Testlauf in Niedersachsen
Die Landtagswahl in Niedersachsen gilt als wichtiges Stimmungsbarometer vor der Bundestagswahl 2013. Das Abschneiden der FDP könnte hier wie dort über die künftigen Machtverhältnisse entscheiden
Knapp vier Jahre nach dem historischen Erfolg bei der Bundestagswahl 2009 hat sich die FDP in die politische Bedeutungslosigkeit katapultiert. Außerhalb von Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, wo mit Christian Lindner und Wolfgang Kubicki die letzten Hoffnungsträger residieren, weiß nicht einmal mehr ihr potenzieller Koalitionspartner, was er mit den inhaltlich und personell gescheiterten Liberalen anfangen soll.
Unter diesen Umständen dürfte auch Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister der Idee, künftig ohne die FDP zu regieren, einiges abgewinnen können. Doch das wird nicht funktionieren.
Regierung auf Abruf
Bis dato hat McAllister nicht nur den Absturz seines politischen Ziehvaters Christian Wulff, sondern - im Gegensatz zu vielen anderen Nachwuchskräften der Union - auch die Freundschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel schadlos überstanden. Der 41-Jährige ist beliebt - Anfang Dezember votierte sogar jeder vierte SPD-Wähler für den CDU-Ministerpräsidenten, der sowohl beim Thema Energiewende als auch in der causa Wulff mehr Fingerspitzengefühl bewies als viele seiner Parteifreunde und im Bereich der Arbeitsmarktpolitik positive Impulse vermelden konnte.
Doch während der zehnjährigen Regierungszeit der schwarz-gelben Koalition blieben auch viele Probleme ungelöst oder nahmen an Schärfe zu. Der Schuldenberg des Landes ist inzwischen auf 60 Milliarden Euro angewachsen. Niedersachsen hält als einziges Bundesland neben Bayern unbeirrt an den umstrittenen Studiengebühren fest. Der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz für ein- bis dreijährige Kinder kann aktuell nur für rund 20 Prozent erfüllt werden, und eine Begradigung der sozialen Schieflage ist der Regierung in den vergangenen zehn Jahren allenfalls bedingt gelungen.
Schließlich hat der geplante Ausbau von Autobahnen, Bahnstrecken und Wasserstraßen, beispielsweise die umstrittene Y-Trasse, die den Bahnverkehr von Hannover über Walsrode nach Hamburg und Bremen beschleunigen soll, vielerorts das Zeug zu niedersächsischen Varianten von Stuttgart 21.
Trotzdem kann die Union am 20. Januar mit rund 40 Prozent der Zweitstimmen und selbstredend auch mit deutlichen Siegen in den traditionell "schwarzen" Wahlkreisen im Emsland und in der Grafschaft Bentheim rechnen.
Um weiterhin den Ministerpräsidenten zu stellen, bedarf es aber der Hilfe des bisherigen Koalitionspartners, der es mindestens in den Umfragen nicht einmal über die Fünf-Prozent-Hürde schafft. Praktisch alle Erfolge, so sie denn als solche gewertet werden, schreiben die Niedersachsen der CDU zu. Die FDP um Spitzenkandidat Stefan Birkner wird weder in der Regierungsarbeit noch bei der Formulierung politischer Positionen wahrgenommen.
Gleichwohl streben die Liberalen 300.000 Stimmen an, die mit Hilfe einer "Freiwilligen-WG" und einer Aktion gewonnen werden sollen, die sich nach Einschätzung der Fraktionsvorsitzenden aus Niedersachsen und NRW, Christian Dürr und Christian Lindner, auf die "wichtigste Länderaufgabe der kommenden Jahre" konzentriert. Dass die Wähler die Initiierung eines Volksbegehrens "Schluss mit Schulden" als politische Glanzleistung honorieren, darf allerdings bezweifelt werden. Auch wenn die Aufnahme der Schuldenbremse in die Verfassung an der Opposition scheiterte, hatten CDU und FDP immerhin zehn Jahre Zeit, die Weichen in Richtung einer nachhaltigen Konsolidierung der Staatsfinanzen zu stellen.
Es sieht nicht gut aus für die Liberalen - und da der Wahlkampf von bundespolitischen Themen überlagert wird und längst zu einem Testlauf für den September 2013 mutiert ist, hat der angeschlagene und angefeindete Parteichef Philipp Rösler allen Grund sich Sorgen zu machen.
Damit ist auch die Frage, was aus Merkels letztem Mann wird, allemal berechtigt. Ohne FDP mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Ministerpräsident und so übt sich David McAllister in Zweckoptimismus. "Die FDP kann sieben Prozent schaffen", meinte der Noch-Regierungschef, der sich ebenfalls die Vorlage eines ausgeglichenen Haushalts auf die Fahnen geschrieben hat. McAllister beruft sich im Gegensatz zur FDP auf seinen Landsmann, den britischen Militärgouverneur Sir Gordon McReady, dem dieses Kunststück zum letzten Mal gelang. Das war allerdings 1946 …