Trump setzt auf Gentechnik zur Förderung des ländlichen Raums

Bild: Quinn Dombrowski/CC BY-SA-2.0

Um die eigenen Landwirte zu unterstützen, will die Trump-Regierung den Druck auf vermeintliche Gentechnik-Querulanten im Welthandel erhöhen

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Im Sommerloch ging eine Meldung etwas unter: Die Trump-Regierung beabsichtigt das Attackieren von im Ausland geltenden Vorschriften, die den Export von GVO-Kulturen (GVO - gentechnisch veränderte Organismen) und weiterer innovativer Produkte aus US-amerikanischen Laboratorien behindern. Das hatte der US-Handelsvertreter Robert Lighthizer einer neu geschaffenen abteilungsübergreifenden Task Force bereits im Juni 2017 angekündigt beim ersten Treffen.

Die Task Force will sich vordergründig verstärkt dem ländlichen Amerika widmen. Hier lebt ein großer Teil der Wählerschaft, die Trump ins Amt verhalf. Die dünner besiedelten Gebiete des Landes sind das Herz der Trump Nation. Jeder siebte Amerikaner lebt hier. Und hier stehen sie auch weiterhin zu ihm, trotz der anhaltenden Kontroversen, die seine Amtsführung durchziehen.

"Wir werden Fälle vor die Welthandelsorganisation WTO und andere Verhandlungsorte bringen, wir werden darauf bestehen, dass jegliche Barriere wissenschaftlich fundiert ist und die Vereinigten Staaten ihre Exporte erhöhen", so Lighthizer, der schon während der Reagan-Ära Handelsvertreter war.

Aus Sicht der US-Amerikaner sollen internationale Handelsregeln auf Tatsachen und nicht auf Vorurteilen beruhen. Das Agrarbusiness will mit wissenschaftlich fundierten Regulierungen den Weg zur Beseitigung von Hindernissen für den Export von GVO-Produkten ebnen. Die US-amerikanische Seite verweist dabei auf zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen, die zum Schluss kamen, dass GVO-Pflanzen sicher sind - und doch werden sie immer noch mit einer deutlichen öffentlichen Opposition in Europa und an anderen Orten konfrontiert, deren Konsumenten GVO-Produkte lieber nicht auf ihren Tellern sähen.

Wissenschaftler sind sich zwar größtenteils darüber einig, dass das genetische Ingenieurswesen selber kaum ein Problem darstellt. Das trifft jedoch umso mehr auf die Eigenheiten der mit ihr befassten Landwirtschaft zu. Der Skeptizismus wird des Weiteren durch Enthüllungen genährt, die dubiose Methoden ans Tageslicht bringen, mit denen einschlägige Unternehmen für zweckdienliche wissenschaftliche Studien sorgen. Die Industrie versucht außerdem durch Einflussnahme auf die Medien, den Fortgang der GVO-Debatte in der Öffentlichkeit in ihrem Sinne zu lenken.

Task Force zur Förderung der Landwirtschaft und des ländlichen Wohlstands in Amerika

Präsident Trumps Dekret zur Schaffung der Task Force weist diese an, nach legislativen, regulatorischen und politischen Änderungsmöglichkeiten zu suchen, die die Landwirtschaft fördern, einschließlich jener, die "die Einführung von Innovationen und Technologien in die landwirtschaftliche Produktion und eine langfristige, nachhaltige ländliche Entwicklung" vorantreiben. Das Dekret hat 13 Bereiche für die nähere Überprüfung identifiziert. Ganz vorn auf der Liste: die Beseitigung von "Barrieren für wirtschaftlichen Wohlstand und Lebensqualität im ländlichen Amerika". Auf dem zweiten Platz folgt der technologische Fortschritt in der Landwirtschaft.

Als eine der dringlichsten Prioritäten gilt die Beseitigung von Handelsbarrieren, die sich nicht wissenschaftlich verteidigen ließen. Exporte generierten 20 Cent eines jeden US-Dollars, der als Farm-Einkommen zu Buche schlägt. Wenn andere Länder US-Exporte wegen der dahinter stehenden Technologien unfairerweise blockierten, resultiere daraus eine Zurückhaltung, mit der Integration dieser Technologien in die Landwirtschaft der Vereinigten Staaten voranzuschreiten.

US-Vertreter fordern andere Nationen routinemäßig auf, den Export von GVO-Kulturen zuzulassen. Erst im Sommer 2016 hatte die EU-Kommission Import und Verwendung von neuen Gen-Sojasorten in Lebens- und Futtermitteln genehmigt, darunter Monsantos Roundup Ready 2 Xtend-Sojabohnen. 2012 importierte die EU bereits 30 Millionen Tonnen genetisch veränderter Feldfrüchte für die Verwendung als Tierfutter. In der EU sind gegenwärtig 55 GV-Pflanzen zugelassen: zehn GV-Baumwollsorten, 25 GV-Maissorten, vier GV-Rapssorten, 15 GV-Sojabohnensorten und eine GV-Zuckerrübensorte.

Beispiel China: Der Syngenta AG MIR 162-Rechtsstreit

In den vergangenen Jahren wurde China immer wieder beschuldigt, die Genehmigung neuer GVO-Kulturen aus den USA zu verschleppen. Mit Folgen: So purzelten zu Beginn des Jahrzehnts die Maispreise in den USA, als China mehr als eine Million Tonnen US-Mais zurückwies, weil die Ladung mit einer in China zu diesem Zeitpunkt noch nicht genehmigten GVO-Sorte von Syngenta kontaminiert war. Syngentas im Agrisure Viptera-Gen gebündelte Insektizid-Merkmale waren zwar 2010 von der US-Umweltbehörde EPA genehmigt worden, doch die Chinesen ließen sich damit ihrerseits trotz anders lautender Beteuerungen Syngentas gegenüber US-amerikanischen Farmern bis 2014 Zeit.

In einer Sammelklage, die derzeit in Kansas City anhängig ist, haben 7000 Landwirte Syngenta für den Verkauf des Saatguts verantwortlich gemacht, das von den US-Regulierungsbehörden genehmigt worden war, noch bevor es von China für den Import freigegeben wurde. Im Juni 2017 war Syngenta zu einer Zahlung von 217 Millionen US-Dollar an die geschädigten Landwirte verurteilt worden. Das Unternehmen will die Entscheidung anfechten. Es ist nicht der einzige Fall, der im Zusammenhang verhandelt wird.

Ironischerweise kommt der Rechtsstreit zu einem Moment, in dem die staatseigene China National Chemical Corporation seine 43-Milliarden-US-Dollar schwere Übernahme von Syngenta unter die Haube bringen will. Sollten die US-Landwirte gewinnen, könnte die Zahlungsaufforderung zur Schadensbegleichung demnächst an die chinesische Regierung überstellt werden, die den Mais seinerzeit ablehnte.

Jedes vierte Kind auf dem Lande lebt in Armut

Der ehemalige Düngemittelhändler und jetzige Landwirtschaftssekretär Sonny Perdue leitet die neu gebildete Task Force. Er ist mit dem Agrarbusiness und großen Nahrungsmittelkonzernen aufs Engste verknüpft. Seiner Meinung nach hinke das ländliche Amerika den städtischen Gebieten bei der Erholung von der Rezession 2008-2009 hinterher. Eins von vier Kindern auf dem Lande lebe in Armut, eine so schlechte Quote wie seit dreißig Jahren nicht mehr.

In der Task Force weiß man, dass die Entwicklung des ländlichen Raums nicht mit einer Urbanisierung gleichzusetzen ist. Man will stattdessen die vorhandenen Gegebenheiten der ländlichen Gebiete nutzen, um zu mehr Wohlstand zu kommen, das Zauberwort: Deregulierung. Denn bisher leide "Rural America" unter lästigen Vorschriften.

Perdue gab bekannt, dass die Task Force vier Arbeitsgruppen haben wird und dass ihre Mitglieder 22 Ministerien und Behörden vertreten werden. Ende Oktober wird ein erster Zwischenbericht erwartet. Die gesammelten Ideen sollen Eingang ins Landwirtschaftsbudget des kommenden Jahres finden, so Perdue.

Leere Versprechen für die Wählerschaft vom Lande?

Die neue Initiative soll der ländlichen Wählerschaft Trumps suggerieren, dass ihre Nöte wahrgenommen werden. Und dass die Werkzeuge für eine Besserung der Situation bereitstehen: Immer wieder werden die Vorteile von GVO-Kulturen für den ländlichen Raum und einer nachhaltigen Entwicklung in den USA hervorgehoben.

Doch die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen eher das Gegenteil. Eines der Hauptversprechen - die Drosselung des Pestizideinsatzes - hat sich als Fata Morgana erwiesen. GVO-Kulturen sind vor allem das Geschäft der Saatgut- und Pestizidhersteller: GVO haben die Konsolidierung der Saatgutindustrie durch Patente und Verträge vorangetrieben. Ein Großteil des Farmlands der Vereinigten Staaten ist heute mit GVO-Pflanzen wie Mais, Soja und Baumwolle bestanden, deren Anbau von Patentrichtlinien beherrscht wird - Tendenz steigend.

So werden mittlerweile 92% der 38 Millionen Hektar Maisanbaufläche der USA mit GVO- Mais bestellt. Der überwiegende Teil davon ist Mais mit gleichzeitiger Herbizid-Toleranz und insektiziden Merkmalen. Das Saatgut kommt heute zu einem großen Teil zusätzlich mit einem prophylaktischen Neonicotinoid-Beizmittelbelag aufs Feld (Neonicotinoide auf dem Prüfstand). Die Neonicotinoid-Anwendung als Beizmittel hat in den letzten fünf bis sechs Jahren stark zugenommen, insbesondere auf den Mais- und Soja-Anbauflächen.

Einige Beobachter glauben, dass sich GVO-Kulturen durchaus positiv auf ökologische und soziale Belange auswirken können, so lange sie unter Bedingungen entwickelt werden, die den Anforderungen des Umweltschutzes, den Gegebenheiten der ländlichen Gesellschaft und der Ernährungssouveränität Rechnung tragen und nicht einseitig der Gewinnmaximierung einiger weniger dienen. Doch diese Bedingungen seien in den allermeisten Fällen derzeit nicht gegeben.

Seitdem GVO auf die Felder drängen, hat sich der Grad der Industrialisierung und der Trend zu Monokulturen mit wenigen Sorten verstärkt. Die Pflanzen werden in der Folge anfälliger für Krankheiten und Schädlinge. Ein Bericht der National Academy of Sciences (NAS) kam im vergangenen Jahr zum Schluss, dass GVO weder die Produktivität erhöhten, noch die Intensität der Bodenbearbeitung verringerten.

Soziologische Studien untersuchen seit langem die Effekte industrieller Landwirtschaft auf den ländlichen Raum: Sie sind überwiegend abträglich für das Wohlbefinden der anliegenden Gemeinden. Das beginnt bei der durch Rationalisierung freigesetzten und dann brachliegenden Arbeitskraft, die zu Landflucht führt. GVO beispielsweise benötigen weniger Arbeitsaufwand je Hektar und reduzieren so die Zahl vorhandener Arbeitsplätze auf dem Lande - im Gegensatz stehend zu dem, was im Trump-Dekret gefordert wird.

Die Verkörperung der Probleme der modernen industriellen Landwirtschaft ist der zunehmende Verlust der herbiziden Wirkung von Unkrautvernichtungsmitteln im Zusammenspiel mit herbizidresistenten GVO-Saaten. Die überbordende Nutzung von Glyphosat hat zu einer Unkraut-Epidemie geführt, die sich nicht länger allein damit kontrollieren lassen. Neue Lösungen der Industrie setzen auf die Reaktivierung von Altherbiziden wie Dicamba, denn die Forschung an neuen Pflanzenschutzmitteln ist teuer und aufwendig. Aus einigen Unternehmen ist sie deshalb fast verschwunden. Eine Folge: Seit 25 Jahren kamen keine Herbizide mit prinzipiell neuen Wirkmechanismen mehr auf den Markt.

Mit der Dominanz von GVO sind die Netto-Farmgewinne jetzt ähnlich niedrig wie um das Jahr 2000, doch im gleichen Zeitraum sind die Kosten für den Anbau dieser Kulturen stark gestiegen: Mehrausgaben für Land, zunehmend teurer werdendes Industrie-Saatgut, Pestizide. Kritiker glauben unterm Strich nicht, dass dies die Erfolgsformel für die Entwicklung von Wohlstand im ländlichen Raum sein kann, vielmehr würden die Landwirte zunehmend durch starke wirtschaftliche Interessen ausgequetscht.