Trump-Merkel: Exportweltmeister unter Druck
Seite 4: Achse Paris-Washington?
Der sich vollziehende geopolitische Umbruch wird vor allem bei einem Vergleich des Merkelschen "Arbeitsbesuchs" mit der dreitägigen Staatsvisite des französischen Präsidenten Macron evident, die kurz zuvor stattfand. Der Kontrast hätte "nicht krasser" ausfallen können, bemerkte die New York Times. Der französische Präsident sei von Trump mit Salutschüssen, einem Staatsdinner, einer Rede vor dem Kongress, einer Opernnacht und einer privaten Visite im Haus von George Washington geehrt worden. Die öffentlich zur Schau gestellten Freundschaftsbekundungen beider Staatsführer seien bereits Gegenstand von Witzen geworden.
Die Visite der Bundeskanzlerin sei "überschattet" von diesem "Triumph", den Macron in Washington errungen hätte, schlussfolgerte die Financial Times. Trump werde Merkel, so die FT wörtlich, "wegbürsten" (brush-off). Die Bundeskanzlerin werde lediglich zweieinhalb Stunden im Weißen Haus verbringen, um danach "eilig weggeschickt" zu werden in ihr "wartendes Flugzeug".
Der französische Präsident habe seinen Status als der wichtigste Europäer Trumps zementiert, erklärte die FT. Dies war auch das Kalkül der zu Schau gestellten Verbrüderungsgesten in Washington, wie Stratfor bemerkte. Frankreich benutzte demnach den Brexit und die "kühlen amerikanisch-deutschen Beziehungen", um zum wichtigsten "Vermittler zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union aufzusteigen".
Künftig wird somit nicht mehr Berlin, sondern Paris die erste Anlaufadresse für Washington sein, wenn schwerwiegende Entscheidungen anstehen. Dies verschiebt auch die innereuropäische Machtbalance zugunsten Frankreichs. Inzwischen wird in der europäischen Öffentlichkeit offen darüber debattiert, wer denn nun der "Führer" Europas sei - Merkel oder der "Herausforderer" Macron.
Berlin in somit zu einem Zeitpunkt auch europäisch isoliert, in dem die Bundesrepublik ausdrücklich als ein "Konkurrent" der Vereinigten Staaten in Washington wahrgenommen wird, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) schrieb. Das Weiße Haus hat es somit vermocht, den angebliche deutsch-französischen "Motor" Europas auseinanderzunehmen. Wenn Macron sich nach seiner Rückkehr nach Paris anschaue, "wie Trump Merkel behandelt", dann dürfte er "ein sehr deutsches Gefühl" empfinden, nämlich "Schadenfreude", heißt es in einem Gastbeitrag der FAZ.
Die anfängliche europapolitische Kooperation zwischen Berlin und Paris ist längst von der üblichen Staatenkonkurrenz abgelöst worden. Dieser Achsenbruch zwischen Berlin und Paris, der Washington das Isolieren Merkels ermöglichte, ist wesentlich auf die reformpolitische Blockadehaltung der Bundesregierung gegenüber den französischen Reforminitiativen in der EU zurückzuführen.
Berlin ließ die Reformvorhaben Macrons versanden, die europäische Ausgleichsmechanismen zu eben der deutschen Beggar-thy-Neighbour-Politik implementieren sollten, die auch Trump kritisiert. Jedwede Gegenmaßnahmen zu den langjährigen deutschen Handelsüberschüssen, die Europa ruinieren, werden in Berlin weiterhin als "Transferunion" verteufelt. Damit nötigte Merkel den französischen Präsidenten zu einer raschen geopolitischen Neuausrichtung gen Washington: Macron schloss sich der amerikanischen Intervention in Syrien an und bot sich als europäisches Gegengewicht zu der zusehends konfrontativ gegenüber Washington agierenden Bundesrepublik an.
Berühmt, und derzeit gerne wieder zitiert, ist die Bierzeltrede der Kanzlerin, in der kurz nach der Wahl Trumps der europäische Führungsanspruch der Bundesrepublik klar formuliert wurde:
Die Zeiten, in denen wir uns auf andere verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei… Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen. Natürlich in Freundschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika, in Freundschaft mit Großbritannien … Aber wir müssen wissen, wir müssen selber für unsere Zukunft kämpfen, als Europäer, für unser Schicksal.
Angela Merkel
Diese Bemühungen, ein vom deutsch-französischen "Motor" geformtes Europa als eigenständige, geschlossen agierende Großmacht zu etablieren, sind somit an der Kompromisslosigkeit Berlins gescheitert. Letztendlich war Berlin nicht bereit, den in der gegenwärtigen Krisenperiode notwendigen Preis der Hegemonie zu zahlen, den auch die USA entrichten: den der Verschuldung, mit dem die ökonomischen und sozialen Härten der Eurokrise gemindert worden wären. Stadtessen gab es Austerität für Europa und Schuldenexport für Deutschland.
Deshalb findet sich Merkel nun weitgehend isoliert in Europa, wobei die Kanzlerin in Washington in knappen drei Stunden nur noch "abgebürstet" (FT) wird. Neue Allianzen zeichneten sich in Washington hingegen wenige Tage zuvor bei der Staatsvisite Macrons ab, wie die FAZ aufmerksam registrierte:
Am Dienstag saß Donald Trump neben Emmanuel Macron und sprach über den Handel. "Die Europäische Union ist sehr hart zu uns. Sie haben inakzeptable Handelsschranken", klagte der amerikanische Präsident und verwies auf den Agrarsektor. Mit fast schon zärtlichem Seitenblick auf seinen französischen Gast fügte Trump hinzu: "Ich wünschte, ich hätte nur mit Frankreich zu tun." In seiner Erwiderung sollte Macron ihn zwar kurz ermahnen, dass man "mit Verbündeten keinen Handelskrieg führt". Doch zunächst bedankte er sich bei Trump: "Fairerweise haben Sie daran erinnert, dass die bilaterale Handelsbeziehung zwischen Frankreich und den Vereinigten Staaten ausgeglichen ist."
FAZ
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