Tod im Netz
Wenn das Profil einer Social Networking Site zum Steckbrief wird
Bislang galt es als hysterisch, wenn ein Onliner der ersten Generation Bedenken über den offenen Umgang der "Generation Web 2.0" mit persönlichen Daten äußerte. Nun ist der erste Fall aktenkundig, in dem jemand anhand seines Profils bei MySpace identifiziert und ermordet werden sollte. Verhindert wurde es außerhalb des Internets.
In Deutschland ist der Tod im Netz noch ein Tabuthema: für den letzten Link im Artikel Bloggers Anonymous drohten etliche Blogger dem Autor ewige Feindschaft an, Journalistenkollegen unterstellten geschmacklose Sensationsmache und Jagd nach Hits, riefen gar nach einer öffentlichen Diskussion und Rüge, obwohl der Grund für den praktisch unkommentierten Schlusslink schlichtweg war, dass auch einem berufsmäßigen Schreiber einmal die Worte fehlen können.
In Amerika ist die Online-Community längst nicht mehr so pietätvoll: Im Umkreis des ohnehin krachigen und bunten MySpace gibt es nicht nur geschmacklich fragwürdige Musik, sondern auch virtuelle Friedhöfe (Submit a Death), in denen die nicht nur aus dem virtuellen, sondern auch aus dem realen Leben geschiedenen ehemaligen Mitglieder säuberlich numeriert aufgelistet werden – mit Sicherheit nicht immer im Sinne der Verstorbenen und deren Angehörigen.
Wirklich heftig wird es dann allerdings, wenn Verkehrsunfälle mit Todesfolge oder Morde in Blogs und Social Networking Sites erst erwähnt, dann diskutiert und schließlich gnadenlos breit getreten werden – auch reine Online-Bekannte der Beteiligten werden von anderen Usern mit E-Mails im Minutentakt schlimmer bedrängt als die Verwandten spektakulär Verstorbener von Bildzeitungsreportern.
In Mesa, Arizona, USA ist nun das eingetreten, vor dem wegen der "neuen Offenheit" der sozialen Online-Netzwerke immer gewarnt worden war: die Daten, die über eine 18-jährige bei MySpace hinterlegt waren, hätten sie beinahe das Leben gekostet. Der Grund: Die 22-jährige Heather Michelle Kane wollte die neue Flamme ihres Ex aus dem Weg schaffen, genauer gesagt: für 1000 Dollar an ihrem Arbeitsplatz mit einem Kopfschuss töten lassen.
Die Adresse ihres Opfers und seines Arbeitsplatzes hatte Kane aus der MySpace-Seite ihres Ex entnommen, ebenso wie ihr Foto, das sie dem von ihr gedungenen Killer übergab. Allerdings hatte ein Nachbar der eifersüchtigen Dame von deren mörderischen Absichten gehört und ihr den Killer vermittelt, der in Wirklichkeit ein Polizeibeamter war, weshalb die 18-jährige jetzt noch lebt. Und nun vermutlich ihre Online-Accounts eiligst gelöscht hat.