplanungen (und die entsprechende US-Hysterie) zu nehmen? Immerhin gibt es in Asien eine Menge Spannungen und schwelende Konflikte (Reif für Feindseligkeiten?). Ziemlich ernst, meint jedenfalls Marc Faber, Herausgeber des Gloom Boom & Doom Reports und Leiter eines Hedgefonds in Hongkong. Auf dem Institutional Money Kongress 2012 jedenfalls hielt er einen künftigen Krieg zwischen den USA und China für ziemlich unvermeidlich. Er vergleicht die globale Situation zwischen den USA und China mit der Rivalität zwischen Deutschland und England um 1900 und sagt, dass die etablierte Macht die neue, aufstrebende Macht unten halten, während die aufstrebende Macht mehr Bedeutung in der Welt erlangen will, woraus hegemonistische Kriege folgen können. Außerdem würden steigende Rohstoffpreise generell die Kriegsgefahr erhöhen (im Interview ab ca 2:30).