The Fracking States of America
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Die Energie- und Klimawochenschau: Über Ungleichheit, grüne Fassaden, Sondergerichte für Konzerne und Deutschlands anhaltende schwere Dürre
Im schweizerischen Davos hat gestern das alljährliche Weltwirtschaftsforum begonnen, eine private Veranstaltung, auf der sich die Mächtigen dieser Welt treffen, um im informellen Rahmen deren Zukunft auszuhandeln. Auch diverse Regierungschefs hat man eingeladen und ein paar Umweltschützer und Nichtregierungsorganisationen. Sozusagen als schmückendes Beiwerk.
Denn in diesem Jahr steht das Forum ganz im Zeichen der Klimakrise. "Averting a Climate Apocalypse" - "Klima-Apokalypse abwenden" lautet der Titel der Auftakt-Session. Eingeladen hat man als Rednerin unter anderem Greta Thunberg, die junge schwedische Aktivistin, die mit ihren zunächst einsamen Aktionen in Stockholm über die sozialen Netzwerke des Internets Ende 2018 schließlich eine weltweite Jugendbewegung ins Rollen brachte.
"Trotz der klaren Risiken", heißt es im Einladungstext, "sind die weltweiten Kohlendioxid-Emissionen weiter auf dem Kurs, die globale Erwärmung auf über 1,5 Grad Celsius zu heben. Wie können Wirtschaft und Regierungen zusammenarbeiten, um die schnellen und weitreichenden Veränderungen zu beschleunigen, die das 1,5-Grad-Ziel erfordert."
Das hört sich für Klimaschützer ganz nett an, aber diese Art von Nettigkeiten sind sozusagen das Markenzeichen des Forums, das es bereits seit den 1970er Jahren gibt. Um aus diesen Nettigkeiten Handlungen folgen zu lassen, müssten die versammelten Manager und Superreichen zunächst einmal den Kern des seit den frühen 1980er Jahren nach und nach nahezu weltweit durchgesetzten Wirtschaftens, die massive und anhaltende Umverteilung von unten nach oben in Frage stellen.
Denn alle durchgerechneten Szenarien der Klimawissenschaftler und Ökonomen haben gezeigt, dass erfolgreicher Klimaschutz nur gelingen kann, wenn die Welt deutlich egalitärer organisiert, das heißt, der inzwischen durchaus erhebliche Wohlstand besser verteilt wird.
Das war eines der Ergebnisse des 2017 veröffentlichten Berichts des UN-Wissenschaftlergremiums IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change, Zwischenstaatlicher Ausschuss zu Fragen des Klimawandels), in dem es um die Bewertung des Unterschiedes ging, den eine globale Erwärmung um 1,5 oder um zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau macht.
Reichtum und Armut
Mit der Gleichverteilung des Reichtums sieht es derzeit allerdings extrem schlecht und zunehmend schlechter aus. Nach Daten der Entwicklungsorganisation Oxfam lebt einerseits die Hälfte der Menschheit von weniger als 5,5 US-Dollar am Tag (fünf Euro), während andererseits ein Prozent der Weltbevölkerung über mehr als doppelt so viel Reichtum verfügt wie die ärmeren 6,9 Milliarden der Weltbevölkerung.
Ein Anfang könnte schon die Steuerehrlichkeit sein. Die Superreichen würden 30 Prozent ihrer Steuerschulden nicht zahlen, während jedes fünfte Kind, insgesamt 258 Millionen weltweit, nicht zur Schule gehen könne. Betroffen sind überdurchschnittlich viele Mädchen.
Auch solche Themen werden in Davos sicherlich zur Kenntnis genommen, möglichst öffentlichkeitswirksam, versteht sich, damit die Menschen draußen im Lande sehen, dass man sich bemüht, aber geschehen wird wenig oder auch gar nichts.
Doch hinter der grünen Fassade wird auch wieder über internationale Schiedsgerichte gesprochen werden, worauf die Kampagnen-Plattform Wemove.eu hinweist. Diese Schiedsgerichte, die sich jeder öffentlichen Kontrolle entziehen, werden im Rahmen diverser Handels- und Investitionsschutzverträge eingerichtet, eine Entwicklung, die seit Jahren insbesondere von Deutschland vorangetrieben wird.
Vor den Schiedsgerichten, deren Richter von den streitenden Parteien bestellte Juristen sind, können Konzerne Staaten unabhängig von deren nationaler Rechtsprechung wegen entgangener Gewinne verklagen.
Unter anderem betreibt Vattenfall eine Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen des Atomausstiegs. Für das Verfahren wurden bereits 18,6 Millionen Euro ausgegeben, weitere 2,5 Millionen Euro sind für dieses Jahr eingeplant, wie es bei der Umweltschutz Greenpeace heißt.
Uniper gegen Kohleausstieg
Gemeinsam mit dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac hat man am Dienstag in Berlin an Vattenfall und Uniper aus diesem Grund die "goldene Klobürste" verliehen. Uniper wurde beehrt, weil es in Datteln ein neues Kohlekraftwerk in Betrieb nehmen will und weil es derzeit überlegt die niederländische Regierung wegen des beim Nachbarn für 2030 beschlossenen Kohleausstiegs zu verklagen.
Dass Konzerne weiterhin in den Klimakiller Kohle investieren und die Kosten für den Kohleausstieg sowie horrende Entschädigungszahlungen dann von Steuerzahlern einkassieren wollen, ist ein Skandal! Die Bundesregierung muss schnellstmöglich aus dem Energiecharta-Vertrag austreten und auch alle anderen Abkommen kündigen, die ähnliche Sonderklagerechte für Konzerne beinhalten! Zudem darf sie nicht zulassen, dass mit Datteln IV ein weiteres Uniper-Kohlekraftwerk noch in diesem Jahr in Betrieb geht.
Hanni Gramann, Attac
Uniper wird übrigens seit kurzem vom finnischen Staatsunternehmen Fortum kontrolliert. Die neue Regierung in Helsinki hat zwar vor, das Land bis 2030 klimaneutral zu machen, aber was das für Fortum heißt ist offen. Man kann nur hoffen, dass Finnlands jungen Ministerpräsidentin Sanna Marin sich bei ihrem Besuch in Davos nicht versucht herauszureden.
US-Präsident Donald Trump ist da auf jeden Fall etwas ehrlicher. Ebenfalls als Redner nach Davos eingeladen, gab er auf das Eröffnungspanel, auf dem neben Greta Thunberg auch eine ganze Reihe weitere engagierter junger Leute aus aller Welt saßen, gleich am ersten Tag eine Breitseite ab.
"Um die Chancen von Morgen zu ergreifen, müssen wir die ewigen Unkenrufer und ihre Untergangsprognosen zurückweisen. Sie sind die Erben der albernen Wahrsager von Gestern", zitiert ihn unter anderem der Spiegel.
Zukunft als Rohstoffexporteur?
Wie diese "Chancen von Morgen" aussehen, hatte Trump gerade mit einem neuen Handelsabkommen mit China demonstriert. In diesem sagt China zu, größere Mengen von verflüssigtem Erdgas oder LNG (Liquified Natural Gas) abzunehmen und US-Firmen - zunächst für einige Jahre begrenzt - freien Zugang zur Ausbeutung von sogenannten unkonventionellen Erdgaslagerstätten zu gewähren.
Es geht um Frackinggas, um Erdgas, das mit erheblichem Aufwand an Energie und giftigen Chemikalien vor allen in den USA aber auch in Argentinien und einigen anderen Ländern aus dem Untergrund geholt wird. Das Verfahren ist nicht nur als Auslöser zahlreicher kleiner Erdbeben und wegen seiner Belastung für das Grundwasser in den betroffenen Regionen berüchtigt. Bei ihm entweicht auch relativ viel Methan, wie zuletzt einmal mehr die New York Times aus den USA berichtet.
Methan ist Hauptbestandteil des Erdgases und zugleich ein sehr potentes Treibhausgas. Ein einzelnes Methanmolekül ist wesentlich effektiver als ein CO2-Molekül, wenn es um das Einfangen von Wärmestrahlung, also um die Erwärmung unseres Klimas, geht. Aber es ist nicht so langlebig. Seit etwa 2007 wird wieder ein Anstieg der Methankonzentration in der Atmosphäre verzeichnet. Rund ein Drittel davon führen Wissenschaftler auf den etwa zur gleichen Zeit einsetzenden Fracking-Boom in den USA zurück.
Trumps Deal mit China ist also für das Klima eine ziemlich schlimme Sache. Er ist aber auch wirtschaftlich außerordentlich kurzsichtig. Denn die Erdgaslagerstätten werden irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft erschöpft sein und China wird die US-Firmen allein schon wegen der Auswirkungen auf das Klima nicht sehr lange im Lande agieren lassen. Wobei ohnehin abzuwarten bleibt, wie frei sie agieren können, denn unter anderem können mit dem Umweltrecht sicherlich allerlei Schrauben angezogen werden.
Dass sich aber ein Industrieland so sehr auf den Export von Rohstoffen kapriziert, wie es Trump-Amerika macht und übrigens auch das benachbarte Kanada, wo riesige Wälder für die Teersandgewinnung aus dem Weg geräumt werden, hat schon etwas morbides. Das fühlt sich eher wie ein Rückfall ins frühe 20. Jahrhundert an und nicht wie eine Antwort für das 21.
In früheren Jahren war das Davoser Treffen oft Ziel lautstarker Proteste von Globalisierungskritikern, die mitunter von der Polizei recht gewaltsam auf Distanz gehalten wurden. Zwischenzeitlich ist es ruhiger geworden. Aber in diesem Jahr gibt es zum ersten Mal seit langem wieder Proteste direkt vor Ort. Eine "Klimawanderung", die sich bereits vor ein paar Tagen auf den Weg gemacht hatte, blockierte, wie u.a. Anett Selle auf Twitter berichtet für einige Zeit die einzige Zufahrtsstraße nach Davos.