The Battle for Domain Names

Erfurt und die virtuellen Folgen

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Der Erfurter Amoklauf hat Deutschland nachhaltig verändert. Aber nicht nur Deutschland, sondern auch das deutschsprachige Internet ist nicht mehr das, was es einmal war. So gingen Seiten wie amoklauf.de nach dem blutigen Ereignis aus Pietät vom Netz, obgleich sich die Eigentümerin recht viel versprechend "Amoklauf Event & Marketing GmbH" nennt. Andere Websites gingen online wie schulmassaker.de oder erfurter-amoklauf.de. Und manche gingen sogar online, um bald wieder offline zu gehen. Beispielsweise www.robersteinhaeuser.de - eine Domain, die den Namen des Erfurter-Todesschützen trägt, und ein Ort im Netz, wo ein gewisser Stefan Christ - Nomen est Omen - eine virtuelle Gedenkstätte errichten wollte.

Das verriet er vor gut einer Woche der Online-Ausgabe der so genannten Bild-Zeitung, die dann sofort den redaktionseigenen Taschenrechner zückte, um für uns, den Leser, mal nachzugucken, was so ein privates Mahnmal eigentlich kostet: "5,95 Euro zahlte er für die Bereitstellung der Domain. Pro Monat kostet ihn die Seite rund zwei Euro. Christ: 'Das sind mir die Ermordeten aber wert.'"

Inzwischen wurde Christ jedoch offensichtlich vom Teufel heimgesucht, hat danach selbst noch mal knauserig-dämonisch nachgerechnet und die Seite wieder abgemeldet. Nach Angaben von denic.de (Stand: 9. Mai) ist die Domain nämlich wieder zu haben. Im Unterschied zu www.robert-steinhaeuser.de, die im Besitz eines hannoverschen Studenten ist. Ob dieser dort nun ebenfalls ein ehrenwertes Mahnmal, einen interaktiven Puff oder eine schnöde Spielhölle errichten möchte, wissen wir nicht und wollen wir übrigens auch gar nicht wissen.

Stattdessen erfreuen wir uns lieber an einer Seite, die auf subtilste Art Medienkritik betreibt und uns allen eine Ursache der Jugendgewalt drastisch vor Augen führt. Weil es ja schließlich auch und gerade ultrabrutale Videos oder Splatter-TV-Shows wie "Wer wird Profikiller?", "Verstehen Sie Spaß?" oder "Der lustige Amokstadl mit Heckenschütze Charly Oik" sind, die die Gewaltbereitschaft unserer Jugendlichen konsequent erhöhen. Und weil schließlich zum Konsum dieser medialen Verführer eines auf jeden Fall dazugehört: und zwar eine Fernbedienung - hat also Frau Susan K. aus der gemütlichen Geiselnehmerstadt Gladbeck sich kurzerhand www.tod-in-der-schule.de gesichert und verkauft dort: Fernbedienungen! Jedenfalls tut sie so, in Wirklichkeit will sie mit diesem Angebot ihre meist noch recht jungen Kunden ansprechen, um sie anschließend in Gewaltselbsthilfegruppe zu locken. Dazu kann man Frau K. nur gratulieren und ihr weiterhin viel Glück wünschen.

Doch im Vergleich zum ungekrönten Domain-König Gary Lauck liefern unserer Erfurter-Amok-Netzseitengründer dennoch nur Peanuts. Der US-Nazi, der seinem Vorbild, dem Teletubbie Tinky Winky, übrigens immer ähnlicher wird (siehe dieses erschreckende Foto-Dokument), ist nämlich gerade dabei, sich alle .biz-Adressen im Internet zu sichern - Motto: Erst .biz, dann .com und irgendwann den Rest der Welt!

Eigentlich eine Schnapsidee, selbst für einen bekennenden Hundefreund wie Lauck ("Der Hund ist des Menschen treuster Freund!"). Doch der amerikanische NS-Oberschafskopfführer führt natürlich etwas ganz anderes im Schilde. Für ihn ist diese neurotische Netzseiten-Sammlerleidenschaft nämlich "The Battle for Domain Names", den er auf Hitler komm raus engagiert fürs Menschenrecht auf Dummheit und Dämlichkeit führt.

Und dazu fällt uns zum Schluss nur noch eins ein: massenmord.de, wo wir schockiert lesen mussten: "Das Ziel der Umleitung kann jederzeit in Ihrem Konfigurationsmenü, das Sie unter dem Punkt ,Kunden-Login' finden, geändert werden."