Trump: "We Will Win!" - mit dem Militär?

Donald Trump am 20. Oktober. Bild: Weißes Haus

Trump entließ Verteidigungsminister Esper, Republikaner stehen weiter hinter Trump, Außenminister Pompeo spricht von einem glatten Übergang zu einer zweiten Trump-Regierung

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Am Montagnachmittag feuerte der noch amtierende US-Präsident Donald Trump, der bis auf wenige Ausnahmen Rückhalt von den republikanischen Abgeordneten für sein Bestreiten der Wahlergebnisse erfuhr, seinen Verteidigungsminister Mark Esper. Er hatte erst im Juni 2019 seinen Job angetreten und schrieb mit Blick auf Trump in seinem Rücktrittsbrief, er habe das Pentagon "aus der Politik herausgehalten". Davor hatte Shanahan seinen Rücktritt wegen angeblich familiärer Gründe eingereicht, James Mattis, der immerhin zwei Jahre von Januar 2017 bis Januar 2019 Verteidigungsminister war, hatte sich vor allem wegen der Syrienpolitik mit Trump überworfen.

Man muss vermuten, dass der Rauswurf von Esper kein gutes Zeichen im Endkampf von Trump um das Weiße Haus ist. Lapidar schrieb Trump: "Mark Esper has been terminated. I would like to thank him for his service." Im Pentagon war man angeblich überrascht und organisierte schnell eine Konferenz der Joint Chiefs of Staff.

Im Weißen Haus geblieben sind während Trumps Präsidentschaft sowieso nur Leute, die Trumps Launen stets zu Diensten sind. Das war auch im Fall von Esper so, der sich aber im Juni zum Höhepunkt der Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt einen Fehltritt erlaubte, als er Trump gegenüber erklärte, dass es Rassismus in den USA gebe, man könne wegen der Unruhen zwar die Nationalgarde einsetzen, aber er stellte fest, dass der Einsatz von Soldaten jetzt nicht erforderlich sei. Das könne nur ein letztes Mittel sein. Ich schrieb damals, dass Esper wohl nicht mehr lange im Amt sein wird. Seitdem kursierten Gerüchte, dass Esper kündigen oder entlassen wird.

Trump hatte zuvor damit gedroht, auch schwer bewaffnetes Militär in Städte auch gegen den Willen der Gouverneure und Bürgermeister zu schicken, "um den Aufruhr, die Plünderungen, den Vandalismus, die Angriffe und die Zerstörung von Eigentum zu stoppen". Angesichts der Proteste vor dem Weißen Haus Ende Mai wurde er kurz in einen Bunker zur Sicherheit gebracht. Das konnte er nicht auf sich sitzen lassen. Er behauptete später, er habe nur eine Inspektion durchgeführt, und ließ am 1. Juni den Park vor dem Weißen Haus räumen, um dann im Schutze der Nationalgarde, die mit Tränengas, Blendgranaten und Gummigeschossen gegen Demonstranten vorging, mit Gefolge zur St. John’s Episcopal Church zu marschieren, die zuvor durch ein Feuer beschädigt worden war. Dort hielt er wie ein Teufelsaustreiber die Bibel hoch.

In seinem Gefolge marschierten noch brav Verteidigungsminister Esper und - im Kampfanzug - General Mark Milley, der oberste Militär, um militärische Gewalt anzudrohen. Das erzürnte frühere Verteidigungsminister, darunter auch James Mattis, und Ex-Generäle. Es entstand vermutlich Druck auch aus dem Pentagon, so dass Esper sich schließlich gezwungen sah, etwas auf Distanz zu Trump zu gehen, nachdem er zuvor noch 1600 Soldaten nach Washington verlegt hatte. Die ließ er dann wieder abziehen.

Dass Trump den Einsatz des Militärs zur Niederschlagung der Proteste erwogen hatte, sorgte für Ängste. Das war fast noch nie in der Geschichte der USA vorgekommen, zuletzt 1992 nach der Polizeibrutalität gegen Rodney King im Jahr zuvor und den auf die Freilassung der Polizisten folgenden Unruhen in Los Angeles. Möglicherweise hätte er sich auf den Insurrection Act von 1807 berufen können, nach dem das Militär im Inneren eingesetzt werden kann, wenn der Bundesstaat Aufstände nicht beenden oder Bundesrecht nicht durchsetzen kann oder will. Unklar ist, ob der Präsident Militär einsetzen kann, wenn der jeweilige Bundesstaat nicht darum gebeten hat.

Trump kämpft noch mit allen legalen Mitteln

Brisanz hat die Frage, weil Trump sich weiterhin weigert, seine Wahlniederlage einzuräumen und erst einmal alle juristischen Möglichkeiten ausschöpft, die Wahlergebnisse in einigen Bundesstaaten anzufechten. Justizminister Barr ist mit dabei und hat angeordnet, dass Staatsanwälte des Ministeriums den angeblichen Unregelmäßigkeiten bei der Wahl nachgehen. Kurz nach der Ankündigung warf Richard Pilger, der Leiter der Abteilung, die im Justizministerium für die Verfolgung von Wahlkriminalität zuständig ist, das Handtuch, er müsse wegen der eingeschlagenen Richtung von seinem Amt zurücktreten.

Der Großteil der republikanischen Politiker spielt auch mit, schließlich hat Trump zwar aller Voraussicht nach verloren, aber die Republikaner haben doch mehr als 70 Millionen Stimmen eingefahren und sehen sich damit nicht als Verlierer, zumal sie mehr Sitze im Repräsentantenhaus erreicht haben und wahrscheinlich die Mehrheit im Senat behalten werden. Mittlerweile sagen nach einer aktuellen Umfrage 70 Prozent der Wähler der Republikaner, die Wahl sei nicht "frei und fair" gewesen.

Emily Murphy, die von Trump ernannte Chefin der General Services Administration weigert sich bislang, die für den Übergang vorgesehenen Gelder freizugeben und das Übergangsteam von Biden/Harris Kontakt mit den Ministerien aufnehmen zu lassen. Außenminister Mike Pompeo machte gestern klar, dass man im Weißen Haus noch auf einen Sieg hofft oder auf Provokation setzt. Er sagte: "There will be a smooth transition to a second Trump administration."

Was ist mit dem Militär?

Trump ist bis zur offiziellen Amtsübergabe am 20. Januar weiterhin Oberbefehlshaber. Er hatte schon vor der Wahl immer wieder betont, dass er nur verlieren könne, wenn es Wahlbetrug gibt, und sich bei Nachfrage noch im September geweigert zu bestätigen, bei einer Wahlniederlage eine friedliche Machtübernahme zu gewährleisten: "Wir werden sehen, was dann geschieht", ließ er dies offen (Trump hält Akzeptanz des Wahlergebnisses bei Niederlage offen).

General Milley hatte im August erklärt, dass das Militär "apolitisch" sei und sich in die Wahl nicht hineinziehen lasse. Man werde auch bei der Amtsübergabe keine Rolle spielen, also nicht Trump verteidigen, sollte er nicht abtreten wollen, ihn aber auch nicht aus dem Weißen Haus bringen. Am Tag der offiziellen Amtsübergabe, am 20. Januar, ist Trump auch nicht mehr Oberbefehlshaber, auch wenn noch kein Wahlsieger feststeht. Aber es muss nichts nach Drehbuch passieren, Trump könnte sich über vieles erst einmal hinwegsetzen und das Land in eine tiefe Krise stürzen. Die Entlassung von Esper könnte ein erster Schritt sein, das Militär bei Bedarf für eigene Interessen einsetzen zu wollen, obgleich er dort auf Widerstand stoßen wird, zumal er auch noch das Militär düpiert hatte, weil er gefallene Soldaten als "loser" bezeichnete (Bei Wahlniederlage: Wird das US-Militär eingreifen?).

Als Nachfolger von Esper hat Trump Christopher C. Miller ernannt, der offenbar bereit ist, sich auf einen Schleudersitz zu setzen und sich in die Machenschaften von Trump hineinziehen zu lassen, der gestern noch auf Twitter verkündete: $(LEhttps://twitter.com/realDonaldTrump/status/1326158760826560515:. Miller, der jetzt amtierender Verteidigungsminister ist, aber nicht vom Kongress bestätigt wurde, war erst am 10. August zum Direktor des National Counterterrorism Center ernannt worden. Davor arbeitete er u.a. als Staatssekretär im Verteidigungsministerium und war im Nationalen Sicherheitsrat tätig. Bis 2014 war er Offizier in der Army bei Sondereinheiten, er hatte 2001 am Krieg in Afghanistan und 2003 am Krieg im Irak teilgenommen. Eigentlich ist gesetzlich vorgeschrieben, dass ein Verteidigungsminister mindestens sieben Jahre lang nicht mehr als Offizier beim Militär gewesen sein darf. Das war offenbar bei seiner Ernennung durch Trump nicht befolgt worden.

Militärs haben einen "Eid auf die Verfassung und nicht auf einen Mann geschworen"

Bei den Demokraten löste der Rauswurf von Esper natürlich Besorgnis aus. So schrieb Elissa Slotkin, Abgeordnete des Repräsentantenhauses für Michigan, frühere Mitarbeiterin im Pentagon und eine der Sprecherinnen für Fragen der Nationalen Sicherheit, mit Blick auf Miller: "Es ist entscheidend, dass er und alle hohen Pentagonführer sich daran erinnern, dass sie einen Eid auf die Verfassung und nicht auf einen Mann geschworen haben. Mit diesem Eid verbindet sich die Verpflichtung auf eine friedliche Machtübergabe. Alle Führer müssen sich in den nächsten 72 Stunden entscheiden. Ich fordere dringend den amtierenden Verteidigungsminister Miller dazu auf, sich zu vergegenwärtigen, dass das Land und das Militär, dem er sein Leben gewidmet hat, auf ihn zählen, das Richtige zu tun."

Gestern trat überraschend noch James Anderson zurück, der erst seit Februar als erster Staatssekretär im Pentagon für Politik zuständig war - im Juni war er vom Senat allerdings nur als Vizestaatssekretär bestätigt worden. Er berät den Verteidigungsminister bei Fragen der Nationalen Sicherheit und der Verteidigungspolitik. Es habe auch hier Zerwürfnisse gegeben. Es soll um Personalentscheidungen gegangen sein.

Das Weiße Haus wollte Wuco, einen ehemaligen Radiomoderator, der Obama einmal als "Kenianer" bezeichnet hatte, als Gesandten zur Kontrolle von Special Operations einsetzen und Higgins, der früher beim Nationalen Sicherheitsrat gearbeitet hatte und über Twitter Verschwörungstheorien verbreitete, als Stabschef für Anthony Tata, den das Weiße Haus als ersten Staatssekretär gegen den Widerstand von Anderson haben wollte. Der Senat hatte eine Bestätigungsanhörung im August allerdings abgesagt, nachdem CNN islamophobische Tweets von Tata veröffentlichte, der Obama als "Terroristenführer" bezeichnete, daher konnte er nur als zweiter oder stellvertretender Sekretär fungieren. Man kann aber daran sehen, welche Personen unter Trumps Führung angeheuert werden.

In seinem Rücktrittsbrief schrieb er: "Jetzt wie immer hängt unser langfristiger Erfolg von der Beachtung der US-Verfassung ab. Alle Staatsangestellten schwören, sie zu unterstützen und zu verteidigen." Man geht davon aus, dass noch mehr Mitarbeiter das Pentagon und das Weiße Haus schnell verlassen oder gefeuert werden.

Vor der Wahl war die Rede von einer Oktoberüberraschung, die Trump planen könnte, womöglich muss man jetzt mit einer Dezember- oder Januar-Überraschung rechnen, die mit dem Militär zu tun haben könnte. Gemunkelt wird, dass Trump auch CIA-Direktorin Gina Haspel und FBI-Chef Christopher Wray feuern könnte.