China testete Antisatellitenwaffe
Der vermutlich erfolgte Abschuss eines Wettersatelliten mit einer Rakete fordert den Anspruch der USA auf die Hoheit im Weltall heraus - oder soll die USA dazu bewegen, endlich ein Abkommen über ein Verbot der Weltraumaufrüstung zu unterstützen
Schon lange wurde gemunkelt, dass China Antisatellitenwaffen entwickeln würde (Parasitensatelliten). Nun hat China mit dem vermuteten Abschuss eines eigenen alten Satelliten in einer Höhe von 800 km durch eine Rakete nicht nur erstmals seit dem Kalten Krieg eine Demonstration der Macht im Weltraum inszeniert, sondern auch eine neue Epoche der militärischen Aufrüstung eingeleitet. Satelliten mit Raketen zu zerstören, die vom Boden abgeschossen werden, hatten bereits die USA und die Sowjetunion versucht, sich aber nach dem Scheitern auf Killersatelliten oder von Flugzeugen abgefeuerten Raketen konzentriert. Der chinesische Test der Antisatellitenwaffe wird von der US-Regierung, aber auch von anderen Staaten wie Japan oder Australien kritisiert.
Den am 11. Januar erfolgten Abschuss hatte am 17. Januar zuerst die Zeitschrift Aviation Week gemeldet. Der Sprecher des Weißen Hauses zeigte sich besorgt. Gordon Johndroe, der Sprecher des National Securiry Council, erklärte, dass "die Entwicklung und das Testen solcher Waffen mit dem Geist der Kooperation, den beide Länder im Bereich der zivilen Luftfahrt wünschen", nicht zusammen passe. Kritisiert wurde von amerikanischer Seite, dass der Test von der chinesischen Regierung nicht angekündigt worden sei.
Neben dem weiteren Schritt zur Militarisierung wird China u.a. von der britischen Regierung vorgeworfen, mit der Zerstörung des Satelliten eine ganze Menge an Weltraummüll verursacht zu haben, der nun noch Jahre lang andere Satelliten bedrohen könnte. Bei einem Satelliten dem chinesischen mit einem Gewicht von 750 kg könne man von 800 Fragmenten ausgehen, die über 10 cm groß sind, und Zehntausenden von kleineren Stücken. Unklar ist freilich noch, ob der Satellit mit einem "kill vehicle" kinetisch zerstört wurde, was eine sehr hohe Zielgenauigkeit erfordern würde.
Der Abschuss des Wettersatelliten Feng Yun 1C verstößt nicht gegen die bestehenden Weltraumabkommen. Der Outer Space Treaty fordert zwar eine friedliche Nutzung des Weltalls, verbietet aber nur die Stationierung von Atom- und anderen Massenvernichtungswaffen auf Umlaufbahnen oder Himmelskörpern. Auf dem Mond sind nach dem Abkommen militärische Stützpunkte und Waffentests verboten.
Der Raketentest verletzte also nicht explizit das UN-Weltraumabkommen. Trotzdem war er eine gezielte Provokation. Vermutlich erfolgte diese Demonstration vornehmlich aus zwei Gesichtspunkten. China will beweisen, dass es durchaus willens und in der Lage ist, auch militärisch den Weltraum zu besetzen und den von der US-Regierung immer wieder, durchaus provokanten Anspruch auf unbedingte Souveränität im Weltraum zu unterminieren. Schon die von Rumsfeld bis zu seiner Nominierung als Verteidigungsminister geleitete Kommission forderte die Notwendigkeit der militärischen Überlegenheit der USA im Weltraum und warnte vor einem Pearl Harbor im Weltraum. Der Anspruch, auch im Weltraum Supermacht zu sein, wurde erst Ende 2006 wieder betont (US-Regierung betont "Recht auf Selbstverteidigung" im Weltraum), nachdem zuvor die Nationale Weltraumpolitik beschlossen wurde Unbehinderte Handlungsfreiheit im Weltraum). Ausdrücklich heißt es hier:
Vorgeschlagene Rüstungskontrollabkommen oder -begrenzungen dürfen nicht die Rechte der USA beeinträchtigen, Forschung, Entwicklung, Tests und Operationen oder andere Aktivitäten im Weltraum in Verfolgung der nationalen Interessen nachzugehen.
Dieses "Recht" hat nun China für sich in Anspruch genommen, das die USA nicht nur für die Zukunft, sondern bereits mit der Entwicklung von Laserwaffen gegen Satelliten oder mit Jammern gegen Satellitenkommunikation beanspruchen (Laserwaffe gegen Satelliten). Auch andere Staaten, Russland allen voran, werden militärische Systeme für den Weltraum konzipieren oder entwickeln. Die Frage dürfte aber sein, ob China mit dieser Demonstration in den Rüstungswettlauf aktiv eintreten oder Druck auf die USA und die Alliierten ausüben will, endlich zu einem internationalen Abkommen zum Verbot der militärischen Aufrüstung im Weltall zu gelangen. Eine Abrüstung im Weltall haben China und Russland schon längere Zeit gefordert (China warnt vor Aufrüstung im Weltall), die US-Regierung hat sich dem bislang immer verweigert und auch zuletzt für sich in Anspruch genommen, dass sie Gegner, falls notwendig, die Benutzung von Weltraumkapazitäten "verweigern" wird. Was auch immer die chinesische Regierung intendiert haben mag, vorerst wird sie damit dem Wettrüsten die Tür weiter aufgestoßen haben.
Auch Russland argumentiert mit der Einseitigkeit der US-Regierung. So erklärte General Leonid Ivashov, der Vizepräsident der Russischen Akademie für geopolitische Angelegenheiten:
Wir erinnern an die Äußerungen von Bush über die Monopolisierung des Weltraums und seine Drohung, alle nicht identifizierten Satelliten zu zerstören. Daher kann man sagen, dass es tatsächlich die Amerikaner sind, die einen neuen Rüstungswettlauf im Weltraum auslöseen.
Es bestehen allerdings Vermutungen, dass die Chinesen dem Abschuss des Satelliten ein wenig nachgeholfen haben könnten. NORAD (North American Aerospace Defense Command) beobachtet die Umlaufbahnen von Satelliten. Bemerkt wurde von James Oberg von NBC, dass NORAD täglich das gesamte letzte Jahr über nur ein oder zweimal über Fengyun 1C berichtet hatte, am 10. Januar hätte es dann drei, am 11. Januar fünf und dann keine Berichte mehr gegeben. Oberg geht davon aus, dass die Chinesen wahrscheinlich den Satelliten vor dem Abschuss noch einmal aktiviert haben. Die NORAD-Daten zeigten, dass die Umlaufbahn um 30 km erhöht wurden, nach Oberg allgemeine Praxis beispielsweise auch bei der Internationalen Raumstation, um das Ansteuern und Andocken eines von der Erde kommenden Raumschiffs zu erleichtern. Ohne ein solches Manöver hätten die chinesische Rakete den Satelliten von der Seite treffen müssen, was weitaus schwieriger und ungenauer sei.
Wenn die Beobachtung zutrifft, so wären Satelliten nicht ganz so schutzlos chinesischen Angriffen ausgesetzt, wie es zunächst aussieht. Allerdings ließen sich Angriffe kaum abwehren, da eine Rakete zu schnell ihr Ziel auf einer Umlaufbahn erreichen würde. Je höher die Umlaufbahn ist, desto länger dauert der Angriff allerdings und desto schwächer könnte der Antrieb werden. Schützen ließen sich Satelliten prinzipiell dadurch, wenn sie über einen Antrieb verfügten, um schnell aus der Bahn einer ballistischen Rakete fliegen zu können. Aber dazu müsste der Satellit zuviel Treibstoff mit sich führen, wie Theresa Hitchens vom Center for Defense Information anmerkt. Eine andere Möglichkeit wären vielleicht Schwärme kleinerer Satelliten oder Attrappen, um die Zielsysteme zu verwirren. Das Pentagon entwickelt beispielsweise den auf einer 747 montierten Airborne LaserA, der angreifende Raketen vielleicht einmal beim Start unschädlich machen könnte. Und man denkt an die Entwicklung eines Waffensystems zum "Prompt Global Strike", um beispielsweise mit Trident- oder X-51-Raketen weltweit innerhalb einer Stunde zuschlagen zu können.