Türkei provoziert die USA
Die staatliche Nachrichtenagentur veröffentlichte die Lage von US-Stützpunkten in Syrien zur Unterstützung der syrischen Kurden, das Pentagon protestiert
Die Türkei scheint den Konflikt mit den USA hochzukochen. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu veröffentlichte am Montag auf Türkisch und am Dienstag auf Englisch eine Karte mit der ungefähren Lage von zehn US-Militärstützpunkten und listete teilweise auf, wie viele Soldaten dort stationiert sind. In zwei Stützpunkten bei Kobane und Raqqa sollen auch französische Spezialeinheiten präsent sein. Darunter befinden sich auch zwei Luftwaffenstützpunkte. Der eine ist südlich von Kobane, der andere ganz im Osten Syriens. Veröffentlicht wurde die Karte unter der Überschrift: "Die USA vermehrt die Stützpunkte zur Unterstützung von YPG/PKK." (Dazu s.a.: USA baut in syrischen Kurdengebieten Stützpunkte aus, US-Truppen errichten ein Netz an Luftwaffenstützpunkten in und um Syrien).
Alle Stützpunkte befinden sich in den von den syrischen Kurden kontrollierten Gebieten, viele seien geheim angelegt und schwer zu finden, wird süffisant angemerkt. Die enge Kooperation der US-Streitkräfte mit den YPG- bzw. SDF-Kämpfern und deren Versorgung mit Waffen ist wohl auch der primäre Grund, warum Ankara sauer ist und nach dem Streit mit Deutschland, das die Tornados aus Incirlik abzieht, sich nun auch mit den USA anlegt. Die türkische Regierung setzt die YPG mit der PKK gleich und bezeichnet die kurdischen Kämpfer in Syrien ebenfalls wie die PKK und den Islamischen Staat als Terroristen.
Hervorgehoben wird, dass amerikanische Spezialeinheiten bei Raqqa, al-Hasakah und Manbidsch stationiert seien, in Manbidsch befänden sich zwei Stützpunkte, um die kurdischen Milizen gegen die von der Türkei unterstützen Milizen zu schützen. Die Türkei wollte mit der inzwischen beendeten Operation Euphrat-Schild auch Manbidsch erobern, wobei sowohl die USA als auch Russland und die syrische Armee dazwischengefahren sind.
Für die Türkei ging es darum zu gewährleisten, dass der Korridor zwischen den kurdischen Gebieten offen bleibt, um die von Ankara unterstützten Islamisten und Assad-Gegner versorgen und über sie den Einfluss in Syrien sichern zu können. Nachdem die US-Regierung es auch ablehnte, die Kurden fallenzulassen und die Offensive auf Raqqa mit türkischen Truppen und ihren Milizen auszuführen, verschärfte sich der Konflikt zwischen den Nato-Mitgliedsländern. Seitdem werden immer wieder Angriffe auf die kurdisch-syrische Enklave Afrin ausgeführt, das die Türkei unter ihre Kontrolle bringen will.
Erdogan, der die Türkei zur Regionalmacht erheben und ihn zum großen Lenker in der Region machen sollte, ist bislang daran gescheitert. Die anfängliche Annäherung an den Iran ist längst Geschichte, im Irak wurden die Türken bislang auch beiseite gedrängt, die kurdische Regionalregierung in Erbil, eigentlich Ankara nahestehend, will ein Referendum zur Unabhängigkeit durchführen, was für Erdogans Kampf gegen die Kurden einen Dammbruch darstellt. Die Beziehungen zu den von Saudi-Arabien geführten Golfstaaten und damit auch die gemeinsamen geostrategischen Interessen in Syrien haben sich verschlechtert, weil Erdogan sich auf die Seite von Katar stellte. Die Beziehungen zu Russland sind volatil, das in der Region andere Ziele als Erdogan verfolgt.
Pentagon reagiert verärgert
Derart ausrangiert und mittlerweile auch im Land keineswegs mehr unumstritten an der Macht könnten Erdogan bzw. seine AKP durchaus irrational handeln, um vermeintliche eigene Interessen zu wahren. So wurde das Pentagon schon gewarnt, dass bei Angriffen auf die syrischen Kurden durchaus auch mal US-Truppen zur Zielscheibe werden könnten, die sich dort aufhalten. Die Veröffentlichung der Stützpunkte durch die staatliche Nachrichtenagentur ist zumindest als Provokation zu verstehen, auch wenn diese in Syrien bekannt sein werden. Wir hatten auch bereits berichtet, dass die USA in Syrien ihre militärische Präsenz ausbauen und sich dabei auf die syrischen Kurden stützen.
Pentagon-Sprecher Adrian Rankine-Galloway erklärte, dass die Veröffentlichung von wichtigen militärischen Informationen die Koalitionsstreitkräfte unnötigen Risiken aussetze und die Anti-IS-Operationen gefährden könnte. Man könne nicht sagen, woher die Informationen stammen, man sei aber sehr besorgt, "wenn Angehörige eines Nato-Verbündeten absichtlich unsere Truppen gefährden, indem sie geheime Informationen veröffentlichen". Der Sprecher forderte alle Parteien dazu auf, sich auf den Kampf gegen den IS zu konzentrieren. Aber der kann zunehmend die widerstreitenden Interessen nicht mehr kaschieren.
Das Pentagon bat auch amerikanische Medien wie The Daily Beast, die Informationen nicht zu veröffentlichen. Wenn die Zahl der stationierten Truppen und die Orte bekannt würden, seien das "taktische Informationen für den Feind". Die Veröffentlichung sei unprofessionell, das Pentagon bat darum, keine Informationen zu verbreiten, die das Leben von Koalitionstruppen in Gefahr bringen können. The Daily Beast hielt sich ein wenig daran, verlinkte aber den Bericht der türkischen Nachrichtenagentur.