Türkei: Erdogan wird gewinnen

Seite 2: Die HDP und der "Wahlkampf"

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MHP-Chef Devlet Bahceli dürfte darauf setzen, nach der Wahl als treuer Mitläufer einen sicheren Posten zu erhalten. Und die linksliberale pro-kurdische HDP, die gerade ihren seit November 2016 inhaftierten Ex-Chef Selahattin Demirtas als Kandidat aufgestellt hat? Dürfte noch in diesem Jahr komplett zerschlagen werden. Bereits jetzt werden wieder die Büros der Partei gestürmt, Parteimitglieder verhaftet. Soviel zum Thema Wahlkampf.

Der Wahlkampf wird eine Farce, ebenso wie die Wahl selbst. Schon im Wahlkampf zum Verfassungsreferendum im vergangenen Jahr gab es fast täglich Angriffe auf Oppositionswahlkämpfer, in der Berichterstattung der weitgehend gleichgeschalteten Medien dominierte die AKP. Jetzt, wo sogar Hürriyet und CNN Türk auf Linie gebracht sind, wird es kaum noch größeren Widerspruch geben.

550 Millionen Wahlzettel

Die Nachricht, dass für die 56 Millionen Wahlberechtigten insgesamt 550 Millionen Wahlzettel gedruckt wurden, mag wie ein etwas überdehnter Gag einer Satire-Website klingen, ist aber im Kontext all des Irrsinns nur folgerichtig.

Denn selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass es dem Oppositionsbündnis doch noch gelingen sollte, einen starken Kandidaten aus dem Hut zu zaubern und große Mehrheiten für sich einzunehmen, kann Erdogan mit Hilfe des neuen Wahlgesetzes machen, was er will. Er wird seine Leute in die Wahllokale schicken, und es ist ihnen erlaubt, die Wahlurnen einfach mitzunehmen.

Außerdem werden auch ungestempelte Wahlzettel bei der Auszählung zugelassen - und davon wird es ungefähr 490 Millionen geben. Was soll da noch schiefgehen? Nicht zu vergessen: Die Wahl findet im andauernden Ausnahmezustand statt. Wer am Wahltag oder vorher querschlägt, wird halt weggesperrt.

Aufbegehren bei tausend Festnahmen in der Woche?

Es reicht dann, einfach zu behaupten, derjenige habe was mit PKK oder Gülen zu tun, die Begründungen sind längst so austauschbar geworden, dass es ohnehin egal ist, unter welchem wahnwitzigen Vorwand die Leute inhaftiert werden. Es ist Usus geworden.

Noch immer gibt es Woche für Woche teils mehr als tausend Festnahmen. Wer traut sich schon noch, dagegen aufzubegehren, wenn er selbst der Nächste sein könnte?

Am 24. Juni wird in der Türkei gewählt. Die Wahrscheinlichkeit, dass am Abend des Wahltags ein überraschendes Ergebnis ansteht, tendiert gegen null.