True Crime vs. wahre Justiz: Wenn Richtersprüche auf Mediendruck treffen

Das Bild zeigt einen fiktiven Tatort mit Polizei,markierungen und einer Brille auf einem nächtlichen Boden in blauem Licht

Bild: Gorodenkoff/ Shutterstock.com

Justiz und Medien - eine heikle Beziehung. Gerichtsreporter gehören zum Rechtsstaat wie Richter und Anwälte. Doch was passiert, wenn True Crime die Wahrheit verdreht?

Mit der Berichterstattung über Gerichtsverfahren beschäftigt sich eine Langzeit-Reportage der NRD-Sendung Zapp: "Der Verteidiger – Zwischen Gericht und True Crime Show".

Darin begleitet die Journalistin Konstanze Nastarowitz den aus Gerichtsshows, medial wirksamen Prozessen (wie den gegen Gil Ofarim) und von Büchern her bekannten Strafverteidiger Alexander Stevens über mehrere Monate bei seiner Arbeit.

Diese umfasst nicht nur Bürotätigkeiten in der Kanzlei und vor Gericht, sondern auch Live-Darbietungen vor Publikum und einen True-Crime-Podcast des BR, der in der NRD-Sendung selbst problematisiert wird.

Deutlich wird darin der Spagat, den Strafverteidiger machen, um für ihre Mandanten das Beste herauszuholen – was ihr Job ist. Nämlich der Spagat zwischen akkurater Verteidigung vor Gericht und parallel ihre Einflussnahme auf die öffentliche Meinung, noch bevor ein Urteil gesprochen wurde.

Die dabei durchscheinende Forderung, Journalisten sollten bis zur Urteilsfindung möglichst zurückhaltend sein (und allenfalls auf die bescheidenen Mitteilungen der Staatsanwaltschaften oder die noch selteneren des Gerichts selbst zurückgreifen) überzeugt mit dem dargebotenen Material allerdings nicht.

Denn journalistische Gerichtsberichterstattung stellt einen wesentlichen Teil der gebotenen Öffentlichkeit der Verhandlungen dar (§ 169 GVG). Gerade vor Amtsgerichten ist der anwesende Lokaljournalist nicht selten der einzige Vertreter der Öffentlichkeit.

Der Journalismus soll hier nicht nur über das Ergebnis informieren – das wäre mit der Veröffentlichung des Urteils zu erledigen (wobei längst nicht alle Urteile in die entsprechenden Datenbanken eingestellt werden).

Vielmehr sollen Journalisten eben den Prozess an sich beschreiben. Die Vorträge der verschiedenen Parteien, die Fragestellungen und Wertungen der Richter, Aussagen von Gutachtern und Zeugen etc. Am Ende soll sich die Öffentlichkeit, in deren Namen ein Urteil gesprochen wird, eine halbwegs fundierte Meinung darüber bilden können, ob sie dieses mittragen kann. Denn andernfalls bräuchte es vielleicht Veränderungen in den Abläufen oder sogar in der Gesetzgebung.

Sollte jegliche mögliche Beeinflussung durch eine Berichterstattung auf Prozess-Beteiligte (inklusive möglicher Zeugen) vermieden werden, müssten die Medien konsequenterweise bis zum letztinstanzlichen Urteil warten. Damit wäre dann auch die übrige Öffentlichkeit auszuschließen.

Richter, Staatsanwälte, Verteidiger und Zeugen müssen vielmehr mit der Öffentlichkeit leben, die ihr Agieren von Anfang an kritisch begleitet. Das mag gerade für Opfer, die aussagen müssen, schwer sein. Aber eine 'Geheimjustiz' kann nicht die Lösung sein. Über viele Fälle, in denen wenigstens punktuell die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden darf, wäre eher kritisch zu diskutieren.