Teufelspakt? Kirchen wenden sich gegen Merz-Gesetz zu Migration und AfD-Zusammenarbeit
![Jüsten (re.), Gidion (mi.) mit Rüstungsexperten der GKKE, Mutschler (li.).](https://heise.cloudimg.io/width/700/q75.png-lossy-75.webp-lossy-75.foil1/_www-heise-de_/imgs/18/4/7/8/9/3/5/7/Header-Foto-777x437-3ddf84227dac7741.jpeg)
Jüsten (re.), Gidion (mi.) mit Rüstungsexperten der GKKE, Mutschler (li.). Bild: gkke.org
Scharfe Kritik von EKD und Bischöfen. Brief an Abgeordnete warnt vor "Zustrombegrenzungsgesetz". Was die Kirchen befürchten, ist verheerend.
Die Bevollmächtigten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sowie der katholischen deutschen Bischöfe, Prälatin Anne Gidion und Prälat Karl Jüsten, haben in einem Schreiben an den Bundestag scharfe Kritik an dem geplanten "Zustrombegrenzungsgesetz" geäußert.
Die Vertreter der beiden großen Kirchen in Deutschland warnen zudem vor einer kalkulierten Abstimmung mit der AfD-Fraktion. Das Schreiben, das Telepolis vorliegt und über das auch der Berliner Tagesspiegel berichtet, richtet sich an eine unbekannte Zahl von Abgeordneten. Der gemeinsamen Mail hing ein Rechtsgutachten an, das inzwischen auf der Seite des Kommissariats der deustchen Bischöfe einhzusehen ist.
"Zeitpunkt und Tonlage der aktuell geführten Debatte befremden uns zutiefst", heißt es in dem Schreiben. Die Debatte sei "dazu geeignet, alle in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten zu diffamieren, Vorurteile zu schüren" und trage nach Ansicht der Kirchenvertreter "nicht zur Lösung der tatsächlich bestehenden Fragen bei".
Unionsvorstoß "nicht zielführend"
Die im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Verschärfungen bezeichnen Gidion und Jüsten als "nicht zielführend, vergleichbare Taten zu verhindern und tragfähige Antworten auf das öffentliche Sicherheitsbedürfnis zu geben".
Konkret kritisierten die Kirchenvertreter, dass "dauerhafte Grenzkontrollen und eine Abweisung von Schutzsuchenden an den deutschen Außengrenzen gegen geltendes EU-Recht" verstießen. Die EU beruhe "im Wesentlichen darauf, dass für gemeinsame Schwierigkeiten gemeinsame Lösungen gefunden werden, nationale Alleingänge zerstören auf Dauer das Fundament der Europäischen Union", so Gidion und Jüsten.
Verfassungsrechtliche Bedenken
Auch das "Ansinnen einer dauerhaften Inhaftierung von Ausreisepflichtigen, wenn eine Abschiebung absehbar nicht durchgeführt werden kann", verstoße "gegen verfassungsrechtliche Garantien".
Mit dem "Zustrombegrenzungsgesetz" will die Unionsfraktion im Bundestag eine deutliche Verschärfung der Migrationspolitik erreichen.
Der von ihr vorgelegte Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, dass die "Begrenzung" illegaler Migration wieder im Aufenthaltsgesetz verankert werden soll.
Auf AfD angewiesen
Der Familiennachzug für Personen mit eingeschränktem Schutzstatus soll gestoppt und der Bundespolizei ermöglicht werden, bei aufgegriffenen Personen ohne gültige Dokumente eigenständig Abschiebehaft zu beantragen.
Um den Gesetzentwurf gegen den Willen der aktuell amtierenden rot-grünen Minderheitsregierung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) durchzubringen, ist die Union auf die Stimmen von AfD, BSW und FDP angewiesen.
Diese haben bereits ihre Zustimmung signalisiert, auch wenn das BSW nur Teile der Unions-Pläne mittragen will. Auch die FDP hat inzwischen angekündigt, dem Gesetzentwurf zuzustimmen, lehnt aber einen von der Unionsfraktion ebenfalls vorgelegten Fünf-Punkte-Plan für eine Wende in der Migrationspolitik ab.
Bundeskanzler Scholz hat die Union aufgefordert, ihren Widerstand gegen vorliegende Gesetzentwürfe seiner Regierung zu schärferen Asyl- und Sicherheitsmaßnahmen aufzugeben. Es sei "empörend", dass CDU/CSU einerseits "unausgegorene oder klar rechtswidrige Vorschläge" mache, andererseits aber konkrete Vorschläge der Regierung blockiere.
Ein Zustandekommen des "Zustrombegrenzungsgesetzes" gilt jedoch selbst bei einer Zustimmung des Bundestages als unwahrscheinlich, da auch der Bundesrat zustimmen müsste. Dort dürfte es angesichts von Landesregierungen mit grüner Beteiligung keine Mehrheit geben.
Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, sprach von einer "großen Herausforderung im Bundesrat" – mit einer eigenen Unionsmehrheit sei dort eine Zustimmung nicht möglich.
Gidion und Jüsten jedenfalls haben ihr Urteil gefällt: Die Fraktionen hätten sich mit der Auflösung der Ampelkoalition darauf verständigt, keine Abstimmungen herbeizuführen, in der die Stimmen der AfD ausschlaggebend seien, schreiben sie: "Wir befürchten, dass die deutsche Demokratie massiven Schaden nimmt, wenn dieses politische Versprechen aufgegeben wird."